Deutscher Bundestag
9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
08 . 04 . 81
Beschlußempfehlung und Bericht
des Wahlprüfungsausschusses
zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
eingegangenen Wahleinsprüchen
A. Problem
Gemäß Artikel 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist Wahlprü-
fung Sache des Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmun-
gen des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) nach Vorprüfung durch
den Wahlprüfungsausschuß über die Einsprüche gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag vom 5. Okto-
ber 1980 zu entscheiden.
Die Gültigkeit der Wahl wurde mit insgesamt 58 Wahleinsprü-
chen angefochten; ein Einspruch wurde zurückgezogen.
B. Lösung
Zurückweisung der 57 Wahleinsprüche, davon
5 wegen Unzulässigkeit,
— 3, da die Einspruchsführer gemäß § 13 des Bundeswahlge-
setzes (BWG) vom Wahlrecht ausgeschlossen waren,
— 1 wegen beleidigenden Inhalts der Einspruchsbegrün-
dung,
— 1 wegen fehlender Begründung,
die übrigen wegen offensichtlicher Unbegründetheit im Sinne
des § 6 Abs. la Nr. 3 WPG.
Offensichtlich unbegründet sind Einsprüche, die
a) die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behaupten; im
Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens im Bundestag kann
eine derartige Prüfung nicht erfolgen (seit 1. WP ständige
Praxis des Bundestages),
b) nicht mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung
gestützt wird, erkennen lassen und nicht genügend sub-
stantiierte Tatsachen enthalten [BVerfGE 48, 271 (276)],
DrUCkS3Ch6 9/316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
c) sich zwar auf nachprüfbare Mängel bei der Vorbereitung
oder Durchführung der Wahl stützen können, diese je-
doch angesichts des Stimmverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben konnten [BVerfGE 4, 370
(372 f.)].
In diesem Zusammenhang hat der Wahlprüfungsausschuß
auch geprüft, ob gegebenenfalls durch Kumulierung der
Wahlfehler eine andere Verteilung der Mandate im 9. Deut-
schen Bundestag möglich gewesen wäre. Aus einer Über-
sicht des Bundeswahlleiters vom 19. Oktober 1980 ergibt
sich, daß für den Übergang eines Sitzes von einer Partei zur
anderen mindestens 131 bzw. 428 Zweitstimmen erforder-
lich gewesen wären: Hätte die FDP, bei status-quo im übri-
gen, 131 Stimmen mehr erhalten, oder die CDU, bei status-
quo im übrigen, 428 Stimmen weniger, hätte durch Los ent-
schieden werden müssen, ob der Sitz der FDP oder der CDU
zufällt. Aufgrund dieser Zahlen hat der Wahlprüfungsaus-
schuß festgestellt, daß auch bei Zusammenrechnen der
Wahlfehler die oben genannten Zahlen für die Zweitstim-
men nicht erreicht werden.
C. Alternativen
standen hinsichtlich der Entscheidung nicht zur Diskussion.
Der Wahlprüfungsausschuß ist jedoch allen behaupteten Wahl-
mängeln nachgegangen, auch wenn erkennbar war, daß, den
Wahlmangel unterstellt, dieser keinen Einfluß auf die Man-
datsverteilung im 9. Deutschen Bundestag haben konnte. Diese
Art der Behandlung soll mit dafür Sorge tragen, daß festge-
stellte Wahlmängel sich bei künftigen Wahlen soweit wie mög-
lich nicht wiederholen.
D. Kosten
entfällt
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Beschiußempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen,
die aus den Anlagen 1 bis 57 ersichtlichen Entscheidungen zu treffen.
Bonn, den 8. April 1981
Der Wahlprüfungsausschuß
Schulte (Unna) Dr. BÖtsch (zu Anlagen 1 bis 24)
Vorsitzender Dr, Dübber (zu Anlagen 25 bis 47)
Wolfgramm (Göttingen) (zu Anlagen 48 bis 57)
Berichterstatter
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 1
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 5/80 —
des Herrn Reinhard Thier, wohnhaft: Kiebitzpohl 70, 4404 Telgte,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1980 an den Wahl-
prüfungsausschuß des Deutschen Bundestages
hat der Einspruchsführer gebeten, die Rechtmä-
ßigkeit der Durchführung der Wahl zum 9. Deut-
schen Bundestag zu überprüfen.
Er begründet seinen Einspruch damit, daß das
Wahlgeheimnis verletzt worden sei. Er habe fest-
stellen müssen, daß die Stimmzettel in Gruppen
eingeteilt und nach Alter und Geschlecht geord-
net gewesen seien. Er frage, ob eine solche Ein-
teilung legal sei. Nach seiner Meinung sei hier
die Grundlage dafür geschaffen worden, heraus-
zufinden, wie der einzelne gewählt habe. Außer-
dem könne man nicht von einer freien Wahl spre-
chen, wenn er nicht ohne Furcht vor Nachteilen
seine Stimme abgeben könne. Dies alles stelle ei-
nen Verstoß gegen Artikel 38 Abs. 1 des Grundge-
setzes dar.
Weiter bittet der Einspruchsführer um Prüfung,
ob es zulässig sei, erst die Personalien des Wäh-
lers festzustellen und ihm dann den Stimmzettel
auszuhändigen oder ob es nicht Vorschrift sei,
dem Wähler zunächst den Stimmzettel zu über-
geben und erst dann die Personalien festzustel-
len. Seine Zweifel an der Richtigkeit der Wahl-
durchführung würden durch das Gemeinschafts-
kundebuch „einer für alle, alle für einen“, Seite
132 bis 133, unterstützt.
Sein Antrag beziehe sich auf die Durchführung
der Wahl im Wahlbezirk 62 (Telgte-Schulzen-
trum) des Wahlkreises 100.
In einem Nachsatz führt der Einspruchsführer
weiter aus, er habe soeben erfahren, daß die Ein-
teilung der Stimmzettel nach Alter und Ge-
schlecht gemäß § 51 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) zulässig sei. Weil er aber nicht bereit sei,
sich sein Grundrecht aus statistischen Gründen
wegnehmen zu lassen, halte er es für angebracht,
§ 51 BWG vom Verfassungsgericht überprüfen zu
lassen, sofern der Wahlprüfungsausschuß seine
Zweifel nicht ausräumen könne.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 51 Abs. 2 BWG sind in den vom Bundes-
wahlleiter im Einvernehmen mit den Landeswahl-
leitern und den Statistischen Landesämtern zu be-
stimmenden Wahlbezirken auch Statistiken über
Geschlechts- und Altersgliederung der Wahlberech-
tigten und Wähler unter Berücksichtigung der
Stimmabgabe für die einzelnen Wahlvorschläge zu
erstellen. Die Trennung der Wahl nach Altersgrup-
pen und Geschlechtern ist nur zulässig, wenn die
Stimmabgabe der einzelnen Wähler dadurch nicht
erkennbar wird.
Diese Bestimmung des Bundeswahlgesetzes soll die
Durchführung einer besonderen statistischen Re-
präsentativerhebung in einzelnen Wahlbezirken er-
möglichen. Durch § 51 Abs. 2 Satz 2 BWG ist gesi-
chert, daß Rückschlüsse auf die Stimmabgabe ein-
zelner Wähler nicht gezogen werden können. Gemäß
§ 85 Abs. 2 Satz 3 der Bundeswahlordnung (BWO)
dürfen zum Schutz des Wahlgeheimnisses die Er-
gebnisse für einzelne Wahlbezirke nicht bekanntge-
macht werden.
Wenn der Einspruchsführer darauf hinweist, er
halte es für angebracht, § 51 BWG vom Verfassungs-
gericht überprüfen zu lassen, so ist festzustellen, daß
der Wahlprüfungsausschuß in ständiger Praxis es
abgelehnt hat, gesetzliche Bestimmungen auf ihre
Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.
Soweit der Einspruchsführer um Prüfung bittet, ob
es zulässig sei, erst die Personalien des Wählers fest-
zustellen und ihm dann den Stimmzettel auszuhän-
digen, wird auf § 56 BWO verwiesen. Aus § 56 Abs. 1
5
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
bis 4 BWO ergibt sich zwar, daß der Wähler zunächst
den amtlichen Stimmzettel und den amtlichen Wahl-
umschlag erhält, sich dann in die Wahlzelle begibt,
um dort seinen Stimmzettel zu kennzeichnen und
erst dann an den Tisch des Wahlvorstandes heran-
tritt, seine Wahlbenachrichtigung abgibt und, sobald
der Schriftführer den Namen des Wählers im Wäh-
lerverzeichnis gefunden hat, den Wahlumschlag in
die Wahlurne legen kann. Diese Vorschriften dienen
jedoch im wesentlichen der Sicherung einer ord-
nungsgemäßen Stimmabgabe unter Beachtung des
Wahlgeheimnisses. Entscheidend ist deshalb nicht
unbedingt die Einhaltung der Reihenfolge der in § 56
Abs. 1 bis 4 BWO geregelten Einzelheiten, sondern
ihre Beachtung überhaupt.
Wenn deshalb im Wahllokal des Einspruchsführers
von der in § 56 BWO vorgesehenen Reihenfolge hin-
sichtlich der Einzelheiten der Wahlhandlung abge-
wichen wurde, kann darin kein einen Wahlein-
spruch begründender Wahlfehler gesehen werden.
Der Einspruch war deshalb im Sinne von § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 2
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 7/80 — des Herrn Hellmut
Scholtz, wohnhaft: Zum Jungen 15, 6000 Frankfurt am Main,
gegen die Gültigkeit der* Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Telegramm vom 5. Oktober 1980 an den Bun-
deswahlleiter Bonn hat der Einspruchsführer
mit den Worten: „fechte Wahl an da nicht ge-
heim'’ die Wahl zum 9. Deutschen Bundestag an-
gefochten. Ihm wurde telefonisch mitgeteilt, daß
er seinen Einspruch schriftlich begründen und
an den Bundestag richten müsse.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1980 hat der Bun-
deswahlleiter den Einspruch des Einspruchsfüh-
rers an den Deutschen Bundestag weitergelei-
tet.
Aufgrund der Eingangsbestätigung seitens des
Wahlprüfungsausschusses vom 14. Oktober 1980
hat der Einspruchsführer seinen Einspruch am
22. Oktober 1980 begründet. Zur Begründung sei-
ner Behauptung, die Wahl sei nicht geheim, führt
er aus, nach Ankreuzen des Stimmzettels sei in
einer Adressenliste auf dem Tisch neben der
Wahlurne vermerkt worden, ob gewählt worden
sei oder nicht. Stimmzettel und Wahlausweis
seien anschließend in der gleichen Reihenfolge,
der Wahlausweis in einen Behälter rechts neben
dem Adressenkontrolleur, der Stimmzettel in die
Wahlurne geworden worden. Insbesondere bei
Klumpungseffekten innerhalb der Wahlurne wie
bei der Ablage der Wahlausweise sei zwischen-
zeitlich ein Mißbrauch bzw. eine Reanonymisier-
barkeit der Stimmabgabe möglich. Weitere Miß-
bräuche könnten darin gesehen werden, daß die
Klumpungseffekte dadurch eingegrenzt werden
könnten, daß in den Wahllisten die Stimmabgabe
mit fortlaufenden Nummern versehen werden
könnte.
Durch die von ihm geschilderten Möglichkeiten
werde der Grundsatz der geheimen Wahl ver-
letzt.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet
Die vom Einspruchsführer gerügte Form der Stimm-
abgabe entspricht den Bestimmungen des Bundes-
wahlgesetzes, insbesondere den Bestimmungen des
§ 56 der Bundeswahlordnung (BWO). Die vom Ein-
spruchsführer befürchtete Gefahr der Reanonymi-
sierung der Wähler wird durch § 68 BWO weitestge-
hend ausgeschlossen. Danach werden nach Entfer-
nung aller nicht benutzten Wahlumschläge und
Stimmzettel die Wahlumschläge der Wahlurne ent-
nommen und ungeöffnet gezählt. Gleichzeitig wird
die Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerver-
zeichnis und die Zahl der eingenommenen Wahl-
scheine festgestellt Zwar kann rein theoretisch ein
„Klumpungseffekt” nicht ausgeschlossen werden,
dieser wird jedoch, soweit er überhaupt bejaht wer-
den kann, durch die Form der Entnahme der Wahl-
umschläge aus der Urne auf ein Mindestmaß redu-
ziert. Selbst wenn die Entnahme nicht durch Umkip-
pen der Wahlurne, sondern durch Herausnehmen
der Wahlumschläge aus der Urne erfolgen sollte,
könnte erst ein bewußtes und gewolltes Zusammen-
wirken der Mitglieder des Wahlvorstandes bei der
anschließenden Zählung der Stimmabgabever-
merke und Wahlscheine u. U. dann zu einer Reano-
nymisierung der Wähler führen, wenn Stimmabga-
bevermerke und Wahlscheine entsprechend der Rei-
henfolge der Stimmabgabe fortlaufend numeriert
würden. Abgesehen davon, daß der Wahlvorsteher
und seine Beisitzer zur unparteiischen Wahrneh-
mung ihres Amtes verpflichtet sind, werden sie dar-
über hinaus noch zur Verschwiegenheit über die ih-
nen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgeworde-
nen Tatsachen, insbesondere über alle dem Wahlge-
heimnis unterliegenden Angelegenheiten verpflich-
tet (§ 6 Abs. 3, § 53 Abs. 1 BWO).
Da der Einspruchsführer schließlich lediglich auf
die theoretische Gefahr der Verletzung des Grund-
satzes der Geheimhaltung der Wahl hingewiesen
hat, jedoch keine substantiierten Tatsachen vortra-
gen konnte, die die Möglichkeit einer Verletzung
wahlrechtlicher Bestimmungen hätte erkennen las-
7
Drucksache 9/316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
sen, war sein Einspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehning
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
8
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 3
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 10/80 — des Herrn
Christoph Noack, wohnhaft: Corveyer Straße 10, 6400 Fulda,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 an den Bum
deswahlleiter, das dieser mit Schreiben vom
10. Oktober 1980 dem Deutschen Bundestag zu-
geleitet hat, hat der Einspruchsführer Einspruch
gegen die Wahl zum 9. Deutschen Bundestag im
Wahlkreis 132 — Fulda — eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs führt er aus,
aufgrund eines Behördenfehlers habe er nicht an
der Bundestagswahl teilnehmen können. Dem
Fehler liege folgender Sachverhalt zugrunde:
Mitte August 1980 habe er formlos die Briefwahl
beim Wahlamt der Stadt Fulda beantragt, da er
z. Z. der Bundestagswahl Urlaub in Griechenland
machen wollte. In einem Telefongespräch sei
mitgeteilt worden, daß dies vor dem 10. Septem-
ber 1980 nicht möglich sei. Er habe als Nachsen-
deadresse das Postamt in Naphilon (Griechen-
land) angegeben. Am 29. August 1980, habe er
sich telefonisch beim Wahlamt in Fulda verge-
wissert, daß es keine weiteren Schwierigkeiten
geben würde. Man habe ihm mitgeteilt, er solle
am Montag, dem 1. September 1980, seine Unter-
schrift leisten, die unbedingt zur Nachsendung
der Briefwahlunterlagen erforderlich sei. Aus fa-
miliären Gründen sei es ihm nicht möglich gewe-
sen, diesen Termin einzuhalten, so daß er davon
hätte ausgehen müssen, daß ihm keine Brief-
wahlunterlagen nachgesandt würden. Aus die-
sem Grunde habe er seinen Urlaub vorzeitig be-
endet, um persönlich seine Stimme abzugeben.
Er habe seine Wahlbenachrichtigung vorgefun-
den und sei mit dieser am folgenden Tag in das
Wahllokal gegangen. Dort sei ihm vor der Stimm-
abgabe erklärt worden, er hätte Briefwahlunter-
lagen erhalten und dürfe dann nur mit diesen
wählen. Da er diese nie erhalten habe, bedeutete
dies den Ausschluß von der Teilnahme an der
Bundestagswahl 1980.
Bei seinen sofortigen Bemühungen, doch noch
zur Wahl zugelassen zu werden, sei ihm erklärt
worden, er sei „halt ein Wahlopfer ’80’' und müsse
sich damit abfinden, nicht wählen zu können.
Außerdem habe man ihm erklärt, die vom Wahl-
amt telefonisch gegebene Auskunft bezüglich der
noch zu leistenden Unterschrift sei falsch gewe-
sen.
Die Möglichkeit, am 4. Oktober 1980 bis 12.00 Uhr
noch einen Ersatzwahlschein zu beantragen, sei
nicht mehr gegeben gewesen, so daß festzustel-
len bleibe, daß er im Vertrauen auf die Richtig-
keit einer Behördenauskunft um die Möglichkeit
gebracht worden sei, seinem im Grundgesetz ver-
brieften Recht der Wahl nachzukommen.
Auf Anforderung des Wahlprüfungsausschusses
hat der Oberbürgermeister der Stadt Fulda zu
dem Vorbringen des Einspruchsführers wie folgt
Stellung genommen: Der Einspruchsführer habe
am 21. August 1980 schriftlich die Übersendung
von Briefwahlunterlagen beantragt, da er sich
vom 2. September bis 15. Oktober 1980 im Aus-
land aufhalten wollte. Die Ausgabe von Brief-
wahlunterlagen sei jedoch vor dem 9. September
1980 nicht statthaft gewesen; aus diesem Grunde
sei eine telefonische Rücksprache mit dem Ein-
spruchsführer erfolgt, in dessen Verlauf dieser
eine Nachsendeadresse in Griechenland angege-
ben habe. Dem Einspruchsführer sei dabei mit-
geteilt worden, daß die Unterlagen zum frühest-
möglichen Termin an ihn abgesandt würden.
Ob der Einspruchsführer am 29. August 1980 sich
noch einmal telefonisch in dieser Angelegenheit
an das Wahlamt gewendet habe, sei nicht mehr
rekonstruierbar; wenn jedoch ein entsprechen-
der Anruf erfolgt sei, habe der Einspruchsführer
vermutlich nicht darauf hingewiesen, daß er be-
reits einen schriftlichen Antrag beim Wahlamt
gestellt habe. Es sei ihm sicher mitgeteilt worden,
daß ein ordnungsgemäßer Antrag auf Übersen-
dung von Briefwahlunterlagen gemäß § 27 Abs. 1
der Bundeswahlordnung (BWO) fernmündlich
nicht gestellt werden könne. Der Einspruchsfüh-
rer habe versprochen, nach eigenen Aussagen
noch vor der Abreise im Wahlamt vorbeizukom-
men. Dies sei jedoch unterblieben. Wenn der Ein-
9
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Spruchsführer sein Versprechen eingehalten hät-
te, hätte die Angelegenheit insofern geklärt wer-
den können, als er seinen Antrag vom 21. August
1980 noch hätte zurückziehen können. Das habe
er jedoch nicht getan.
Da der schriftliche Antrag auf Übersendung
von Briefwahlunterlagen sowie die Nachsende-
adresse Vorgelegen hätten, seien am 12. Septem-
ber 1980 die Briefwahlunterlagen an den Ein-
spruchsführer per Luftpost nach Griechenland
abgesandt und im Wählerverzeichnis ein Sperr-
vermerk angebracht worden.
Die Briefwahlunterlagen seien, wie aus beilie-
gender Fotokopie des Briefumschlages ersicht-
lich sei, am 17. September 1980 in Naphilon gewe-
sen. Zwei Wochen nach der Bundestagswahl
seien diese Unterlagen dann wieder beim Ma-
gistrat der Stadt Fulda eingegangen.
In den Tagen vor dem 14. September 1980 sei dem
Einspruchsführer, wie allen Wahlberechtigten,
eine maschinell ausgedruckte Wahlbenachrichti-
gungskarte zugegangen. Mit dieser Karte habe
der Einspruchsführer am 5. Oktober 1980 zur
Wahl gehen wollen, aber wegen Sperrvermerks
nicht zugelassen werden dürfen.
Eine bis zum 4. Oktober 1980, 12.00 Uhr, mögliche
Klärung bzw. die Ausgabe eines neuen Wahl-
scheines gemäß § 28 Abs. 9 BWO seien vom Ein-
spruchsführer nicht verlangt worden. Wie der
Einspruchsführer angegeben habe, sei er erst in
der Nacht zum 5. Oktober 1980 zurückgekehrt.
Da sich der Einspruchsführer erst am Wahlsonn-
tag selbst gemeldet habe, hätte eine Zulassung
zur Bundestagswahl nicht mehr erreicht werden
können. Dieses Ergebnis sei dem Einspruchsfüh-
rer auch vom Landeswahlleiter für Hessen mit
Schreiben vom 14. Oktober 1980, das dem Schrei-
ben als Anlage beigefügt wurde, mitgeteilt wor-
den.
Im übrigen sei bekannt, daß der Einspruchsfüh-
rer am Wahlsonntag sowohl mit dem Kreiswahl-
leiter als auch mit dem Landeswahlleiter in die-
ser Angelegenheit mit dem Ergebnis telefoniert
habe, daß ihm auch von dort mitgeteilt worden
sei, eine Zulassung zur Bundestagswahl könne
nicht mehr erreicht werden.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 1980 hat der
Landeswahlleiter für Hessen dem Einspruchs-
führer mitgeteilt, er bedaure, daß der Ein-
spruchsführer aufgrund eines Mißverständnis-
ses zwischen ihm und dem Wahlamt der Stadt
Fulda seine Stimme bei der Bundestagswahl
nicht habe abgeben können.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 28 BWO dürfen Wahlscheine nicht vor der
Zulassung der Wahlvorschläge durch den Landes-
und den Kreiswahlausschuß erteilt werden. Wenn
dem Einspruchsführer somit mitgeteilt wurde, vor
diesem Zeitpunkt — 9. September 1980 — sei eine
Briefwahl nicht möglich, entsprach diese Auskunft
der Rechtslage.
Wenn ihm trotz dieser Rechtslage aufgrund seines
Antrags vom 21. August 1980 Briefwahlunterlagen
an die von ihm angegebene Urlaubsadresse zuge-
sandt wurden und er aufgrund des von ihm mit der
Wahlbehörde geführten Telefongespräches ohne Be-
zugnahme auf diesen Antrag eine rechtsirrtümliche
Antwort bekam, die letztlich dazu führte, daß der
Einspruchsführer an der Bundestagswahl nicht teil-
nehmen konnte, so kann zwar ein Wahlfehler, an
dessen Entstehen der Einspruchsführer sich minde-
stens ein Mitverschulden anrechnen lassen muß,
nicht ganz ausgeschlossen werden; da dieser jedoch
angesichts des Stimmverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben konnte [vgl. BVerf-
GE 48, 271 (280)], war der Einspruch im Sinne des § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 4
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 11/80 — des Herrn
Arthur Berg, wohnhaft: Höhenberger Straße 21, 5000 Köln 91,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1980 an den „Bun-
deswahlbeauftragten für die Bundestagswahl
1980” hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bun-
destag eingelegt. Sein Schreiben, das zunächst
dem Bundeswahlleiter zugeleitet wurde, hat die-
ser zuständigkeitshalber dem Deutschen Bun-
destag weitergeleitet, Kopie seines Einspruchs-
schreibens hat der Einspruchsführer ferner ge-
richtet an das Bundesverfassungsgericht, den
Europäischen Gerichtshof, Amnesty Internatio-
nal, Frau Dr. Emmy Görrig, den Kölner Stadtan-
zeiger und die Kölnische Rundschau.
Zur Begründung seines Wahleinspruchs trägt er
vor, er sei „wieder ohne rechtfertigenden Grund
der Freiheit beraubt worden” und „durch nach-
weisliches Verschulden anderer zwangsweise
und ohne Ausgang” in einer Klinik unterge-
bracht worden. Da ihm trotz zugegangener Wahl-
benachrichtigung wegen unberechtigter Aus-
gangssperre nur auf „ausbeutendem Umwege”
die Briefwahl möglich geblieben sei, um aus-
schließlich den Interessen anderer zu nutzen,
sehe er sich veranlaßt, „wegen eindeutiger Ver-
weigerung des Wahlrechts” die Wahl anzufech-
ten. Er behauptet, daß ihm das aktive Wahlrecht
absichtlich genommen worden sei. Trotz nicht-
igem Unterbringungsbeschluß stehe ihm das in
der Verfassung garantierte Wahlrecht uneinge-
schränkt zu.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 1980 wurde der
Eingang des Wahleinspruchs vom Deutschen
Bundestag bestätigt und dem Einspruchsführer
unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts die Möglichkeit gegeben,
seinen Einspruch näher zu begründen bzw. zu
konkretisieren.
Aufgrund dieses Schreibens teilte der Ein-
spruchsführer mit Schreibern vom 20. Oktober
1980 mit, bevor er die Gründe seiner Wahlanfech-
tung konkretisiere, möchte er seine Entschei-
dung in Freiheit treffen. Seit dem 30. September
1980 bestehe bei ihm Ausgangssperre und nach
Eingang des Schreibens des Wahlprüfungsaus-
schusses bei der Rheinischen Landesklinik Köln-
Merheim sei er im Bett fixiert worden.
Der Landschaftsverband Rheinland — Rheini-
sche Landesklinik Köln — Fachklinik für Psychi-
atrie — hat auf Aufforderung des Wahlprüfungs-
ausschusses zu dem Vorbringen des Einspruchs-
führers wie folgt Stellung genommen:
Der Einspruchsführer habe sich in der Zeit vom
30. September bis zum 7. November 1980 in der
Landesklinik zur stationären Behandlung befun-
den. Zuvor sei er bereits vom 13. August bis zum
20. August 1980 und vom 22. August bis zum
14. September 1980 ebenfalls dort in stationärer
Behandlung gewesen. Die Behandlung sei auf-
grund eines Unterbringungsbeschlusses des
Amtsgerichts Köln vom 8, August 1980 sowie der
Folgebeschlüsse vom 6. Oktober 1980 und des
Aufhebungsbeschlusses vom 7. November 1980
erfolgt.
Vor der Durchführung der Bundestagswahl sei in
Abstimmung mit dem Wahlamt das Schreiben
der Stadt Köln vom August 1980 betreffend Wahl-
scheine für die Bundestagswahl vom 5. Oktober
1980 an den Schwarzen Brettern aller Stationen
angebracht worden. Entsprechende Wahlscheine
für die Anforderung von Briefwahlunterlagen
seien im Aufnahme-ZPflegekostenbüro auf
Wunsch ausgehändigt worden. Keiner der Pa-
tienten sei von den Mitarbeitern der Klinik an
der Durchführung der Briefwahl gehindert wor-
den. Aufgrund des Krankheitsbildes hätte dem
Einspruchsführer zum damaligen Zeitpunkt
noch kein Ausgang für die Wahl zum Deutschen
Bundestag bewilligt werden können. In dem her-
angezogenen Schreiben der Stadt Köln betref-
fend Wahlscheine werden Erläuterungen für die
Briefwahl bzw. die Stimmabgabe in geschlosse-
nen Anstalten gegeben.
Beigefügt ist der Stellungnahme der Rheini-
schen Landesklinik Köln, ferner Kopie des
11
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Schreibens des Leiters des Wirtschafts- und Ver-
waltungsdienstes an alle Abteilungsärzte mit der
Bitte, das Schreiben der Stadt Köln durch Aus-
hang auf den Stationen bekanntzugeben.
In einer ergänzenden Stellungnahme der Stadt
Köln — Der Oberstadtdirektor — vom 30. J anuar
1981 teilt dieser dem Wahlprüfungsausschuß mit,
der Einspruchsführer habe im Wählerverzeich-
nis des Wahlkreises 62 — Wahlbezirk 793 — ge-
standen und sei deshalb auch wahlberechtigt ge-
wesen. Ferner wird auf das allen Krankenhäu-
sern und Anstalten übermittelte Merkblatt be-
züglich der Durchführung der Bundestagswahl
hingewiesen und abschließend bemerkt, der Ein-
spruchsführer habe mindestens die Möglichkeit
gehabt, per Briefwahl jederzeit zu wählen.
2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündli-
chen Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aus dem Vorbringen des Einspruchsführers kann
entnommen werden, daß er die Meinung vertritt,
durch die Verhängung der Ausgangssperre sei ihm
die Möglichkeit zur Teilnahme an der Bundestags-
wahl genommen worden. Da er aber selber nicht be-
hauptet, ihm sei aufgrund der Einweisung in die
Rheinische Landesklinik Köln auch die Möglichkeit
zur Briefwahl genommen worden, ist eine Verlet-
zung wahlrechtlicher Bestimmungen nicht zu er-
kennen. Im übrigen hat der Einspruchsführer keine
konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, daß ihm
seitens der Anstaltsleitung über den Unterbrin-
gungszweck hinausgehende Beschränkungen aufer-
legt worden wären, die ihm die Ausübung des Brief-
wahlrechts unmöglich gemacht hätten.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
12
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 5
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 12/80 —
des Herrn Günter Ullmann, wohnhaft: Rottweg 28, 6306 Langgöns,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1980 an den Kreis-
wahlausschuß der Kreisverwaltung Gießen hat
der Einspruchsführer mitgeteilt, er fechte die
Wahl zum 9. Deutschen Bundestag am 5. Oktober
1980 in Langgöns an. Da sein Name nicht im
Wählerverzeichnis aufgeführt gewesen sei, habe
man ihm die Teilnahme an der Wahl verwehrt,
obwohl er sich durch seinen Personalausweis
habe legitimieren können.
Der Landrat des Kreises Gießen hat den Ein-
spruch am 9. Oktober 1980 dem Deutschen Bun-
destag zugeleitet. In seiner Stellungnahme führt
der Landrat aus:
„Herr Ullmann konnte nicht zur Wahl zugelassen
werden, da er nicht im Wählerverzeichnis einge-
tragen war. Der Genannte war früher mit zwei-
tem Wohnsitz in der Gemeinde Langgöns gemel-
det. Nach Auskunft des Bürgermeisters hat er
sich noch vor dem Stichtag mit erstem Wohnsitz
in der Gemeinde Langgöns angemeldet. In dem
vom kommunalen Gebietsrechenzentrum Gie-
ßen erstellten Wählerverzeichnis der Gemeinde
Langgöns war der Genannte jedoch nicht enthal-
ten. Aus welchen Gründen seine Eintragung von
Amts wegen nicht erfolgte, konnte bisher nicht
festgestellt werden. Fest steht, daß die Ehefrau
des Genannten rechtzeitig die Wahlbenachrichti-
gung erhalten hat. Auch ist seitens der Gemeinde
die Bekanntmachung über die Auslegung des
Wählerverzeichnisses fristgerecht erfolgt. Herr
Ullmann hätte also die Möglichkeit gehabt, Ein-
blick in das Wählerverzeichnis zu nehmen und
auch seine Eintragung zu betreiben. Nach Aus-
kunft des Bürgermeisters wäre die Gemeinde
auch bereit gewesen, dem Genannten gemäß
§§ 25 Abs. 2 und 28 Abs. 3 der Bundeswahlord-
nung (BWO) noch am Wahltag bis 12.00 Uhr ei-
nen Wahlschein auszustellen. Herr Ullmann hat
jedoch erst kurz vor Schluß der Wahlhandlung
(17.45 Uhr) von seinem Wahlrecht Gebrauch ma-
chen wollen, mußte jedoch aus den vorgenannten
Gründen zurückgewiesen werden.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 16 Abs. 1 BWO sind von Amts wegen in das
Wählerverzeichnis alle Wahlberechtigten einzutra-
gen, die am 35. Tag vor der Wahl (Stichtag) bei der
Meldebehörde gemeldet sind. Da, wie aus der Stel-
lungnahme des Landrats des Kreises Gießen zu ent-
nehmen ist, der Einspruchsführer sich noch vor die-
sem Stichtag mit erstem Wohnsitz in der Gemeinde
Langgöns angemeldet hat, hätte er von Amts wegen
in das Wählerverzeichnis dieser Gemeinde aufge-
nommen werden müssen.
Zwar liegt insofern ein Wahlfehler vor, doch muß
sich der Einspruchsführer andererseits entgegen-
halten lassen, daß er von der allen Wahlberechtigten
eingeräumten Möglichkeit zur Einsichtnahme in
das Wählerverzeichnis keinen Gebrauch gemacht
hat und deshalb nicht Einspruch gegen das unrich-
tige bzw. unvollständige Wählerverzeichnis einlegen
konnte.
Da schließlich davon auszugehen ist, daß die mögli-
che Teilnahme des Einspruchsführers an der Bun-
destagswahl angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung im
9. Deutschen Bundestag haben konnte, war der Ein-
spruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offen-
sichtlich unbegründet zurückzuweisen.
13
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
14
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 6
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 14/80 — der Eheleute Isolde
und Walter Illner, wohnhaft: Fritz>Frey-Straße 9, 6900 Heidelberg,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1980 an den Bun-
desminister des Innern beschweren sich die Ein-
spruchsführer über ihre Eintragung in das Wäh-
lerverzeichnis der Stadt Heidelberg, in dem sie
die Auffassung vertreten, sie müßten im Wähler-
verzeichnis der Stadt Mannheim aufgeführt wer-
den.
Am Schluß dieses Schreibens heißt es:
„Für den Fall der Nichtdurchsetzbarkeit unseres
Wahlrechtes gemäß Bundeswahlordnung § 15, er-
klären wir hiermit unsere Wahlanfechtung.”
In einem weiteren Schreiben vom 12. Oktober
1980 an den Bundesminister des Innern erklären
die Einspruchsführer ihre Anfechtung der Bun-
destagswahl 1980 „wegen vorsätzlicher und
rechtswidriger Wahlbehinderung.“
Beide Schreiben nebst Anlagen wurden vom
Bundesminister des Innern mit Schreiben vom
14. und 23. Oktober 1980 dem Deutschen Bundes-
tag zugeleitet
Aus den umfangreichen Akten ergibt sich folgen-
der Sachverhalt:
Am 26. April 1979 wurde die frühere Wohnung
der Einspruchsführer in Mannheim auf Veran-
lassung des Ordnungsamtes Mannheim zwangs-
geräumt und den Einspruchsführern gleichzeitig
eine Wohnung in Mannheim, Obere Riedstra-
ße 204, zugewiesen. Diese Wohnung haben die
Einspruchsführer jedoch nicht bezogen. Aus die-
sem Grunde wurden die Einspruchsführer mit
der Familie von Amts wegen nach Unbekannt ab-
gemeldet, so daß für sie in Mannheim kein Mel-
deverhältnis mehr bestand. Dagegen benutzten
die Einspruchsführer eine Wohnung in Heidel-
berg. Am 25. Februar 1980 erfolgte auch eine
Rückmeldung seitens der Stadt Heidelberg, wo-
nach sich die Einspruchsführer mit Wirkung vom
26. Dezember 1979 in Heidelberg mit Haupt-
wohnsitz angemeldet hatten. Dementsprechend
wurden sie auch bei der Stadt Heidelberg in das
Wählerverzeichnis aufgenommen.
Die Einspruchsführer machen geltend, durch die
Zwangsräumung sei ihnen die Ausübung des ak-
tiven Wahlrechts bei der Bundestagswahl vorent-
halten worden, weil sie nicht in Mannheim in das
Wählerverzeichnis eingetragen und entspre-
chende Rechtsmittel zurückgewiesen worden
seien.
In der Entscheidung, mit der die Stadt Heidel-
berg den Antrag der Frau Illner, sie im Wähler-
verzeichnis der Stadt Heidelberg zu streichen,
ablehnte, heißt es:
„Es trifft zu, daß Sie sich in Heidelberg mit Ne-
benwohnung angemeldet haben und dabei be-
stimmten, daß Ihre Wohnung in Mannheim
Hauptwohnung sei. Im Rückmeldeverfahren
wurde uns von der Meldebehörde Mannheim
am 8. März 1980 mitgeteilt, daß Sie für die dor-
tige Wohnung mit Wirkung vom 26. April 1979
von Amts wegen abgemeldet worden sind.
Dementsprechend besteht nur noch in Heidel-
berg ein Meldeverhältnis.
Gemäß § 16, 1 der Bundeswahlordnung sind
von Amts wegen alle Wahlberechtigten in das
Wählerverzeichnis der Gemeinde aufzuneh-
men, in der sie am 35. Tag vor der Wahl, das ist
der 31. August 1980 gewesen, mit Wohnung, bei
mehrfacher Wohnung mit Hauptwohnung, ge-
meldet sind.”
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Be-
schwerde wurde vom Kreiswahlleiter mit Schrei-
ben vom 26. September 1980 als unbegründet zu-
rückgewiesen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
15
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Entscheidungsgründe
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 der Bundeswahlordnung
(BWO) sind von Amts wegen in das Wählerverzeich-
nis alle Wahlberechtigten einzutragen, die am
35. Tag vor der Wahl (Stichtag) bei der Meldebe-
hörde für eine Wohnung gemeldet sind, es sei denn,
daß sie ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen
ihre Hauptwohnung, im Lande Berlin innehaben.
Am gesetzlichen Stichtag hatten die Einspruchsfüh-
rer, das ergibt sich eindeutig aus den zahlreichen
Stellungnahmen der Behörden, ihre Wohnung allein
in Heidelberg, und zwar in der Fritz-Frey-Straße 9.
Zwar geben die Einspruchsführer in ihren Schrei-
ben stets noch als Anschrift Mannheim, Metzer
Straße 39, an; dies ist jedoch die Anschrift der Woh-
nung, die am 26. April 1979 auf Veranlassung des
Ordnungsamtes Mannheim zwangsgeräumt wurde.
Die Stadt Mannheim war, da die Einspruchsführer
eine andere Wohnung in Mannheim nicht bezogen
haben, berechtigt, sie im Wählerverzeichnis zu strei-
chen und die Stadt Heidelberg aufgrund der tatsäch-
lichen Wohnungnahme der Einspruchsführer ver-
pflichtet, sie in das dortige Wählerverzeichnis aufzu-
nehmen.
Da die Einspruchsführer somit an ihrem tatsächli-
chen Wohnort in Heidelberg aufgrund der ordnungs-
gemäßen Eintragung in das dortige Wählerverzeich-
nis wahlberechtigt waren, ist die Begründung ihres
Wahleinspruchs, sie seien willkürlich vom Wahl-
recht ausgeschlossen worden, unzutreffend, da sie
aufgrund jener Eintragung in Heidelberg von ihrem
Wahlrecht hätten Gebrauch machen können.
Da somit eine Verletzung wahlrechtlicher Bestim-
mungen nicht vorliegt, war der Einspruch im Sinne
des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbe-
gründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — - beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
16
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 7
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 17/80 — der Eheleute Dr.
Gottfried Reimann und Frau Erika Reimann, wohnhaft: Drechsler^
weg 14, 4600 Dortmund-Lanstrop,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9, Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1980 an den Bun-
despräsidenten, das zuständigkeitshalber dem
Deutschen Bundestag zugeleitet wurde, haben
die Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
eingelegt
Zur Begründung ihres Einspruchs führen sie aus,
am 15. Juni 1980 hätten sie per Einschreiben
beim Wahlamt der Stadt Dortmund die Unterla-
gen für die Briefwahl zur Bundestagswahl am
5. Oktober 1980 erbeten. Trotz beigelegtem Ant-
wortbrief hätten sie keine Antwort erhalten, bis
sie etwa vier Wochen vor der Bundestagswahl
über ihren Sohn die Wahlbenachrichtigung nach-
geschickt erhalten hätten. Sie hätten daraufhin
sofort erneut die Zusendung der Briefwahlunter-
lagen beantragt, da der einspruchsführende Ehe-
mann krankheitshalber nicht am Wahltag in
Deutschland sein könnte. Bisher hätten sie keine
Antwort erhalten, sie seien deshalb an der Aus-
übung ihres Wahlrechts gehindert worden.
Mit einem weiteren Schreiben vom 6. November
1980 wenden sich die Einspruchsführer erneut
beschwerdeführend an den Bundespräsidenten,
Insbesondere rügen sie, daß sie zwischenzeitlich,
obwohl die Wahl längst vorbei sei, noch von kei-
ner Seite eine Nachricht erhalten hätten. In der
beigefügten „Klage wegen Wahlbehinderung und
Einspruch gegen das Wahlergebnis” führen sie
nach Wiederholung der früheren Vorwürfe aus,
am 4. November 1980, also mehr als vier Wochen
nach der Wahl, seien endlich die Unterlagen aus
Dortmund gekommen. Sie hätten also an der
Bundestagswahl nicht teilnehmen können.
Durch die nachlässige Arbeit der Dortmunder
Stellen oder gar durch willkürliche Behinderung
seien sie daran gehindert worden, an der Bundes-
tagswahl teilzunehmen.
Mit Schreiben vom 21. November 1980 hat die
Stadt Dortmund zu den Vorwürfen der Ein-
spruch sführ er Stellung genommen und einen
EDV-Ausdruck mit allen Angaben zu den Wahl-
scheinen der einspruchsführenden Eheleute bei-
gefügt. In dem Anschreiben heißt es: „Dem Aus-
druck sind neben den Angaben zur Person die
Wahlscheinnummer, das Ausstellungsdatum und
die abweichende Versandanschrift in Südafrika
zu entnehmen. Die Wahlscheine sind somit zwei-
felsfrei ausgestellt und mit den übrigen Brief-
wahlunterlagen zum Versand gebracht worden.
Ob die Wahlbriefe auf dem Postwege verloren ge-
gangen oder versehentlich nicht als Luftpost ab-
geschickt worden sind, ist hier nicht feststell-
bar.”
Mit Schreiben vom 25. November 1980 wurde den
Einspruchsführern die Stellungnahme der Stadt
Dortmund zugeleitet und ihnen anheimgestellt
zu prüfen, ob sie aufgrund dieser Darstellung ih-
ren Einspruch aufrecht erhalten wollten. Zwar
haben die Einspruchsführer auf dieses Schrei-
ben nicht geantwortet, in ihrem Schreiben vom
15. Dezember 1980 an den Bundespräsidenten je-
doch zum Ausdruck gebracht, daß sie ihren Ein-
spruch aufrecht erhalten wollen und haben zur
Begründung ausgeführt, das Wahlamt der Stadt
Dortmund habe tatsächlich die Wahlunterlagen
nicht als Luftpost geschickt, obgleich ein Freium-
schlag für Luftpost beigefügt worden sei. Wie alle
Bürger für Leichtfertigkeit und Böswilligkeit die
Folgen zu tragen hätten, sollten auch die Behör-
den in die Pflicht genommen werden.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
17
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Gemäß § 28 Abs. 1 der Bundeswahlordnung (BWO)
dürfen Wahlscheine nicht vor der Zulassung der
Wahlvorschläge durch den Landes- und den Kreis-
wahlausschuß gemäß §§ 26 und 28 des Bundeswahl-
gesetzes (BWG) erteilt werden.
Auf den zunächst gestellten Antrag vom 15. Juni
1980 konnten deshalb noch keine Brief wahlunterla-
gen übermittelt werden.
Da die Einspruchsführer nach Zusendung der Wahl-
benachrichtigung unmittelbar erneut die Erteilung
von Wahlscheinen unter Zusendung an eine An-
schrift in Südafrika erbeten haben, hätte die Ge-
meindebehörde Wahlschein und Briefwahlunterla-
gen mit der Luftpost den Einspruchsführer zusen-
den müssen, da sich aus ihrem Antrag ergab, daß sie
aus einem außereuropäischen Gebiet wählen woll-
ten (§ 28 Abs. 4 BWO).
Nach der Stellungnahme der Stadt Dortmund vom
21; November 1980 kann zwar davon ausgegangen
werden, daß die Briefwahlunterlagen an die Ein-
spruchsführer zum Versand gebracht worden sind,
andererseits muß aus den Eingaben der Einspruchs-
führer entnommen werden, daß die Versendung of-
fensichtlich nicht per Luftpost erfolgte.
Die Nichtversendung der Briefwahlunterlagen mit
Luftpost entgegen der ausdrücklichen Bestimmung
des § 28 Abs. 4 BWO stellt somit einen Wahlfehler
dar, der dazu führte, daß die Einspruchsführer nicht
per Briefwahl an der Wahl zum 9. Deutschen Bun-
destag teilnehmen konnten. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts vermögen je-
doch nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch zu
begründen, die auf die Mandatsverteilung von Ein-
fluß waren oder hätten sein können. Infolgedessen
scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheb-
lich aus, die das Wahlergebnis nicht berühren. Aber
auch solche Wahlfehler, die das Wahlergebnis be-
treffen, sind dann unerheblich, wenn sie angesichts
des Stimmverhältnisses keinen Einfluß auf die Man-
datsverteilung haben können [seit BVerfGE 4, 370,
(372 f) ständige Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts, der sich der Bundestag angeschlos-
sen hat].
Da angesichts des Stimmverhältnisses der Wahlfeh-
ler keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung im
9. Deutschen Bundestag haben konnte, war der Ein-
spruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offen-
sichtich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfasssungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
18
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 8
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az. WP 18/80 des Herrn Kurt Egerer,
wohnhaft: Mauerfeldstraße 91 d, 6370 Oberursel 5,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom
6. Oktober 1980 an den Bundeswahlleiter, wel-
ches dieser am 14. Oktober 1980 dem Deutschen
Bundestag zuleitete, Einspruch gegen das Ergeb-
nis der Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 ein-
gelegt, da die Wahl nicht geheim gewesen sei.
Als Begründung führt der Einspruchsführer an,
bei der Entgegennahme seiner Wahlunterlagen
habe er einen „Wahlzettel” erhalten, der dadurch
gekennzeichnet gewesen sei, daß er Eintragun-
gen über sein Geschlecht und sein Alter enthal-
ten habe. Dies sei seines Erachtens nicht zuläs-
sig, weil derartig gekennzeichnete „Wahlzettel”
Rückschlüsse auf den Wähler zuließen. Einen
„Wahlzettel” ohne diese Eintragungen habe man
ihm nicht aushändigen können.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß §51 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
sind in den vom Bundeswahlleiter im Einverneh-
men mit den Landeswahlleitern und den Statisti-
schen Landesämtern zu bestimmenden Wahlbezir-
ken auch Statistiken über Geschlechts- und Alters-
gliederung der Wahlberechtigten und Wähler unter
Berücksichtigung der Stimmabgabe für die einzel-
nen Wahlvorschläge zu erstellen. Die Trennung der
Wahl nach Altersgruppen und Geschlechtern ist nur
zulässig, wenn die Stimmabgabe der einzelnen Wäh-
ler dadurch nicht erkennbar wird.
Diese Bestimmung des Bundeswahlgesetzes soll die
Durchführung einer besonderen statistischen Re-
präsentativerhebung in einzelnen Wahlbezirken er-
möglichen. Durch § 51 Abs. 2 Satz 2 BWG ist gesi-
chert, daß Rückschlüsse auf die Stimmabgabe ein-
zelner Wähler nicht gezogen werden können. Gemäß
§ 85 Abs. 2 Satz 3 Bundeswahlordnung (BWO) dür-
fen zum Schutz des Wahlgeheimnisses die Ergeb-
nisse für einzelne Wahlbezirke nicht bekanntge-
macht werden.
Da somit ein Verstoß gegen wahlrechtliche Bestim-
mungen nicht erkennbar ist, der Wahlprüfungsaus-
schuß es jedoch in ständiger Praxis abgelehnt hat,
gesetzliche Bestimmungen auf ihre Verfassungsmä-
ßigkeit zu überprüfen, war der Einspruch gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
19
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 9
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 21/80 — der Aktion Soziale
Gemeinschaft (ASG), vertreten durch den Bundesvorsitzenden Her-
mann Krümpelmann, wohnhaft: Seminarstraße 1, 5450 Neuwied,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 10. Oktober 1980 hat die Ein-
spruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Auf der ersten Sitzung des Bundeswahlausschus-
ses für die Bundestagswahl am 28. August 1980
wurde die Einspruchsführerin gemäß § 18 Abs. 3
Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) als Partei
anerkannt, weil sie die Bedingungen der §§18
Abs. 2 BWG, 33 Abs. 1 der Bundeswahlordnung
(BWO) und § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes erfüll-
te. Die von der Einspruchsführerin eingereichten
Landeslisten wurden jedoch wegen Fehlens der
nach § 27 Abs. 1 BWG erforderlichen Unterstüt-
zungsunterschriften zurückgewiesen. Die gegen
die Zurückweisung eingelegte Beschwerde
wurde in der zweiten Sitzung des Bundeswahl-
ausschusses vom 11. September 1980 zurückge-
wiesen.
Die Einspruchsführerin wendet sich in der Be-
gründung ihres Einspruchs insbesondere gegen
die auf Seite 6 der Niederschrift aufgeführten
Gründe zur Zurückweisung dieser Beschwerde.
Dort heißt es:
„Zur Verwendung amtlicher Formblätter für
Unterstützungsunterschriften hat das Bundes-
verfassungsgericht (BVerfGE 3, 32, 33) ent-
schieden, daß darin keine durch das Bundes-
wahlgesetz nicht gedeckte Erschwerung der
Wahlbewerbung liege. Ob die dabei verwende-
ten Formblätter geeignet seien, den beabsich-
tigten Zweck zu erreichen, habe der Gesetzge-
ber nach seinem Ermessen zu entscheiden und
unterliege nicht der Nachprüfung durch das
Bundesverfassungsgericht.
Die Verwendung eines mit einer Strafandro-
hung versehenen Formblattes für die Unter-
stützungsunterschriften hat der Wahlprü-
fungsausschuß des Deutschen Bundestages als
zulässig angesehen (Beschlüsse vom 13. Fe-
bruar 1980, Drucksache 8/3579 Anlagen 11 und
14).“
Gegen die in diesem Absatz gegebene Begrün-
dung des Bundeswahlausschusses richtet sich in
erster Linie die Begründung der Einspruchsfüh-
rerin. Im einzelnen wird ausgeführt, wenn gesagt
werde, daß das Bundesverfassungsgericht es
dem Gesetzgeber, also der Legislative, überlasse,
wie sie das Unterstützungs-Unterschriftenfor-
mular gestalte, müsse doch der Vorschlag für die
Umgestaltung der schon über 20 Jahre verwen-
deten Listen in Einzelformulare sowohl im Bun-
destag, wie auch im Bundesrat gelesen und durch
Abstimmung beschlossen werden. Das sei aber
bis heute nicht der Fall gewesen. Der Beschluß
des Wahlprüfungsausschusses vom 13. Februar
1980 reiche nicht aus, den obigen Beschluß zu er-
setzen. Folglich hätten die Einzelformulare zur
Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 nicht ver-
wendet werden können, weshalb es bei den Un-
terschriften-Listen hätte bleiben müssen.
Etwa Mitte Juni 1980 habe die ASG mit der
Sammlung von Unterschriften begonnen, sie
habe jedoch schnell erkennen müssen, daß die
„neuen” Formulare bei der Bevölkerung, bei den
Wählern, auf Widerstand stießen und daß die Zeit
bis Ende August zu kurz sei, die vorgeschriebene
Zahl von Unterschriften zu erbringen. Aus die-
sem Grunde habe sich die Einspruchsführerin
bereits am 17. Juli 1980 an den Bundeskanzler ge-
wandt; das Schreiben sei an den Bundesminister
des Innern weitefgeleitet worden. Entscheidend
sei jedoch, daß Sachbearbeiter als Verwaltungs-
beamte keine Gesetzgeber seien, auch nicht der
Wahlprüfungsausschuß des Bundestages, son-
dern einzig und allein das Parlament als Legisla-
tive, wie das Bundesverfassungsgericht festge-
stellt habe. Der Gesetzgeber sei aber nicht tätig
geworden. Damit sei die Unterstüzungs-Unter-
schriftenaktion auf Einzelformularen ungültig.
Die Einspruchsführerin habe zu Recht verlangt,
daß sie auch ohne Unterschrift zur Wahl zugelas-
21
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
sen würde. Die Verweigerung dieses Rechts ma-
che die ganze Bundestagswahl vom 5. Oktober
1980 ungültig und sei aus diesem Grunde unter
Teilnahme der Einspruchsführerin zu wiederho-
len.
Der zweite stellvertretende Bundesvorsitzende
der ASG, Erwin Krümpelmann, hat mit Schrei-
ben vom 12. November 1980 unter Bezugnahme
auf den Einspruch des Bundesvorsitzenden,
Herrn Hermann Krümpelmann, mit allgemeinen
Ausführungen zur Frage der Verfassungsmäßig-
keit, insbesondere bezüglich des Grundsatzes der
Gleichbehandlung, versucht, den Einspruch wei-
ter zu begründen. Unter Hinweis darauf, daß na-
tionalen Minderheiten das Erfordernis zusätzli-
cher Unterschriften erspart werde, wird argu-
mentiert, seit geraumer Zeit würden den Sozial-
rentnern und sicherlich einer beachtlichen Zahl
von beitragszahlenden Arbeitnehmern wichtige
Grundrechte verweigert, weshalb sie sich aus der
großen Gemeinschaft der gleichberechtigten
Bürger ausgestoßen fühlten. Aus diesem Grunde
erkläre sich die ASG zu „Angehörigen einer na-
tionalen Minderheit” und nehme deshalb in An-
spruch:
Freistellung von der Unterschriften-Beibrin-
gung (§27 BWG),
Freistellung von der 5 v. H.-Klausel (§ 6 Abs. 4
BWG),
Freistellung von dem Erfordernis eines Min-
deststimmenanteils für die Erstattung von
Wahlkampfkosten (§ 22 PartG).
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 34 Abs. 4 bzw. § 39 Abs. 3 und 4 BWO sind
die gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 27 Abs. 1 BWG er-
forderlichen Unterschriften auf amtlichen Form-
blättern zu leisten, die auf Anforderung vom Kreis-
wahlleiter kostenfrei geliefert werden (§ 34 Abs. 4
Nr. 1 BWO). Im Kopf dieser Formblätter wird darauf
hingewiesen, daß jeder Wahlberechtigte mit seiner
Unterschrift nur einen Kreiswahlvorschlag bzw. nur
eine Landesliste unterstützen darf und sich nach
§ 108 d i. V. mit § 107 a StGB strafbar macht, wer
mehrere Kreiswahlvorschläge bzw. mehrere Lan-
deslisten unterzeichnet. Die Festlegung einer be-
stimmten Zahl von Unterschriften von Wahlberech-
tigten soll dazu dienen, daß sich nur solche „neue“
Parteien an der Wahl beteiligen, die in der Öffent-
lichkeit bereits eine gewisse Anhängerschaft unter
den Wählern gefunden haben. Darüber hinaus hat
diese vom Bundesverfassungsgericht für verfas-
sungsgemäß erklärte Regelung [BVerfGE 3, 19 (31)]
den Zweck, schon bei der Wahl einer Zersplitterung
der Stimmen und der Bildung von Zwergparteien
vorzubeugen [BVerfGE 41, 399, (421)].
Diese sich aus den gesetzlichen Bestimmungen er-
gebenen Ziele können nur dann hinreichende Aus-
sicht auf Erfolg haben, wenn sie auch strafbewehrt
sind.
Wenn die Einspruchsführerin unter Berufung auf
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
die Auffassung vertritt, Bundestag und Bundesrat
hätten über die Umgestaltung der Unterstützungs-
formulare befinden müssen, so verkennt sie, daß das
Bundesverfassungsgericht mit seiner Formulierung
„ob sie (gemeint sind die Regelungen bezüglich der
Unterschriften für Wahlvorschläge) geeignet sind,
den beabsichtigten Zweck zu erreichen, hat der Ge-
setzgeber nach seinem Ermessen zu entscheiden”
[BVerfGE 3, 19, (33)] lediglich auf die Erreichung des
beabsichtigten Zwecks abstellt, das Gericht jedoch
nicht entschieden hat, daß es zur Regelung dieser
Frage eines formellen Gesetzes bedürfe. Eine Rege-
lung durch eine Verordnung, d. h. durch ein Gesetz
im materiellen Sinne, ist daher zulässig.
Da somit die Zurückweisung der Landeslisten der
Einspruchsführerin durch den Bundeswahlaus-
schuß nicht zu beanstanden ist, war der Einspruch
im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
22
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 10
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 24/80 — des Unterbezirks
St Wendel der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Landes-
verband Saar, vertreten durch den stellvertretenden Unterbezirks-
vorsitzenden Herrn Armin Lang, wohnhaft: Hospitalstraße 41a,
6690 St. Wendel,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1980 hat der
Landesverband Saar der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands, Unterbezirk St. Wendel,
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
9. Deutschen Bundestag im Wahlkreis 247 St.
Wendel/Saar eingelegt.
Zur Begründung wird ausgeführt, ein richtiges
Ergebnis sei in diesem Wahlkreis bisher nicht
festgestellt worden. Im Gegensatz zur Mehrheits-
meinung des Kreiswahlausschusses habe der
Kreiswahlleiter auf der Basis eines Minderhei-
tenvotums ein „amtliches Endergebnis’’ verkün-
det. Die Widersprüchlichkeit der Situation werde
im Protokoll des Kreiswahlausschusses deut-
lich.
Es wird beantragt, ein Wahlprüf ungs verfahren
im Wahlkreis 247 einzuleiten und anzuordnen,
daß zumindestens in den Wahlbezirken mit er-
heblichen Unregelmäßigkeiten eine Neuwahl
durchgeführt werde.
Zur Information wird dem Einspruch noch beige-
fügt:
a) das Protokoll des Kreiswahlausschusses,
b) eine Dokumentation weiterer Unregelmäßig-
keiten im Wahlkreis 247,
c) eine Zusammenstellung von Aussagen aus
dem Kreiswahlausschuß und die Begründung
der Ablehnung der endgültigen Festlegung
des Wahlergebnisses,
d) der diesbezügliche Beschluß des SPD-Unter-
bezirksvorstandes St. Wendel.
In den beigefügten Anlagen wird auf einige Män-
gel und Unkorrektheiten bei der Wahl mit Wahl-
maschinen hingewiesen, die zu Differenzen hin-
sichtlich der abgegebenen Stimmen führten.
Mit Schreiben vom 26. November 1980 hat der
Landeswahlleiter für das Saarland zu der Ein-
spruchsbegründung Stellung genommen und
u. a. ausgeführt, die Behauptung des Einspruchs-
führers, wonach ein richtiges Endergebnis im
Wahlkreis St. Wendel bisher nicht festgestellt
worden sei, sei unzutreffend. Wie sich aus der
Niederschrift des Kreiswahlausschusses ergebe,
habe dieser nach Einsichtnahme in die Nieder-
schriften der Wahlvorstände gemäß § 41 Abs. 1
des Bundeswahlgesetzes (BWG) sowohl ein end-
gültiges zahlenmäßiges Gesamtabstimmungser-
gebnis als auch ein personelles endgültiges Wahl-
ergebnis im Wahlkreis ermittelt und festgestellt.
Anstände, die sich bei der Überprüfung der Nie-
derschriften der Wahlvorstände und der in der
Feststellungsverhandlung vorliegenden Stimm-
zettel ergeben hätten, seien soweit wie möglich
aufgeklärt und berichtigt worden. Nicht aufzu-
klärende Differenzen hinsichtlich des Zweitstim-
menergebnisses seien in der Niederschrift des
Kreiswahlausschusses vermerkt und in der Fest-
stellungsentscheidung des Landeswahlausschus-
ses hinsichtlich des endgültigen Ergebnisses der
Lande slistenwahl entsprechend berücksichtigt
worden.
Der nach der mündlichen Bekanntgabe des
Wahlergebnisses im Wahlkreis durch den Kreis-
wahlleiter gestellte Antrag, das ermittelte Ergeb-
nis als nicht richtig festzustellen, sei seines Er-
achtens von dem Vorsitzenden im Hinblick auf
die sich aus § 41 Abs. 1 BWG ergebende Feststel-
lungsverpflichtung des Kreiswahlausschusses zu
Recht nicht zur Abstimmung zugelassen worden.
Mit der mündlichen Bekanntgabe sei das Wahl-
ergebnis im Wahlkreis formell existent mit der
Folge, daß alle Beteiligten an die Feststellungen,
soweit sie das Erststimmenergebnis betroffen
hätten, gebunden gewesen seien.
Eine erneute Überprüfung sei unter den gegebe-
nen Voraussetzungen nicht mehr möglich.
23
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Im übrigen wird mitgeteilt, daß mit Ausnahme
der in der Niederschrift aufgeführten Anstände,
keine Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang
mit der Durchführung der Wahl im Wahl-
kreis 247 St. Wendel bekanntgeworden seien. Der
vom SPD-Unterbezirk St Wendel erhobene Ein-
spruch sei daher s. E. als unbegründet zurückzu-
weisen.
Aus der Niederschrift über die Sitzung des Lan-
deswahlausschusses zur Ermittlung und Fest-
stellung des Wahlergebnisses im Saarland ergibt
sich, daß der Landeswahlausschuß für den Wahl-
kreis 247 St Wendel Unstimmigkeit zwischen der
Zahl der Wähler und der Zahl der gültigen und
ungültigen Zweitstimmen festgestellt hatte.
Dazu wurde vom Landeswahlausschuß folgende
Entscheidung getroffen;
„Die vom KWA (Kreiswahlausschuß) festge-
stellten Zahlen sind zu übernehmen. Eine rech-
nerische Berichtigung ist nicht zulässig.“
Aus der Niederschrift über die Sitzung des Kreis-
wahlausschusses zur Ermittlung und Feststel-
lung des Wahlergebnisses im Wahlkreis 247 —
St Wendel — sind die einzelnen Beanstandun-
gen bzw. Bedenken hinsichtlich der Durchfüh-
rung der Wahl im Wahlkreis 247 aufgeführt
Nach den Feststellungen des Kreiswahlleiters er-
gab sich danach, daß in einer Vielzahl von Fällen
die vorgeschriebene Übergabe der Wahlunterla-
gen nicht ordnungsgemäß bescheinigt wurde.
Der Kreiswahlleiter teilte ferner mit, daß in der
Niederschrift der Wahlvorstände vorgesehene
Zwischensummen vielfach falsch eingetragen
worden seien und die der Niederschriften beige-
fügten Stimmzettel nur in den seltensten Fällen
entsprechend den Vorschriften des § 69 Abs. 6 der
Bundeswahlordnung (BWO) gekennzeichnet
worden seien.
Aus dem Vortrag des Kreiswahlleiter ergibt sich
dann weiter folgendes:
Die Wahlniederschriften der Bezirke mit Stim-
menzählgeräten hätten Differenzen aufgezeigt,
die sich nicht hätten klären lassen. Es habe in
keinem Fall zur Veränderung der in den Zähl-
werken ausgewiesenen gültigen Stimmen im
Vergleich zu den auf die Parteien entfallenden
Stimmen geführt. Dies gelte sowohl für die Erst-
ais auch für die Zweitstimmen. Unstimmigkeiten
dieser Art seien festgestellt worden bei der
Kreisstadt St Wendel und der Gemeinde Schiff-
weiler. Die Zahl der ungültigen Stimmen habe in
der Gemeinde Schiffweiler aus der Niederschrift
nicht exakt hergeleitet werden können. Dies
habe zu Verschiebungen zwischen der Zahl der
Wähler einerseits und der Stimmenzahl der gülti-
gen und ungültigen andererseits im Vergleich
mit der Zahl der Wähler der Erst- und Zweitstim-
men geführt. Im einzelnen handele es sich um
folgende Unstimmigkeiten:
a) In der Kreisstadt St. Wendel liege die Zahl der
eingetragenen Wähler um zehn niedriger als
die Zahl der abgegebenen Stimmen. Bei den
abgegebenen Zweitstimmen liege Identität
zwischen Vermerken im Wählerverzeichnis
und abgegebenen Stimmen vor. Gründe für
diese Unstimmigkeit seien in der Wahlnieder-
schrift nicht angegeben.
b) In der Gemeinde Schiffweiler liege die Zahl
der in der Niederschrift eingetragenen Wäh-
ler um fünf niedriger als die Zahl der abgege-
benen Erststimmen.
Die Zahl der in der Niederschrift eingetrage-
nen Wähler liege jedoch um 29 höher als die
Zahl der abgegebenen Zweitstimmen.
Über die vorliegenden Unstimmigkeiten ent-
halte die Wahlniederschrift keinen Vermerk.
c) Im Wahlbezirk Stennweiler liege die Zahl der
in der Niederschrift eingetragenen Wähler
um 36 niedriger als die Zahl der abgegebenen
Erststimmen.
Da in der Spalte E 2 über das Führen einer Zähl-
liste keine Angaben gemacht worden seien,
könnten die 39 ungültigen Zweitstimmen nicht
aufgeklärt werden. Es sei daher nur von drei un-
gültigen Zweitstimmen auszugehen. Insoweit
könnten die von der Gemeindebehörde gemach-
ten Angaben über die ungültigen Stimmen durch
den Kreiswahlleiter nicht bestätigt werden.
Da im Kreiswahlausschuß Einigkeit über die
Ausführungen des Kreiswahlleiters nicht erzielt
werden konnte, wurde die Sitzung auf den 13. Ok-
tober 1980 vertagt. In der Niederschrift wird fest-
gehalten, daß im Verlauf des vorangegangenen
Freitag die noch fehlenden Stimmzettel von den
Gemeinden angefordert worden seien. Im An-
schluß an diese Feststellungen habe der Kreis-
wahlausschuß in alle Niderschriften, mit Aus-
nahme der Wahlbezirke mit Stimmzählgeräten
und der Stadt Ottweiler, Einsicht genommen. Es
wird dann im einzelnen ausgeführt, welche Bean-
standungen der Kreiswahlausschuß festgestellt
hat. Dabei handelt es sich im wesentlichen um
falsche Eintragungen, die zu einer Diskrepanz
zwischen den Summen der vorhandenen Stimm-
zettel und der Zahl der angegebenen Wähler
führten.
Mit Schreiben vom 25. März 1981 hat der Kreis-
wahlleiter des Wahlkreises 247 ergänzend zu den
Ergebnissen in diesem Wahlkreis Stellung ge-
nommen und die gemäß § 72 Abs. 3, § 75 Abs. 6,
§ 76 Abs. 1 und 6, § 77 Abs. 1, § 78 Abs. 4 BWO nach
dem Muster der Anlage 29 der BWO zu erstel-
lende Zusammenstellung der Wahlergebnisse in
Fotokopie übermittelt. Auf Seite 19 der Zusam-
menstellung ist das Endergebnis des Wahlkrei-
ses 247 ersichtlich. Aus dieser Darstellung ergibt
sich, daß die Zahl der Wähler (gültige und ungül-
tige Stimmen) zwischen den Erst- und Zweitstim-
men um 80 differiert. Von diesen 80 Stimmen ent-
fallen 51 Stimmen auf die Erststimmen und die
restlichen 29 Stimmen auf die Zweitstimmen.
Diese Differenzen, so wird in der Stellungnahme
des Kreiswahlleiters ausgeführt, seien in Wahl-
bezirken aufgetreten, in denen Stimmenzählge-
räte eingesetzt gewesen seien. In den Wahlbezir-
ken Niederlinxweiler gehe es um 10 Stimmen, in
24
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Heiligenwald um 5 und in Stennweiler um
36 Stimmen, insgesamt somit um 51 mehr abge-
gebene Erststimmen als nach den Eintragungen
in der Wähler niederschrift aufgrund der ange-
brachten Stimmvermerke in den Wählerver-
zeichnissen hätten abgegeben werden dürfen.
In den Wahlbezirken Niederlinxweiler und
Stennweiler stimme die Zahl der Wähler bei den
Zweitstimmen nach den Zählgeräten der Wahl-
maschinen mit den in der Niederschrift angege-
benen Stimmvermerken laut Wählerverzeichnis
überein.
Lediglich im Wahlbezirk Schiffsweiler liege
keine Übereinstimmung vor zwischen den der
Niederschrift zu entnehmenden Angaben über
die abgegebenen Stimmvermerke im Wählerver-
zeichnis und der nach dem Wahlgerät erfaßten
Zahl der abgegebenen Zweitstimmen, da der Ver-
gleich dieser Zahlen eine Differenz von 29 Zweit-
stimmen ausweise.
Die insgesamt 51 zu viel abgegebenen Erststim-
men und die 29 zu wenig abgegebenen Zweitstim-
men, bezogen auf die in den Niederschriften an-
gegebenen Eintragungen über die Stimmver-
merke im Wählerverzeichnis, ergeben die
Zahl 80.
Da die entsprechenden Niederschriften über
diese Differenzen keinen Hinweis enthielten,
hätte nicht festgestellt werden können, ob es sich
um menschliches Versagen oder um technische
Pannen bei der Bedienung der Wahlmaschinen
gehandelt habe. Die Aufteilung der gültigen
Stimmen auf die einzelnen Parteien sei sowohl
bei den Erst- als auch den Zweitstimmen jeweils
identisch mit der Gesamtzahl der in den Wahl-
maschinen nachgewiesenen gültigen und den in
den Niederschriften festgehaltenen Stimmen.
Aufgrund der amtlichen Mitteilung des Bundes-
wahlleiters entfielen im Wahlkreis St. Wendel
von den abgegebenen 153416 gültigen Erststim-
men 72 053 auf den Bewerber der SPD, 72 384 auf
den Bewerber der CDU, 5904 auf den Bewerber
der FDP; 687 Stimmen entfielen auf sonstige Be-
werber, ungültig waren 2 388 Stimmen.
Von den 151 323 abgegebenen gültigen Zweitstim-
men entfielen auf die SPD 70014, auf die CDU
70293, auf die FDP 8818, auf übrige 2198 Stim-
m_en, während 2 013 Stimmen als ungültig ausge-
wiesen werden.
In der vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden
herausgegebenen Übersicht über die endgültigen
Ergebnisse nach Wahlkreisen wird bei den ange-
gebenen ungültigen und gültigen Zweitstimmen
in einer Fußnote vermerkt;
„Summe der ungültigen und gültigen Zweit-
stimmen liegt wegen nicht aufklärbarer Un-
stimmigkeiten bei eingesetzten Stimmenzähl-
geräten um 80 niedriger als die Zahl der Wäh-
ler insgesamt.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zu Wahleinsprüchen gegen die Gültigkeit
von Bundestagswahlen vermögen nur solche Wahl-
fehler einen Wahleinspruch zu begründen, die auf
die Mandatsverteilung von Einfluß waren oder hät-
ten sein können. Infolgedessen scheiden alle Ver-
stöße von vornherein als unerheblich aus, die das
Wahlergebnis nicht berühren. Aber auch solche
Wahlfehler, die das Wahlergebnis betreffen, sind
dann unerheblich, wenn sie angesichts des Stimm-
verhältnisses keinen Einfluß auf die Mandatsvertei-
lung haben können [seit BVerfGE 4, 370 (372 f) stän-
dige Rechtsprechung, der sich der Bundestag in
ständiger Praxis angeschlossen hat].
Bezüglich der Erststimmen konnten die nichtauf-
klärbaren Unstimmigkeiten keinen Einfluß auf die
Wahl des Direktbewerbers haben, da der Bewerber
der CDU 331 Stimmen mehr erhielt als der Bewer-
ber der SPD, Dies gilt um so mehr aufgrund der
Feststellung des Kreiswahlleiters, die Aufteilung
der gültigen Stimmen auf die einzelnen Parteien sei
sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen
jeweils identisch mit der Gesamtzahl der in den
Wahlmaschinen nachgewiesenen gültigen und in
den Niederschriften festgehaltenen Stimmen, und
daß es sich bei den nicht aufklärbaren Differenzen
zwischen der Zahl der Wähler und den abgegebenen
Stimmen bei den Erststimmen nur um 51 Stimmen
handelt.
Aber auch die Unstimmigkeiten bei den Zweistim-
men haben angesichts des Stimmenverhältnisses
keinen Einfluß auf die Mandatsverteilung. Nach den
Berechnungen des Bundeswahlleiters hätte durch
Los entschieden werden müssen, ob ein Sitz der
FDP oder der CDU zugefallen wäre, wenn die FDP,
bei Status quo im übrigen, 131 Stimmen mehr, oder
die CDU, bei Status quo im übrigen, 428 Stimmen
weniger erhalten hätte. Da nur 29 Zweitstimmen
nicht auf klärbar waren, muß festgestellt werden,
daß diese aufgrund der Berechnungen des Bundes-
wahlleiters keinen Einfluß auf die Mandatsvertei-
lung im 9. Deutschen Bundestag haben konnten.
Dies gilt erst recht bei einem Vergleich der erforder-
lichen Stimmverschiebung um ein Mandat von der
CDU zur SPD. Danach hätte nach den Berechnun-
gen des Bundeswahlleiters die SPD 13 147 Stimmen
mehr erhalten müssen und die CDU 10495 weni-
ger.
Obwohl der festzustellende Wahlmangel keinen Ein-
fluß auf das Wahlergebnis insgesamt gehabt hat,
hält der Wahlprüfungsausschuß es für erforderlich,
darauf hinzuweisen, daß auch die Landeswahlleiter
im Rahmen der Vorbereitung der Wahl die Wahlvor-
steher auf die Beachtung der gesetzlichen wahl-
25
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
rechtlichen Bestimmungen hinweisen, damit derar-
tige Fehler für die Zukunft weitgehend vermieden
werden.
Aus den dargelegten Gründen war jedoch der Ein-
spruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offen-
sichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
26
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 11
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 25/80 — der Frau
Irma Eberhard, wohnhaft: Liegnitzer Straße 35, 6900 Heidelberg,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 hat die Ein-
spruchsführerin die Bundestagswahl vom 5. Okto-
ber 1980 „wegen wissentlicher und vorsätzlicher
Falschbeurkundung des Wahlregisters hinsichtlich
der durch diese wissentliche und vorsätzliche Ver-
brechensbegehung unterbliebenen Eintragung mei-
ner Person im Wahlregister und damit der durch
diese wissentliche und vorsätzliche Verbrechenslei-
stung bewirkten Nichtzulassung meiner Person zu
dieser Bundestagswahl“ angefochten.
Die Stadt Heidelberg — Kreiswahlleiter — hat mit
Schreiben vom 21. Oktober 1980 den Einspruch dem
Deutschen Bundestag zugeleitet. Diesem Schreiben
ist in Kopie eine Mitteilung des Amtsgerichts Hei-
delberg vom 30. September 1976 — Az. 41 VII E
769/72 — an die Stadtverwaltung Heidelberg beige-
fügt. Danach ist Frau Irma Eberhard, Heidelberg,
Liegnitzer Str. 35, durch Beschluß des Landgerichts
Heidelberg vom 13. April 1976 — 4 T 10/73 — wegen
Geistesschwäche rechtswirksam entmündigt wor-
den.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist jedoch unzuläs-
sig.
Nach § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) ist
vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer entmündigt ist
oder wegen geistigen Gebrechens unter Pflegschaft
steht, sofern er nicht durch eine Bescheinigung des
Vormundschaftsgerichts nachweist, daß die Pfleg-
schaft auf Grund seiner Einwilligung angeordnet ist.
Die Einspruchsführerin ist durch Beschluß des
Landgerichts Heidelberg vom 13. April 1976 rechts-
wirksam entmündigt worden und somit nicht wahl-
berechtigt.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes können
nur Wahlberechtigte wirksam Einspruch gegen die
Gültigkeit einer Bundestagswahl einlegen. Da die
Einspruchsführerin gern. § 13 Nr. 2 BWG vom Wahl-
recht ausgeschlossen ist, konnte ihr Schreiben vom
7. Oktober 1980 nicht als Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag gewertet
werden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußffassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
27
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 12
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 27/80 der Frau
Klothilde Tiberia, wohnhaft: Fasanenweg 67, 6620 Völklingen,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1980 an den Ober-
bürgermeister der Mittelstadt Völklingen hat die
Einspruchsführerin mitgeteilt, als sie in dem für
sie zuständigen Wahllokal — Bezirk 29 — ihre
Stimme habe abgeben wollen, sei ihr von einem
der dort zuständigen Herren erklärt worden, ihre
„Stimme sei ungültig, weil bereits eine Briefwahl
vorläge“. Da sie aber keine Briefwahl vorgenom-
men und der betreffende Herr ihren Wahlum-
schlag vernichtet habe und sie somit an der Aus-
übung ihres Wahlrechts gehindert worden sei,
fechte sie die Wahl an.
Der Oberbürgermeister der Mittelstadt Völklin-
gen hat den Einspruch mit Schreiben vom 15. Ok-
tober 1980 über den Kreiswahlleiter des Wahl-
kreises 245 — Saarbrücken II — dem Landes-
wahlleiter für das Saarland zugeleitet und dazu
berichtet, der Wahlvorsteher des zuständigen
Wahlbezirkes habe auf Befragen mitgeteilt, Frau
Tiberia sei zur Stimmabgabe nicht zugelassen
worden, weil hinter ihrem Namenseintrag ein
Briefwahl-Vermerk angebracht gewesen sei.
Eine Klärung mit dem Wahlbüro, ob tatsächlich
Briefwahlunterlagen ausgestellt worden seien,
habe nicht sofort vorgenommen werden können,
weil der Wahlvorstand zu diesem Zeitpunkt nur
mit drei Personen besetzt gewesen sei und sich
das Telefon für Rückfragen in einem anderen
Raum befunden habe. Frau Tiberia sei auf die ge-
setzliche Vorschrift hingewiesen worden, wo-
nach der Wahlvorstand während der Wahlhand-
lung mit mindestens drei Personen besetzt sein
müsse und aus diesem Grunde eine sofortige
Klärung nicht vorgenommen werden könne. Sie
sei daraufhin vom Wahlvorsteher gegen
15.00 Uhr gebeten worden, sich wegen des fragli-
chen Briefwahl-Vermerkes direkt an das Wahl-
büro der Stadt Völklingen zu wenden, was sie je-
doch nicht getan habe. Nach erneuter Vorsprache
von Frau Tiberia im Wahlbezirk gegen 19.00 Uhr
habe eine Stimmabgabe aus den gesetzlichen
Gründen (Ende der Wahlhandlung 18.00 Uhr)
nicht mehr erfolgen können.
Eine nachträgliche Überprüfung im Wahlbüro
habe ergeben, daß der Briefwahl-Vermerk eine
Zeile zu hoch angebracht gewesen und Frau Ti-
beria somit irrtümlich als Briefwählerin ausge-
wiesen worden sei.
Der Landeswahlleiter hat mit Schreiben vom
21. Oktober 1980 den Einspruch und die Stellung-
nahme des Oberbürgermeisters der Mittelstadt
Völklingen dem Deutschen Bundestag zugelei-
tet.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. la Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
E nt scheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtich unbegründet.
Gemäß § 30 der Bundeswahlordnung (BWO) wird im
Wählerverzeichnis in der Spalte für den Vermerk
über die Stimmabgabe „Wahlschein“ oder „W“ einge-
tragen, wenn ein Wahlberechtigter einen Wahl-
schein erhalten hat.
Wie aus der Stellungnahme des Oberbürgermeisters
der Mittelstadt Völklingen ersichtlich ist, wurde der
Briefwahlvermerk eine Zeile zu hoch angebracht
und somit irrtümlich die Einspruchsführerin als
Briefwählerin ausgewiesen und damit zu Unrecht
von der Teilnahme an der Bundestagswahl ausge-
schlossen. Aufgrund des „Sperrvermerks“ kann
nämlich der Wahlberechtigte nur noch mit einem
Wahlschein wählen.
Obwohl aufgrund der Stellungnahme des Oberbür-
germeisters der Mittelstadt Völklingen feststeht,
daß die Einspruchsfüherin wegen eines Wahlfehlers
vom Wahlrecht ausgeschlossen wurde, kann ihr Ein-
spruch keinen Erfolg haben; dabei ist es unerheb-
lich, ob der Einspruchsführerin zugemutet werden
konnte, der Anregung des Wahlvorstehers zu folgen
29
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
und sich direkt an das Wahlbüro der Stadt Völklin-
gen zu wenden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zu Wahleinsprüchen gegen die Gültigkeit
von Bundestagswahlen vermögen nämlich nur sol-
che Wahlfehler einen Wahleinspruch zu begründen,
die auf die Mandatsverteilung von Einfluß waren
oder hätten sein können. Infolge dessen scheiden
alle Verstöße von vornherein als unerheblich aus,
die auf das Wahlergebnis keinen Einfluß gehabt ha-
ben. Aber auch solche Wahlfehler, die das Wahler-
gebnis betreffen, sind dann unerheblich, wenn sie
angesichts des Stimmverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben können [seit
BVerfGE 4, 370 (372 f.) ständige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der sich der Bundestag
angeschlossen hat].
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
30
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 13
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 28/80 des Herrn Gerhard
Baeyer, wohnhaft: Hermann-Herder-Straße 8, 7800 Freiburg i.Br.,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1980 an den Deut-
schen Bundestag hat der Einspruchsführer „ge-
gen die Art und Weise der Durchführung der
Wahl zum Deutschen Bundestag 1980 — für den
Raum Konstanz-Baden-Württemberg nach-
drücklich Einspruch“ eingelegt. Er mache als
Strafgefangener, der die materiellen Wahlbe-
rechtigungsvoraussetzungen erfülle, geltend, daß
er während seines Zwangsaufenthaltes (Verle-
gungsschub) in der Vollzugsanstalt Konstanz
keine Gelegenheit erhalten habe, vom Wahlrecht
Gebrauch zu machen.
Da er von seinem Vermieter gegen seinen Willen
in Freiburg i. Br. „von amtswegen nach unbe-
kannt abgemeldet worden“ sei und er jegliche
Fehlerquellen bezüglich örtlicher und sachlicher
Zuständigkeit von vornherein habe ausschalten
wollen, habe er den anstaltsinternen Weg der
Amts- und Rechtshilfe für Wahl-Streitfragen,
nämlich der Abgabe von Rapportscheinen, am
12, September 1980 und am 30. September 1980
gewählt. Der Beamte, der seinen Rapportschein-
antrag entgegengenommen habe, heiße Dudei.
Es sei seines Erachtens in Konstanz möglich ge-
wesen, ihm in der dortigen Anstalt Wahlscheine
auszuhändigen. Weiter W'eist der Einspruchsfüh-
rer in einem Fragesatz darauf hin, es wäre nicht
uninteressant zu prüfen, ob vielleicht deshalb das
Interesse der Anstalt gering gewesen sei, weil er
niemals ein Geheimnis daraus gemacht habe,
daß er SPD-Wähler sei. „Eine gründliche Über-
prüfung skandalöser Vorgänge in Konstanz wäre
empfehlenswert! Viele Gefangene be-
klagten sich dort nämlich bitter über Wahlrechts-
behinderungen!“
Auf Aufforderung des Wahlprüfungsausschusses
hat die Vollzugsanstalt Konstanz mit Schreiben
vom 24. Oktober 1980 zu dem Vorbringen des Ein-
spruchsführers wie folgt Stellung genommen:
„Der Einspruch des Gefangenen Gerhard
Baeyer ist in sich unverständlich.
Herr Gerhard Baeyer, geb. am 27. April 1951,
war am 4. Mai 1980 festgenommen und am
14. Mai 1980 in die Vollzugsanstalt Freiburg
überstellt worden. Wegen eines Hauptverhand-
lungstermines beim Amtsgericht Konstanz am
2. Oktober 1980 wurde er am 29, September
1980 von der Vollzugsanstalt Freiburg in die
Vollzugsanstalt Konstanz überstellt und am
6, Oktober 1980 nach Freiburg zurückgebracht.
Erst seit dem 3. November 1980 befindet er sich
wieder in der Vollzugsanstalt Konstanz als Un-
tersuchungsgefangener. Am 12. September
1980 will er sich bei einem Beamten namens
‘Dudei’ in der Vollzugsanstalt Konstanz gemel-
det haben. Dies kann angesichts der obigen
Daten nicht zutreffen; im übrigen war der So-
zialarbeiter in Konstanz, Herr Duddey, im Sep-
tember nicht in der Vollzugsanstalt Konstanz,
Am 30. September 1980 hat sich Herr Baeyer
tatsächlich bei einem Beamten in der Anstalt
Konstanz mündlich gemeldet wegen der Teil-
nahme an der Wahl, er wollte sich in das Wäh-
lerverzeichnis eintragen lassen. Ein Rückruf
bei dem Sachbearbeiter der Stadtverwaltung
Konstanz ergab jedoch die ohnehin bekannte
Tatsache, daß es hierfür zu dem genannten
Zeitpunkt wesentlich zu spät war.
Es wäre Herrn Baeyer unbenommen geblie-
ben, sich in der für ihn zuständigen Vollzugs-
anstalt, in der er sich bis zum 29. September
1980 auf gehalten hat, rechtzeitig um die Teil-
nahme an der Wahl zu kümmern.“
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
31
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 3 gilt als Wohnung im Sinne
des § 12 Abs. 1 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
für Wahlberechtigte im Vollzug gerichtlich angeord-
neter Freiheitsentziehung die Anstalt oder die ent-
sprechende Einrichtung. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 der
Bundeswahlordnung (BWO) sind von Amts wegen in
das Wählerverzeichnis die Wahlberechtigten einzu-
tragen, die am 35. Tage vor der Wahl (Stichtag) bei
der Meldebehörde für eine Justizvollzugsanstalt
oder eine entsprechende Einrichtung (§ 12 Abs. 4
Nr. 3 BWG) gemeldet sind.
Da der Einspruchsführer erst am 29. September 1980
in die Vollzugsanstalt Konstanz verlegt wurde,
konnte er nicht von Amts wegen gemäß § 16 Abs. 1
BWO in das Wählerverzeichnis der Gemeinde Kon-
stanz eingetragen werden. Als er am 30. September
1980 die Eintragung in das Wählerverzeichnis der
Gemeinde Konstanz erbat, war die Frist des § 18
Abs. 1 Satz 1 BWO bereits verstrichen, da ein An-
trag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis
schriftlich bis spätestens zum 21. Tage vor der Wahl
bei der zuständigen Gemeindebehörde zu stellen ist.
Aus der Stellungnahme der Vollzugsanstalt Kon-
stanz und den dort angegebenen Daten ergibt sich,
daß ein entsprechendes Begehren am 12. September
1980 jedenfalls nicht in der Vollzugsanstalt Kon-
stanz seitens des Einspruchsführers vorgebracht
worden sein kann.
Zwar kann nicht absolut ausgeschlossen werden,
daß in der Vollzugsanstalt Freiburg, wo sich der Ein-
spruchsführer bis zum 29. September 1980 auf hielt,
die an sich notwendige Aufklärung der Insassen der
Vollzugsanstalt bezüglich der Möglichkeiten zur
Teilnahme an der Bundestagswahl unterblieben ist,
der Einspruchsführer selbst hätte jedoch die Ver-
pflichtung gehabt, wenn er an der Wahl teilnehmen
wollte, sich rechtzeitig um die Eintragung in ein
Wählerverzeichnis und ggf. um die Ausstellung ei-
nes Wahlscheines zu bemühen.
Auch wenn unterstellt werden kann, daß ein Wahl-
fehler seitens der Justizvollzugsanstalt Freiburg
nicht völlig ausgeschlossen werden kann, ist der
Einspruch jedoch offensichtlich unbegründet, da er
angesichts des Stimmverhältnisses keinen Einfluß
auf die Mandatsverteilung haben konnte [seit
BVerfGE 4, 370 (372 f.) ständige Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der sich der Deutsche
Bundestag angeschlossen hat].
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
32
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 14
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 38/80 — des Herrn
Niels-Uwe Rieck, wohnhaft: Kiwittsmoor 39, 2000 Hamburg,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er
vor:
a) Der Kreiswahlvorschlag der Partei DIE GRÜ-
NEN im Bundestagswahlkreis Hamburg-
Wandsbek sei rechtswidrig vom Kreiswahl-
ausschuß und vom Landeswahlausschuß
Hamburg abgelehnt worden.
Dieser Verstoß sei bedeutsam, da ein Wahler-
gebnis nicht vorhersehbar sei bei fehlender
Teilnahme eines Bewerbers. Aus diesem
Grunde handele es sich um einen schwerwie-
genden Eingriff in das Wahl verfahren.
Er beantragt daher die Wiederholung der
Wahlen mit Erst- und Zweitstimmen im Wahl-
kreis 16 — Hamburg-Wandsbek,
b) Der Einspruchsführer rügt ferner, die nicht
im Deutschen Bundestag bereits vertretenen
Parteien, die sich zur Wahl gestellt hätten,
seien bei der Berichterstattung in den öffent-
lich-rechtlichen Anstalten wie in den staatli-
chen Zeitungen, insbesondere im „Parla-
ment”, nicht hinreichend berücksichtigt wor-
den; besonders gelte dies für die Zeit der
Wahlvorbereitung. In den Wahlprogrammen
der nationalen Fernsehanstalten seien diese
Parteien kaum berücksichtigt worden. Selbst
in einer Spezialsendung der ARD über die
nicht im Bundestag vertretenen Parteien
seien nicht alle berücksichtigt worden, deren
Landeslisten zugelassen worden seien.
Ferner seien sie bei Wahlhearings und Inter-
views nicht angemessen zugelassen worden.
Ungeachtet fehlender feststehender Maß-
stäbe über die Medienwirkung in der For-
schung stelle dies eine Wahlbehinderung dar,
die auch eine Parlamentssitz-Verschiebung
zu Folge haben könnte.
c) Weiter rügt der Einspruchsführer, in Gefäng-
nissen sei die Wahlfreiheit beeinträchtigt
worden. Dies zeige sich daran, daß die in
Strafhaft einsitzenden Kandidaten durch
mangelnde Urlaubsgewährung u. a. in ihrer
Arbeit behindert worden seien. Auch seien
Wahlveranstaltungen in Gefängnissen, so in
Fuhlsbüttel, verhindert worden.
d) Ferner macht der Einspruchsführer geltend,
die neue Form der Erbringung der Unterstüt-
zungsunterschriften auf Einzelblättern er-
schwere die Möglichkeit der Wahlteilnahme.
So hätten nur sechs Parteien die geforderte
Anzahl von Unterschriften erbringen können.
Darin liege eine schwere Wahlbehinderung,
die die Gültigkeit der Wahl in Frage stelle.
e) Ferner trägt der Einspruchsführer vor, die So-
zialliberale Partei Deutschlands sei als Partei
vom Bundeswahlausschuß nicht zur Bundes-
tagswahl zugelassen worden. Da die Nichtzu-
lassung lediglich aus formellen Gründen er-
folgte, stelle sie einen schwerwiegenden Ein-
griff in die Wahlfreiheit dar.
f) Schließlich bittet der Einspruchsführer um
eine Wiederholung der Wahl im Wahlkreis St.
Wendel aufgrund des knappen strittigen
Wahlergebnisses in diesem Wahlkreis (vgl.
Wahleinspruch WP 24/80, Anlage 10).
In der vom Wahlprüfungsausschuß angeforder-
ten Stellungnahme des Landeswahlleiters der
Freien und Hansestadt Hamburg vom 22. Dezem-
ber 1980 wird zu dem Vorbringen des Einspruchs-
führers Stellung genommen. Soweit der Ein-
spruchsführer die Nichtzulassung des Kreisvor-
schlages DIE GRÜNEN rügt, werden die Nieder-
schriften der Sitzungen des Landeswahlaus-
schusses und des Kreiswahlausschusses mit aus-
führlicher Stellungnahme des Kreiswahlleiters
beigefügt. Im übrigen wird darauf verwiesen, mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
hätten DIE GRÜNEN im Wahlkreis 16 (Ham-
burg-Wandsbek) kein Direktmandat errungen.
Der gewählte Direktbewerber der SPD habe
33
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
95403 Stimmen erhalten. Auf den Bewerber der
CDU seien 57 943 Erststimmen entfallen. DIE
GRÜNEN hätten in diesem Wahlkreis
3 320 Zweitstimmen erhalten.
Soweit der Einspruchsführer das Verhalten der
Justizbehörden der Freien und Hansestadt Ham-
burg rügt, wird auf eine Stellungnahme der Ju-
stizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
vom 11. Dezember 1980 verwiesen. Zum diesbe-
züglichen Vorbringen des Einspruchsführers
wird in der Stellungnahme ausgeführt, der Vor-
wurf, in den Justizvollzugsanstalten sei die Wahl-
freiheit beschränkt, sei unbegründet. Aufgrund
eines bereits im Juni 1947 gefaßten Senatsbe-
schlusses seien Wahl- und Werbeveranstaltun-
gen für Parteien in Justizvollzugsanstalten wie
in sonstigen Diensträumen Hamburgischer Be-
hörden nicht zugelassen worden. Diese seit Jah-
ren geübte Praxis diene dem Zweck, jeden Zwei-
fel an einer unparteiischen Wahrnehmung ihrer
Aufgaben durch die öffentliche Verwaltung aus-
zuschließen. Dieses Verbot richte sich ausnahms-
los gegen alle Parteien. Diese Regelung schränke
jedoch weder die Informationsfreiheit von Straf-
gefangenen ein, noch stelle sie eine Verletzung
des § 73 des Strafvollzugsgesetzes dar. Im übri-
gen sei in den Hamburgischen Justizvollzugsan-
stalten kein Inhaftierter daran gehindert wor-
den, sich in der Anstalt die zur Ausübung seines
Wahlrechts erforderlichen Informationen durch
Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften, durch
Rundfunk- und Fernsehberichte und aus demje-
nigen Informationsmaterial zu verschaffen, das
durch die politischen Parteien in den Anstalten
zur Ausgabe und Weitergabe an die Gefangenen
gelangt sei.
Zum Vorwurf, ein in Strafhaft einsitzender Kan-
didat für den 9. Deutschen Bundestag habe nicht
den erforderlichen Urlaub für die Wahlkampfvor-
bereitungen bekommen, wird ausgeführt, in
Hamburgischen Vollzugsanstalten habe sich nur
ein Kandidat befunden, dabei handele es sich um
einen Kandidaten der Partei DIE GRÜNEN. Die-
ser habe sich bereits mit Schreiben vom 3. Sep-
tember 1980 an den Landeswahlleiter mit einer
Beschwerde wegen Wahlbehinderung gewandt.
Diese Beschwerde habe das Strafvollzugsamt am
2. Oktober 1980 entschieden. Die Rechtsauffas-
sung des Strafvollzugs amte s werde auch vom
Landgericht Hamburg geteilt. Die entsprechen-
den Bescheide und Entscheidungen sind der Stel-
lungnahme als Anlage beigefügt. In dem Be-
schluß des Landgerichts Hamburg wird u. a. aus-
geführt, der Antrag des Antragstellers, im Wege
einer einstweiligen Anordnung eine Beurlau-
bung gemäß Artikel 48 Abs. 1 GG zu erreichen,
sei unbegründet, weil Artikel 48 Abs. 1 GG dem
Antragsteller als Strafgefangenen kein Recht
einräume, eine Beurlaubung aus der Strafhaft zu
erreichen. Artikel 48 Abs. 1 GG gewähre nach all-
gemeiner Auslegung nur dem gegenüber einem
privaten oder Öffentlichen Arbeitgeber Dienst-
verpflichteten, der sich ernsthaft um ein Mandat
im Deutschen Bundestag bewerben wolle, einen
diesem Zweck entsprechenden Urlaubsanspruch.
Die Beurlaubung eines Gefangenen vom Vollzug
der Freiheitsstrafe komme danach nicht in Be-
tracht, weil der Vollzug der Freiheitsstrafe mit ei-
nem Beschäftigungsverhältnis nicht vergleich-
bar sei, ebensowenig wie die jeweiligen Möglich-
keiten der Gewährung von Urlaub.
Weiter wird ausgeführt, im Rahmen einer Frei-
stellung von der Arbeitspflicht könnte Artikel 48
Abs. 1 GG insofern für einen Gefangenen Bedeu-
tung haben, der sich ernsthaft um ein Mandat im
Deutschen Bundestag bewerbe. Diese Frage sei
jedoch hier nicht zu entscheiden, weil der An-
tragsteller mit seinem Antrag ein anderes Ziel
verfolge.
Soweit der Antragsteller mit seinem Hilfsantrag
erreichen wolle, daß der Justizvollzugsanstalt
aufgegeben werde, dem Antragsteller Urlaub
oder eine Strafunterbrechung zu gewähren,
müsse dieser ebenfalls als unbegründet zurück-
gewiesen werden, da die Kammer nicht ihr Er-
messen an die Stelle des der Antragsgegnerin zu-
stehenden Ermessens setzen könne, das jener
gemäß §§ 13, 35 des Strafvollzuggesetzes bei Be-
urlaubung aus der Strafhaft zustehe. Hieran sei
die Kammer gemäß §115 Abs. 5 des Strafvoll-
zugsgesetzes gehindert, weil das Gericht Ermes-
sensentscheidungen nur auf Ermessensfehler
überprüfen könne.
In der Stellungnahme der Justizbehörde der
Freien und Hansestadt Hamburg wird abschlie-
ßend darauf hingewiesen, der Kandidat der
GRÜNEN habe im Rahmen der §§11 und 13 des
Strafvollzugsgesetzes zur Vorbereitung auf die
Bundestagswahl im üblichen Rahmen Vollzugs-
lockerungen erhalten.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Soweit der Einspruchsführer die Ablehnung des
Kreiswahlvorschlages der GRÜNEN durch den
Landeswahlausschuß rügt, kann der Einspruch kei-
nen Erfolg haben. DIE GRÜNEN haben ihre Mitglie-
der schriftlich und interessierte Bürger durch öf-
fentliche Bekanntmachung zu einer Bürgerver-
sammlung eingeladen. In dieser Versammlung
wurde der Wahlkreisbewerber von den Mitgliedern
und den anwesenden Bürgern aufgestellt. Dieses
Verfahren hat zwar in der Satzung der GRÜNEN
eine ausdrückliche „Rechtsgrundlage“, entspricht
aber nicht den wahlrechtlichen Bestimmungen. Die
rechtlichen Erwägungen des Kreiswahlausschusses,
den Kreiswahlvorschlag der GRÜNEN nicht zuzu-
lassen, ergibt sich aus der Stellungnahme des Kreis-
wahlleiters gegenüber dem Landeswahlleiter der
Freien und Hansestadt Hamburg vom 5. September
1980, in der es u. a. heißt:
34
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
„Die Versammlung der GRÜNEN, auf der der
Wahlkreisbewerber gewählt wurde, war keine
Mitgliederversammlung i. S. v. §21 Abs. 1 Satz 1
des Bundeswahlgesetzes, weil auch Nichtmitglie-
der mitgewählt haben.
Die Personen, die aufgrund von § 2 Abs. 2 der Be-
zirkssatzung der GRÜNEN (Wortlaut: vgl. Sach-
verhalt im Bezugsschreiben) mitstimmen durften,
sind — entgegen gegenteilig lautender Satzungs-
bestimmung — keine Parteimitglieder.
Zur Parteimitgliedschaft gehört zunächst einmal
— wie bei jedem Verein — eine hinreichende orga-
nisatorische Eingliederung. Dies ist hier wegen
der von vornherein befristeten, auf Auflösung ge-
richteten und in seinen Rechten und Pflichten be-
grenzten (z. B. fehlende Verpflichtung zur Bei-
tragszahlung) Mitgliedschaft bereits fraglich.“
Unter Hinweis, daß der Begriff der Parteimitglied-
schaft aus dem Zweck der Parteien, wie er dem Par-
teiengesetz zu entnehmen sei, abzuleiten sei, wird
festgestellt, deshalb könne hinsichtlich der Perso-
nen, die bei der Kandidatenaufstellung der GRÜ-
NEN eine zeitlich begrenzte „Mitgliedschaft“ gemäß
§ 2 Abs, 2 der Bezirkssatzung der GRÜNEN erwor-
ben haben könnten, keine Parteimitgliedschaft vor-
liegen, da hier von vornherein die Einflußnahme auf
die gewählten Abgeordneten ausgeschieden sei.
Zur Begründung der Zurückweisung der gegen die
Entscheidung des Landeswahlausschusses einge-
legten Beschwerde wird aufgeführt:
„Die Aufstellung von Parteibewerbern darf nur
durch Parteimitglieder erfolgen (§21 Abs. 1 BWG).
Durch die befristete beitragsfreie Mitgliedschaft
wird § 21 Abs. 1 BWG umgangen. Diese Vorschrift
geht von der Parteimitgliedschaft im überkomme-
nen Sinne aus, die ihrem Wesen nach auf Dauer
angelegt ist und in der Regel die Pflicht zur Zah-
lung von Mitgliedsbeiträgen begründet.“
Gegen diese Feststellungen bestehen keine rechtli-
chen Bedenken (vgl. hierzu Zurückweisung des Ein-
spruchs DIE GRÜNEN, Az.: WP 45/80).
Soweit der Einspruchsführer rügt, die nicht im Deut-
schen Bundestag bereits vertretenen Parteien seien
in den Massenmedien nicht hinreichend berücksich-
tigt worden, kann der Einspruch keinen Erfolg ha-
ben. Die Anwendung des Grundsatzes der gleichen
Wettbewerbschancen der Parteien im Bereich der
Wahlpropaganda erfordert nicht, wie das Bundes-
verfassungsgericht in mehreren Entscheidungen
festgestellt hat, daß alle Parteien in gleichem Um-
fang zu Wort kommen; die den einzelnen Parteien
zuzuteilenden Sendezeiten dürfen entsprechend der
Bedeutung der Partei verschieden bemessen wer-
den [s. BVerfGE 48, 271 (277)].
Auch hinsichtlich der von den Rundfunkträgern
selbst gestalteten oder zu verantwortenden Sendun-
gen ist kein Rechtsverstoß erkennbar, der als Wahl-
fehler angesehen werden könnte. Im übrigen hat der
Einspruchsführer für einen derartigen Verstoß
keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, die ei-
ner Nachprüfung fähig gewesen wären.
Auch die Behauptung des Einspruchsführers, die
neue Form der Erbringung der Unterstützungsun-
terschriften erschwere die Möglichkeit der Wahlteil-
nahme, vermag den Einspruch nicht zu stützen. Ab-
gesehen davon, daß es der Wahlprüfungsausschuß in
ständiger Praxis abgelehnt hat, wahlrechtliche Be-
stimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prü-
fen, hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger
Rechtsprechung anerkannt, daß Zulassungsbedin-
gungen zur Wahl auf gestellt werden können, und
daß die Forderung eines angemessenen Unterschrif-
tenquorums bei der Einreichung von Wahlvorschlä-
gen eine mit dem Grundsatz der formalen Wahl-
rechtsgleichheit und Wettbewerbschancengleich-
heit der Parteien i. S. der Artikel 3, 21 und 38 GG ver-
einbare Einschränkung der Zulassung von Wahlvor-
schlägen enthält. Darüber hinaus hat das Bundes-
verfassungsgericht das Quorum von 200 Unter-
schriften von Wahlberechtigten für einen Wahl-
kreisvorschlag bestätigt [s. BVerfGE 24, 260 (265)].
Auf die Nichtzulassung der Sozialliberalen Partei
Deutschlands durch den Bundeswahlausschuß kann
der Einspruchsführer seinen Einspruch ebenfalls
nicht stützen.
Der Bundeswahlausschuß hat in seiner ersten Sit-
zung vom 28. August 1980 die Sozialliberale Partei
Deutschlands nicht zugelassen, mit der Begrün-
dung:
„weil sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Fe-
stigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer
Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der
Öffentlichkeit keine ausreichende Gewähr für die
Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bietet. Denn
trotz mehrfacher Aufforderung waren keine hin-
reichenden Angaben oder Anhaltspunkte über
eine entsprechende Organisation, Mitgliederzahl
und ein entsprechendes Hervortreten in der Öf-
fentlichkeit zu erlangen.“
Abgesehen davon, daß vom Einspruchsführer keine
Gründe vorgetragen werden, die die Entscheidung
des Bundeswahlausschusses in Frage stellen könn-
ten, besteht für den Wahlprüfungsausschuß keine
Veranlassung, die vom Bundeswahlausschuß getrof-
fene Entscheidung rechtlich in Zweifel zu ziehen.
Schließlich kann der Einspruchsführer seinen Ein-
spruch auch nicht auf das knappe „strittige“ Wahler-
gebnis im Wahlkreis St. W^'endel stützten.
Der Hinweis auf ein „knappes” strittiges Wahlergeb-
nis allein vermag keinen Wahleinspruch zu begrün-
den, da nur ein Verstoß wahlrechtlicher Bestimmun-
gen, die Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt haben
oder hätten haben können, im Rahmen einer Wahl-
prüfung aufgegriffen werden können.
Da die einzelnen vom Einspruchsführer vorgetrage-
nen Begründungen weder alleine noch in ihrer Ge-
samtheit geeignet sind, einen Wahleinspruch zu
stützen, war der Einspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
35
Drucksache 9/316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
36
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 15
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 40/80 — der Bürgerpartei —
Landesverband Schleswig-Holstein, vertreten durch den Vertrauens-
mann der Landesliste der Bürgerpartei, Herrn Fritz Zickler, wohn-
haft: 2322 Gottesgabe,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. November 1980 hat die Ein-
spruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt
und beantragt, das Ergebnis der Bundestagswahl
vom 5. Oktober 1980 für ungültig zu erklären und
eine Wiederholungswahl anzuordnen.
Zur Begründung des Einspruchs wird ausge-
führt, der Grundsatz der Gleichheit vor dem Ge-
setz, Artikel 38 des Grundgesetzes und das Wahl-
geheimnis seien verletzt worden. Ferner sei die
Bürgerpartei unnötig behindert sowie gegen das
Datenschutzgesetz verstoßen worden. Schließ-
lich stützt die Einspruchsführerin ihren Ein-
spruch auf „Begünstigung”.
Den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz
sieht die Einspruchsführerin dadurch verletzt,
daß für sie und weitere Parteien Unterstützungs-
unterschriften erforderlich seien. Dies sei eine
erhebliche und belastende Benachteiligung des
„Unterstützungsunterschrifts-leistenden Bür-
gers.”
Gemäß Artikel 38 GG seien die Abgeordneten in
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer
Wahl zu wählen. Drs Wahlgeheimnis werde aber
durch das Erfordernis der Unterstützungsunter-
schriften gefährdet. Darüber hinaus werde das
Wahlgeheimnis durch verschiedene Behörden
dadurch verletzt, daß sie die persönlichen Daten
von Unterschriftsleistenden festhielten, wobei es
unerheblich sei, ob die Daten abgeschrieben, ko-
piert oder auf Listen eingetragen worden seien.
Damit würde dem überprüfenden Gemeindebe-
amten, den Hilfskräften des Landes- bzw. Kreis-
wahlleiters, den Vertrauensleuten des Vor-
schlags, der Bundespost und den Unterschriften
Sammelnden die persönlichen Daten des Unter-
schriftsleistenden bekannt. Das heiße, ein Ge-
meindebeamter könne feststellen, wie persönli-
che Bekannte wählten und welche politische An-
schauung sie verträten. Das Wahlgeheimnis
könne durch die Anlagen Nummern 13 und 20
der Bundeswahlordnung nicht gewahrt werden.
Diese Vorschrift bringe vielmehr eine Kriminali-
sierung des Bundeswahlvorganges mit sich.
Die Einspruchsführerin verweist in diesem Zu-
sammenhang auch auf ein angebliches Schrei-
ben der Landeshauptstadt Kiel vom 28. August
1980, in dem festgestellt werde, daß ein Herr X
bereits für eine andere Partei seine Wahlberech-
tigung entsprechend den §§ 107 c und 108 d des
Strafgesetzbuches wahrgenommen habe. Seine
Unterstützungsunterschrift sei dem Landes-
wahlleiter und von dort der zuständigen Staats-
anwaltschaft zugeleitet worden.
Wenn solche Vorgänge in dieser Weise behandelt
würden, könne von einem Wahlgeheimnis nicht
mehr die Rede sein.
Eine Wahlbehinderung sieht die Einspruchsfüh-
rerin darin, daß die Strafandrohung auf dem Un-
terstützungsformblatt zahlreiche Wähler wegen
dieser Strafandrohung davon abhielte, eine Un-
terstützungsunterschrift zu leisten.
Die Verletzung des Datenschutzgesetzes sieht
die Einspruchsführerin darin, daß die persönli-
chen Daten aufgrund der Unterstützungsunter-
schriften einem größeren Personenkreis zugäng-
lich gemacht worden und damit nicht nur Beam-
te, sondern auch Privatpersonen in den Besitz
dieser Daten gekommen seien.
Eine Begünstigung sieht die Einspruchsführerin
in der geänderten Wahlgesetzgebung, deren
Zweck es gewesen sei, daß eine neue politische
Partei und Kraft nicht in den Bundestag hinein-
komme.
Mit Schreiben vom 9. November 1980 hat die Ein-
spruchsführerin ihre Einspruchsbegründung er-
gänzt, jedoch im wesentlichen die Einspruchs-
gründe konkretisiert und versucht darzulegen,
daß bei einer Beteiligung der Bürgerpartei die
37
DrUCkS8Ch6 9/316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Mandatsverteilung im Deutschen Bundestag er-
heblich anders gewesen wäre.
In der ersten Sitzung des Bundeswahlausschus-
ses vom 28. August 1980 wurde die Bürgerpartei
gemäß § 18 Abs. 3 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) als Partei anerkannt, weil sie die Bedin-
gungen der §§18 Abs. 2 BWG, 33 Abs. 1 der Bun-
deswahlordnung (BWO) und § 2 Abs. 1 des Partei-
engesetzes erfüllte.
Am 5. September 1980 legte der Vertrauensmann
der Bürgerpartei Beschwerde gegen die Zurück-
weisung ihrer Landesliste in Schleswig-Holstein
ein. In der Beschwerdebegründung macht der
Vertrauensmann der Einspruchsführerin im we-
sentlichen dieselben Gründe geltend, die er für
seine Einspruchsbegründung vorgetragen hat.
Der Bundeswahlausschuß beschloß in seiner
zweiten Sitzung am 11. September 1980, die Be-
schwerde der Einspruchsführerin als unbegrün-
det zurückzuweisen. Zur Begründung wurde aus-
geführt:
„Der Landeswahlausschuß hatte die Landesli-
ste mit Recht zurückgewiesen, da ihr nur 608
Unterstützungsunterschriften beigefügt waren
und damit die nach § 27 Abs. 1 BWG zwingend
vorgeschriebenen 1 865 Unterstützungsunter-
schriften nicht Vorlagen.
Die Beschwerdeführer können auch — wie
schon dargelegt — mit den Einwendungen ge-
gen die der Entscheidung zu Grunde liegenden
Rechtsvorschriften keinen Erfolg haben.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer Öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Da es Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses ist
festzustellen, ob durch Verletzung von Wahlrechts-
bestimmungen das Ergebnis der Bundestagswahl
beeinflußt worden ist, vermag das Vorbringen der
Einspruchsführerin den Einspruch nicht zu begrün-
den. Soweit sie behauptet, Bestimmungen des Bun-
deswahlgesetzes bzw. der Bundeswahlordnung ver-
stießen gegen Bestimmungen des Grundgesetzes,
weist der Wahlprüfungsausschuß darauf hin, daß im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfas-
sungsmäßigkeit wahlrechtlicher Bestimmungen
nicht nachgeprüft werden kann.
Da sich die Einspruchsbegründung im wesentlichen
auf die gemäß § 34 Abs. 4 bzw. 39 Abs. 3 BWO zu lei-
stenden Unterschriften auf amtlichen Formblättern
richtet, in deren Kopf darauf hingewiesen wird, daß
jeder Wahlberechtigte mit seiner Unterschrift nur
einen Kreiswahlvorschlag bzw. nur eine Landesliste
unterstützen darf und sich nach § 108 d i. V, mit
§107a StGB strafbar macht, wer mehrere Kreis-
wahlvorschläge bzw. mehrere Landeslisten unter-
zeichnet, weist der Wahlprüfungsausschuß auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
dieser Regelung hin [s. BVerfGE 3, 19 (31)].
Die Festlegung einer bestimmten Zahl von Unter-
schriften von Wahlberechtigten soll dazu dienen,
daß sich nur solche „neuen Parteien” an der Wahl be-
teiligen, die in der Öffentlichkeit bereits eine ge-
wisse Anhängerschaft unter den Wählern gefunden
haben. Außerdem dient das Unterschriftserforder-
nis dem Zweck, schon bei der Wahl einer Zersplitte-
rung der Stimmen und der Bildung von Zwergpar-
teien vorzubeugen. Diese sich aus den gesetzlichen
Bestimmungen ergebenden Ziele können nur dann
hinreichende Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie
auch strafbewehrt sind.
Da das Wahlgeheimnis auch nicht in einem weiteren
Umfang preisgegeben werden darf als das Zulas-
sungsverfahren für Wahlvorschläge es erfordert,
wird durch die Unterschriftsklausel in § 20 Abs. 2
Satz 2 und § 27 Abs. 1 BWG der Grundsatz der gehei-
men Wahl auch nicht verletzt. Die Unterzeichner
von Wahlvorschlägen werden jedoch durch das
Wahlgeheimnis insoweit nicht geschützt, als das
Wahlverfahren eine Offenlegung ihrer Namen not-
wendig macht. Insoweit müssen sie hinnehmen, daß
ihre Unterschriften von anderen Wahlberechtigten
bzw. von Bediensteten der Gemeindebehörde zur
Kenntnis genommen werden.
Aufgrund der Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes und der Bundeswahlordnung kann auch in der
Überprüfung der Unterschriften für die Wahlvor-
schläge keine Verletzung des Datenschutzgesetzes
erblickt werden.
Da somit der Einspruch in allen Punkten nicht als
begründet anzusehen war, war er im Sinne des § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
38
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 16
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 41/80 — des Herrn
Helmut Rietschel, wohnhaft: 4444 Bad Bentheim — Ortsteil Bardel,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. November 1980 an den
Wahlprüfungsausschuß des Deutschen Bundes-
tages hat der Einspruchsführer mitgeteilt, daß er
das Ergebnis der Bundestagswahl 1980 insofern
anfechte, als es ihm nicht ermöglicht worden sei,
seine Stimme abzugeben. Die Wahlunterlagen
seien ihm, auch auf schriftliche Anforderung hin,
nicht zugestellt worden. Hierüber könne schriftli-
cher Beweis erhoben werden.
Auf Anfrage des Wahlprüfungsausschusses hat
die Stadt Bentheim mit Schreiben vom 22. De-
zember 1980 zu dem Vorbringen u. a. wie folgt
Stellung genommen:
„Die Wohnung des Herrn Helmut Rietschel
wurde am 6. März 1975 zwangsweise ge-
räumt.
Herr Rietschel hat von dem Zeitpunkt an der
Stadt in Bentheim keine andere Wohnung
nachweisen können. Auch ist der Aufenthalts-
ort des Genannten seit der Zeit nicht bekannt.
Herr Rietschel wurde daher in der hiesigen
Meldekartei am 5. November 1977 von amtswe-
gen gelöscht und polizeilich abgemeldet.
Erstmals im Oktober 1974 hatte sich die Stadt
Bentheim als Obdachlosenbehörde mit Herrn
Rietschel zu befassen. Ein umfangreicher Ver-
waltungsaufwand mußte seither seinetwegen
betrieben werden, da der Genannte es immer
wieder versteht, den Behördenapparat in Be-
wegung zu halten.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) führen die Gemeindebehörden für jeden
Wahlbezirk ein Wählerverzeichnis der Wahlberech-
tigten. Diese Vorschrift ergänzt die Bestimmung des
§ 14 Abs. 1 BWG, wonach nur wählen kann, wer in
ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder einen
Wahlschein hat. Gemäß § 16 Abs. 1 der Bundeswahl-
ordnung (BWO) sind von Amts wegen in das Wähler-
verzeichnis alle Wahlberechtigten einzutragen, die
am 35. Tage vor der Wahl (Stichtag) bei der Meldebe-
hörde gemeldet sind. Da diese Voraussetzungen
beim Einspruchsführer, wie aus der Stellungnahme
der Stadt Bentheim ersichtlich ist, nicht Vorlagen,
konnte er nicht von Amts wegen in das Wählerver-
zeichnis eingetragen werden. Der Einspruchsführer
hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, gemäß § 16
Abs. 2 BWO zu versuchen, auf Antrag in das Wähler-
verzeichnis eingetragen zu werden. Hierzu hätte für
ihn um so mehr Veranlassung bestanden, als nach
seiner eigenen Mitteilung er die von ihm angefor-
derten Wahlunterlagen nicht erhalten hatte.
Da somit der Einspruchsführer selbst zu vertreten
hat, daß er an der Bundestagswahl nicht teilnehmen
konnte, scheidet ein Wahlfehler aus. Auch selbst,
wenn ein Mitverschulden seitens der Wahlbehörden
unterstellt wird, hätte der Einspruch keinen Erfolg
haben können, da dieser Wahlfehler angesichts des
Stimmverhältnisses keinen Einfluß auf die Man-
datsverteilung im 9. Deutschen Bundestag hätte ha-
ben können [seit BVerfGE 4, 370, (372 f.) ständige
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
der sich der Deutsche Bundestag angeschlossen
hat].
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
39
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 17
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 42/80 — des Herrn Karl-
Heinz Otte, wohnhaft: Braunsberger Straße 34, 3200 Hildesheim,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben ohne Datum — eingegangen beim
Deutschen Bundestag am 5. November 1980 —
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, er sei seit dem
9. Mai 1968 in Hildesheim gemeldet, dies habe
das Einwohnermeldeamt Berlin (West) am
15. Februar 1969/2. Juni 1969 durch amtliche
Rückmeldung bestätigt. Aufgrund dieser Anmel-
dung hätte er seiner Auffassung nach in Hildes-
heim einen Wahlschein erhalten und in das Wäh-
lerverzeichnis eingetragen werden müssen. Dies
sei ihm verweigert worden, obwohl er seit 16 Jah-
ren in Hildesheim angemeldet sei.
Die Stadt Hildesheim hat auf Anforderung zu
dem Einspruchsschreiben mit Schreiben vom
10. November 1980 Stellung genommen und aus-
geführt, der Einspruchsführer habe mit einge-
schriebener Karte vom 12. September 1980 bean-
tragt, ihm die Briefwahlunterlagen für die Bun-
destagswahl auszustellen und ihn gleichzeitig in
das Wählerverzeichnis einzutragen. Der Antrag-
steller sei aber weder am Stichtag 31. August
1980, noch gegenwärtig in der Stadt Hildesheim
weder mit Haupt- noch mit Nebenwohnung ge-
meldet. Es sei vielmehr festgestellt worden, daß
der Einspruchsführer zu diesem Zeitpunkt in der
Stadt Braunschweig mit Hauptwohnung gemel-
det sei. Daraufhin sei er mit Schreiben vom
16. September 1980 an die Stadt Braunschweig
verwiesen worden, der für die Eintragung in das
Wählerverzeichnis gemäß § 17 Abs. 1 der Bundes-
wahlordnung (BWO) zuständigen Gemeinde.
Auf Anfrage des Wahlprüfungsausschusses hat
das Amtsgericht Hildesheim am 2. Dezember
1980 — Geschäfts-Nr.: 27 VIII 0 141 — mitgeteilt,
daß für den Einspruchsführer Gebrechlichkeits-
pflegschaft ohne Einwilligung des Betroffenen
eingeleitet worden sei. Der Anordnungsbeschluß
datiere vom 16. Oktober 1980.
Der Einspruchsführer hatte bereits gegen die
Wahl zum 6. Deutschen Bundestag und gegen die
Wahl zum 8. Deutschen Bundestag Einspruch
eingelegt. Seine Einsprüche wurden als offen-
sichtlich unbegründet zurückgewiesen, da sein
allgemeines und dazu noch nach Form und Inhalt
zusammenhangloses Vorbringen nicht Gegen-
stand eines Wahlprüfungsverfahrens sein konn-
te.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) ist
vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer entmündigt ist
oder wegen geistigen Gebrechens unter Pflegschaft
steht, sofern er nicht durch eine Bescheinigung des
Vormundschaftsgerichts nachweist, daß die Pfleg-
schaft aufgrund seiner Einwilligung angeordnet ist.
Da jedoch der Zeitpunkt der Entscheidung des Ge-
richts maßgeblich ist, war der Einspruchsführer am
Tag der Bundestagsvrahl noch nicht vom W^'ahlrecht
ausgeschlossen.
Der Einspruch ist deshalb als zulässig anzusehen,
jedoch nicht begründet. Da der Einspruchsführer
am 35. Tag vor der Wahl (Stichtag; s. §16 Abs. 1
BWO) laut Auskunft der Stadt Hildesheim in der
Stadt Braunschweig gemeldet war, hätte er entspre-
chend der Anregung der Stadt Hildesheim dort
seine Eintragung in das Wählerverzeichnis betrei-
ben müssen, wenn er nicht bereits von Amts wegen
aufgenommen war. Da der Einspruchsführer nicht
bereit war, die Konsequenzen aus den erteilten Be-
lehrungen zu ziehen, hat er es selbst zu vertreten,
wenn er nicht die Voraussetzungen dafür schaffte,
an der Bundestagswahl teilnehmen zu können.
41
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Der Einspruch ist daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
42
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 18
Beschluß
in der Wahlanfechtungs;sache — Az.: WP 44/80 — der Sozialliberalen
Partei Deutschlands, vertreten durch ihren 1. Vorsitzenden, Herrn
Ernst Sauer, wohnhaft: 2420 Eutin, Postfach 376,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 4. November 1980 hat die Ein-
spruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt
und erneute Prüfung und Anerkennung als Par-
tei für alle Wahlen beantragt, da die Entschei-
dung des Bundeswahlleiters nicht als korrekt an-
gesehen werden könne.
Die Einspruchsführerin, die sich als Nachfolgeor-
ganisation des von Ferdinand Lasall vom 23. Mai
1863 gegründeten Arbeitervereins als Volkspar-
tei und Partei der goldenen Mitte sieht, hatte am
3. Juni 1980 ihre Beteiligung an der Bundestags-
wahl beim Bundeswahlleiter angezeigt. In der er-
sten Sitzung des Bundeswahlausschusses vom
28. August 1980 faßte der Bundeswahlausschuß
folgenden Beschluß:
„Nicht als Parteien (in alphabetischer Reihen-
folge) wurden anerkannt:
3. Sozialliberale Partei Deutschlands (SLPD),
weil sie nach dem Gesamtbild der tatsächli-
chen Verhältnisse, insbesondere nach Um-
fang und Festigkeit ihrer Organisation,
nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ih-
rem Hervortreten in der Öffentlichkeit
keine ausreichende Gewähr für die Ernst-
haftigkeit ihrer Zielsetzung bietet. Denn
trotz mehrfacher Aufforderung waren
keine hinreichenden Angaben oder An-
haltspunkte über eine entsprechende Orga-
nisation, Mitgliederzahl und ein entspre-
chendes Hervortreten in der Öffenlichkeit
zu erlangen.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 18 Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
hat der Bundeswahlausschuß für alle Wahlorgane
verbindlich festzustellen, welche Parteien im Deut-
schen Bundestag oder in einem Landtag seit der
letzten Wahl aufgrund eigener Wahlvorschläge un-
unterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten
vertreten waren bzw. welche Vereinigungen, die
nach § 18 Abs. 2 BWG ihre Beteiligung angezeigt ha-
ben, für die Wahl als Parteien anzuerkennen sind.
Durch das Gesetz über die politischen Parteien (Par-
teiengesetz) vom 24. Juli 1967 ist der Begriff einer
Partei gesetzlich festgelegt. Danach sind Parteien
Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für
längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines
Landes auf die politische Willensbildung Einfluß
nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deut-
schen Bundestag oder in einem Landtag mitwirken
wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächli-
chen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und
Festigkeit ihrer Organisation, nach der Art ihrer
Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öf-
fentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die
Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten (vgl. § 2 des
Parteiengesetzes).
Die Bestimmung des § 18 Abs. 3 BWG, wonach die
Feststellungen des Bundeswahlausschusses für alle
Wahlorgane verbindlich zu treffen sind, schließt
zwar nicht aus, daß diese Feststellungen im Rahmen
eines Wahlprüfungsverfahrens nachgeprüft werden
können (s. § 49 BWG). Die Einspruchsführer haben
jedoch weder bei der Anzeige ihrer Beteiligung an
der Bundestagswahl 1980 die erforderlichen Nach-
weise für die Anerkennung als politische Partei bei-
gebracht, noch versucht, sie im Rahmen der Begrün-
dung ihres Einspruchs beizubringen.
Da somit die Entscheidung des Bundeswahlaus-
schusses nicht zu beanstanden ist, war der EiYi-
43
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Spruch im Sinne von § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offen-
sichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
44
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 19
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 45/80 — des Landesverban-
des DIE GRÜNEN — Hamburg, vertreten durch ihren Vorsitzenden
Friedrich Wilhelm Merck, Hamburg,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980 im Wahlkreis Nr. 16 — Hamburg-Wandsbek —
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. November 1980 hat der Vor-
sitzende des Landesverbandes DIE GRÜNEN —
Hamburg — Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl im Wahlkreis Nr. 16 — Hamburg-Wands-
bek — eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs weist er dar-
auf hin, auf seiner Sitzung am 10. September 1980
habe der Landeswahlausschuß der Freien und
Hansestadt Hamburg in einer Beschwerdever-
handlung die Zulassung des Wandsbeker Kreis-
vorschlages der GRÜNEN endgültig abgelehnt
und zwar mit einer Mehrheit von 4 : 1 Stim-
men.
Der Bezirksverband Wandsbek der GRÜNEN
habe auf der einberufenen Mitgliederversamm-
lung der Partei im Wahlkreis Nr. 16 — Hamburg-
Wandsbek — wahlberechtigte Bürger aus dem
Wahlkreis vor der Kandidatenaufstellung neu
aufgenommen und ihnen satzungsgemäß gestat-
tet, eine bis zur Verkündung des amtlichen End-
ergebnisses der bevorstehenden Bundestags-
wahl befristete beitragsfreie Mitgliedschaft zu
erlangen, die dann später auf Antrag in eine un-
befristete Mitgliedschaft mit vollen Beitrags-
pflichten umgewandelt werden könne. Durch
eine schriftliche Bestätigung des Bezirks-, Lan-
des- und Bundesverbandes der GRÜNEN sei im
Wahlausschuß nachgewiesen worden, daß diese
Aufnahme von Mitgliedern im Rahmen des § 10
Abs. 1 des Parteiengesetzes voll inhaltlich den
satzungsmäßigen Bestimmungen der GRÜNEN
entspreche.
Mit seiner mehrheitlichen Entscheidung habe
der Hamburger Landeswahlausschuß den Stand-
punkt vertreten, daß die im Rahmen des § 10
Abs. 1 des Parteiengesetzes nach der Satzung der
GRÜNEN zweifelsfrei bestehende Mitgliedschaft
nicht als Mitgliedschaft im Sinne des § 21 des
Bundeswahlgesetzes (BWG) zu betrachten sei,
obwohl das Bundeswahlgesetz keinerlei beson-
dere Art der Mitgliedschaft vorsehe. Durch diese
eigenwillige Art des Gesetzesinterpretation wür-
den die grundlegenden Prinzipien der Volkssou-
veränität sowie des demokratischen Bundesstaa-
tes angetastet, zumal an eine nachträgliche Lega-
lisierung derartigen Vorgehens durch Gesetzes-
änderung gedacht sei.
Der vom Einspruchsführer zitierten Sitzung des
Landeswahlausschusses vom 10. September 1980
war die Kreiswahlausschußsitzung des Wahl-
kreises 16 vom 5. September 1980 vorausgegan-
gen, in der der Kreiswahlvorschlag der GRÜNEN
einstimmig zurückgewiesen worden war, weil er
nicht rechtmäßig zustande gekommen sei. Dieser
Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu-
grunde:
Die GRÜNEN hatten ihre Mitglieder schriftlich
und interessierte Bürger durch öffentliche Be-
kanntmachung auf Stellschildern zu einer von ih-
nen so bezeichneten „Bürgerversammlung“ zum
25. August 1980 in ein Versammlungslokal zur
Wahl des Wahlkreisbewerbers eingeladen. Das
Plakat enthielt eine zusätzlich aufgeklebte Auf-
schrift mit folgendem Wortlaut:
„Bürgerversammlung zur Aufstellung unseres
Direktkandidaten
Jeder darf mitwählen!
25. 8. 1980, 19.30, Bürgerhaus in Meiendorf, Ba-
seler Str.21.”
In dieser Versammlung, bei der es vier Bewerber
um die Kandidatur gab, wurde der Wahlkreisbe-
werber von den anwesenden Mitgliedern und
Bürgern, insgesamt 37 Personen, in geheimer
Abstimmung gewählt.
Dieses Verfahren ist in § 2 Abs. 2 der beigefügten
Bezirkssatzung der GRÜNEN ausdrücklich vor-
gesehen. § 2 Abs. 2 hat folgenden Wortlaut:
„Zur Aufstellung von Wahlbewerbern (Parla-
mentskandidaten) sollen Bürgerversammlun-
gen einberufen werden; die Entscheidung liegt
beim zuständigen Gebietsverband. Durch Teil-
45
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
nähme an der Bürgerversammlung können
wahlberechtigte Bürger eine zeitlich begrenz-
te, beitragsfreie Mitgliedschaft erlangen, kraft
welcher sie insbesondere berechtigt sind, bei
der Aufstellung von Wahlbewerbern an dem
Nominierungsverfahren im Rahmen der Wahl-
gesetze teilzunehmen. Sie sind darüber aufzu-
klären, daß sie mit ihrer Eintragung in die Teil-
nehmerliste kurzfristig Mitglied der Partei
werden und sich damit zu deren Grundsätzen
bekennen.
Die zeitlich begrenzte Mitgliedschaft endet mit
der Bekanntgabe des betreffenden amtlichen
Wahlergebnisses, ohne daß es einer Kündi-
gung bedarf.”
Den so zustande gekommenen Kreiswahlvor-
schlag haben DIE GRÜNEN am 27. August 1980
beim Kreiswahlleiter eingereicht Dieser hat
rechtzeitig vor Ablauf der Einreichungsfrist den
Vertrauensmann darauf hingewiesen, daß er den
Kreiswahlvorschlag wegen Verstoßes gegen § 21
Abs. 1 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) für
mangelhaft halte, weil auch Nichtmitglieder ge-
wählt hätten. Er hat den Vertrauensmann am
27. August 1980 aufgefordert, diesen Mangel
rechtzeitig zu beseitigen. Dies ist nicht gesche-
hen. DIE GRÜNEN haben daraufhin dem Kreis-
wahlleiter eine Stellungnahme zugeleitet. In die-
ser Stellungnahme wird behauptet, der Kreis-
wahlleiter gehe fälschlicherweise davon aus, daß
neben Mitgliedern auch anwesende Bürger bei
der Aufstellung des Kandidaten mitgewirkt hät-
ten. Entgegen dieser Feststellung sei festzuhal-
ten, daß am Nominierungsverfahren nur Partei-
mitglieder mitgewirkt hätten. Die Mitglieder hät-
ten der Partei mit unterschiedlicher Befristung
entsprechend § 2 der Bezirkssatzung beitreten
können, entweder unbefristet oder aber befristet
bis zur Bekanntgabe des amtlichen Wahlergeb-
nisses. Alle Mitglieder genössen innerhalb der
Partei die gleichen Rechte. Die satzungsmäßige
Mitgliedschaft dieser Bürger sei schriftlich vom
Bundesverband, Landesverband Hamburg und
vom Bezirksverband Hamburg-Wandsbek der
GRÜNEN bestätigt worden. Die ordnungsge-
mäße Mitgliedschaft sei auch von den anwesen-
den Parteimitgliedern auf Befragen am 25. Au-
gust 1980 nicht angezweifelt worden. Vielmehr
sei der Parteitag in Form der Bürgerversamm-
lung einberufen worden, weil die davor tagende
Mitgliederversammlung dies ausdrücklich be-
schlossen habe.
Unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 des Parteien-
gesetzes, wonach die zuständigen Organe der
Partei nach näheren Bestimungen der Satzung
frei über die Aufnahme von Mitgliedern zu ent-
scheiden hätten, vertreten DIE GRÜNEN die
Auffassung, diese Bestimmung des Parteienge-
setzes sei durch den Bezirkswahlausschuß da-
durch gebeugt worden, daß er den neu eingetrete-
nen Parteimitgliedern keine Parteizugehörigkeit
zuerkannt habe. Wenn der Bezirkswahlausschuß
davon ausgegangen sei, § 21 Abs. 1 BWG gehe bei
der Parteimitgliedschaft von einer auf Dauer an-
gelegten und in der Regel die Pflicht zur Zahlung
von Mitgliedsbeiträgen begründenden Zugehö-
rigkeit zu einer Partei aus, so könne dieser Auf-
fassung seitens der GRÜNEN nicht gefolgt wer-
den, da weder das Wahlgesetz noch das Parteien-
gesetz ausdrückliche Regeln über diese Frage
enthielten.
Im übrigen sei es auch falsch zu behaupten, die
neuen Mitglieder seien in ihren Rechten und
Pflichten begrenzt Hinsichtlich der Pflichten
seien diese neuen Mitglieder nur von der Bei-
tragspflicht befreit, sie stünden aber, wie alle an-
deren Mitglieder, unter dem Schutz des Schieds-
gerichts. Im übrigen sei es durchaus üblich, un-
terschiedliche Beitragssätze für verschiedene
Mitglieder einzuführen.
Wenn zur Begründung der Nichtzulassung der
GRÜNEN seitens des Wahlausschusses darauf
hingewiesen werde, das Hinzutreten von Nicht-
parteimitgliedern bei der Kandidatenwahl sei
auch hier nicht als unschädlich anzusehen, da
vier Bewerber zur Auswahl standen und eine an-
dere Ansicht nur in Frage käme, wenn es nur ei-
nen Bewerber gegeben hätte, müßte dem entge-
gengehalten werden, daß DIE GRÜNEN, gerade
weil vier Kandidatenvorschläge Vorgelegen hät-
ten, eine reale, echte Wahl durchgeführt hätten.
Es sei deshalb vollkommen undemokratisch,
wenn DIE GRÜNEN seitens des Kreiswahlleiters
aufgefordert würden, unter Bruch der eigenen
Satzung eine neue Mitgliederversammlung ein-
zuberufen und die Nominierung zu wiederholen.
Dies würde in mehrfacher Hinsicht ein Verstoß
gegen einen Mitgliederbeschluß bzw. gegen die
Bezirkssatzung bedeuten.
Über die Beschwerde wurde in der Sitzung des
Landeswahlausschusses vom 10. September 1980
entschieden. Wie aus der Niederschrift ersicht-
lich ist, beschloß der Landeswahlausschuß mit
Stimmenmehrheit in öffentlicher Sitzung, die
Beschwerde der GRÜNEN zurückzuweisen. Als
Begründung wurde ausgeführt:
„Die Aufstellung von Parteibewerbern darf nur
durch Parteimitglieder erfolgen (§21 Abs. 1
BWG). Durch die befristete beitragsfreie Mit-
gliedschaft wird §21 Abs. 1 BWG umgangen.
Diese Vorschrift geht von der Parteimitglied-
schaft im überkommenen Sinne aus, die ihrem
Wesen nach auf Dauer angelegt ist und in der
Regel die Pflicht zur Zahlung von Mitglieds-
beiträgen begründet.”
Gegen diese Entscheidung hat der Landesver-
band DIE GRÜNEN Hamburg am 30. September
1980 das Bundesverfassungsgericht angerufen
mit dem Antrag, durch eine einstweilige Anord-
nung gemäß § 32 Abs. 1 und 2 BVerfGG die Nicht-
zulassung des Kreisvorschlages der GRÜNEN im
Wahlkreis Nr. 16 — Hamburg-Wandsbek —
durch den Landeswahlausschuß der Freien und
Hansestadt Hamburg aufzuheben und die sofor-
tige Zulassung zur Wahl am 5. Oktober 1980 an-
zuordnen.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 3. Okto-
ber 1980 gemäß § 93 a Abs. 3 des Gesetzes über
46
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
das Bundesverfassungsgericht einstimmig be-
schlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil sie unzuläs-
sig ist
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Er-
laß einer einstweiligen Anordnung.
Zur Begründung hat das Bundesverfassungsge-
richt ausgeführt, daß Entscheidungen und Maß-
nahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlver-
fahren beziehen, nur mit den in den Wahlvor-
schriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im
Wahlprüfungsverfahren angefochten werden
könnten. Das Bundesverfassungsgericht könne
wegen der Ablehnung eines Wahlvorschlages im
Rahmen einer Bundestagswahl nicht unmittel-
bar, sondern erst nach Durchführung der Wahl-
prüfung durch den Bundestag angerufen wer-
den.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 18 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
können Wahlvorschläge von Parteien und nach
Maßgabe des § 20 von Wahlberechtigten eingereicht
werden. Da DIE GRÜNEN nicht unter die Negativ-
Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 BWG fallen — sie
sind in zwei Landtagen seit deren letzter Wahl auf-
grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit
mindestens fünf Abgeordneten vertreten — findet
auf sie § 21 BWG Anwendung, wonach als Bewerber
einer Partei in einem Kreiswahlvorschlag nur be-
nannt werden kann, wer in einer Mitgliederver-
sammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder
in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterver-
sammlung hierzu gewählt worden ist. Gemäß § 21
Abs. 1 Satz 2 BWG ist die Mitgliederversammlung
zur Wahl eines Kreiswahlbewerbers eine Versamm-
lung der zum Zeitpunkt ihres Zusammentritts im
Wahlkreis zum Deutschen Bundestag wahlberech-
tigten Mitglieder der Partei. Mit der Regelung des
Wahlvorschlagsrechts in § 18 BWG und den sich dar-
aus ergebenden Konsequenzen in §§ 20 und 21 BWG
berücksichtigt das Bundeswahlgesetz die verfas-
sungsrechtliche Ausgangslage. Der Verfassungs-
wirklichkeit folgend, hat das Grundgesetz die politi-
schen Parteien in Artikel 21 GG als verfassungs-
rechtlich notwendige Instrumente für die politische
Willensbildung des Volkes anerkannt und sie in den
Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erho-
ben. Durch ihre verfassungsrechtliche Anerken-
nung als politische Handlungseinheiten, deren
heute die Demokratie bedarf, um die Wähler zu poli-
tisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschlie-
ßen und ihnen so überhaupt erst einen wirksamen
Einfluß auf das staatliche Geschehen zu ermögli-
chen, ist von Bundesverfassungs wegen der mo-
derne demokratische Parteienstaat legalisiert wor-
den [vgl. BVerfGE 11, 266 (273); 41, 399 (416 f.)]. Wenn
die Möglichkeit, Wahlvorschläge zu machen, ein
Kernstück des Bürgerrechts auf aktive Teilnahme
an der Wahl ist und sich die Grundsätze der Allge-
meinheit und Gleichheit der Wahl deshalb auch auf
das Wahl vor schlagsrecht beziehen (vgl. BVerfGE
a.a.O.) und deshalb eine Monopolisierung des Wahl-
vorschlagsrechts bei den politischen Parteien so-
wohl gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl
wie gegen den Grundsatz der freien Wahl verstieße,
bedeutet die Priviligierung der politischen Parteien,
die im Deutschen Bundestag oder einem Landtag
seit deren letzter Wahl aufgrund eigener Wahlvor-
schläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abge-
ordneten vertreten waren (s. § 18 Abs. 1 und 2 i. V. m.
§ 20 Abs. 2 BWG), gegenüber anderen Wahlvor-
schlagsträgern, daß sich diese politischen Parteien
auch streng an das formalisierte Wahlvorschlags-
verfahren halten und daran messen lassen müs-
sen.
Aus Artikel 21 Abs. 1 Satz 3 GG ergibt sich, daß die
Aufstellung von Wahlbewerbern nach demokrati-
schen Grundsätzen zu erfolgen hat. Wenn die Partei
DIE GRÜNEN ihre Kreiswahlbewerber in einer
Mitgliederversammlung wählt (§21 Abs. 1 Satz 2),
bedeutet dies eine Beschränkung auf die „wahlbe-
rechtigten” Mitglieder der Partei; sie unterscheidet
sich insofern von der Mitgliederversammlung nach
dem Parteiengesetz, Voraussetzung für die Teilnah-
meberechtigung ist deshalb nicht nur die Mitglied-
schaft in der Partei selbst, sondern auch das Recht
zur Teilnahme an der Wahl, für die der Bewerber
aufgestellt werden soll. Wie es unzulässig wäre, das
Stimmrecht in der Mitgliederversammlung (§ 21
Abs. 1 Satz 2 BWG) an bestimmte Voraussetzungen,
etwa bestimmte Dauer der Mitgliedschaft, zu knüp-
fen, muß es auch als unzulässig angesehen werden,
diese Mitgliederversammlungen als Bürgerver-
sammlungen durchzuführen, so wie sie beim Ein-
spruchsführer stattgefunden haben. Vorübergehen-
de, nur auf die Erreichung eines bestimmten Zwek-
kes vorgesehene Mitgliedschaften in einer politi-
schen Partei widersprechen dem verfassungsrecht-
lich anerkannten Status der Parteien als notwen-
dige Instrumente für die politische Willensbildung
des Volkes. Wenn sie als politische Handlungsein-
heiten, deren heute die Demokratie bedarf, um die
Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusam-
menzuschließen und ihnen so überhaupt erst einen
wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu
ermöglichen (s. BVerfGE a. a. O.) angesehen werden,
gehen diese Feststellungen unverkennbar von der
Voraussetzung aus, daß die Mitgliedschaft in einer
Partei entsprechend der Begriffsbestimmung der
Partei in § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes nicht nur
vorübergehend und von vornherein befristet, auf
Auflösung gerichtet und in Rechten und Pflichten
begrenzt sein kann. Zwar kann aus § 2 Abs. 1 Satz 1
des Parteiengesetzes, wonach Parteien Vereinigun-
gen von Bürgern sind, die dauernd oder für längere
Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes
auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen. . .,
47
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
nicht geschlossen werden, daß auch die Mitglied-
schaft auf Dauer angelegt sein muß. Parteien sind,
wie auch Vereine, vom Wechsel der Mitglieder unab-
hängig. Die Voraussetzungen für die Anerkennung
einer Partei bzw. für die Zulassung zu den Wahlen
würden jedoch unterlaufen, wenn unter Außeracht-
lassung der privilegierten Stellung von Parteien aus-
schließlich auf die formelle Existenz einer Partei ab-
gestellt würde. Wenn deshalb das Bundeswahlgesetz
die Aufstellung von Kreisbewerbern der Parteien
ausschließlich den parteigebundenen Wählern vor-
behält, so kann in der Aufstellung eines Wahlbewer-
bers durch eine Bürgerversammlung keinesfalls der
zulässige Versuch gesehen werden, diese auf eine
breitere, demokratischere Grundlage zu stellen.
Wenn das Bundeswahlgesetz das Nominierungs-
recht ausdrücklich auf die parteigebundenen Wäh-
ler beschränkt, hat es damit implizite „Vorwahlen“
ähnliche Nominierungsverfahren in Bürgerver-
sammlungen abgelehnt Der Versuch, diese aus-
drückliche Regelung durch — ein im amerikani-
schen Wahlrecht übliches Vorwahlverfahren — vor-
übergehende, hinsichtlich der Beitragspflicht auch
noch privilegierte Mitgliedschaften zu umgehen,
muß als unzulässig angesehen werden.
Nachdem aus diesen Gründen der Landeswahlaus-
schuß DIE GRÜNEN im Wahlkreis 16 — Hamburg-
Wandsbek — zu Recht nicht zugelassen hat und die
Einspruchsführer trotz des Hinweises auf die
Rechtsgrundlage und der Bitte, den Mangel recht-
zeitig zu beheben, von dieser Möglichkeit keinen Ge-
brauch gemacht haben, sondern versuchten, im
Wege des Beschwerdeverfahrens ihre falsche
Rechtsauffassung durchzusetzen, kann der Ein-
spruch insoweit keinen Erfolg haben. Selbst, wenn
der Wahlvorschlag zu Unrecht zurückgewiesen wor-
den sein sollte, hätte dieser Wahlfehler keinen Ein-
fluß auf die Mandatsverteilung im Deutschen Bun-
destag haben können, da davon auszugehen ist, daß
DIE GRÜNEN mit an Sicherheit grenzender Wahr-
scheinlichkeit nicht das Direktmandat im Wahl-
kreis 16 — Hamburg-Wandsbek — errungen hätten.
Der gewählte Direktbewerber der SPD hat
95403Stimmen erhalten, während auf den Bewerber
der CDU 57 943 Erststimmen entfielen; DIE GRÜ-
NEN aber konnten in diesem Wahlkreis nur
3 320 Zweitstimmen auf sich vereinigen. Da nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch
zu begründen vermögen, die auf die Mandatsvertei-
lung von Einfluß waren oder hätten sein können, er-
gibt sich aufgrund der genannten Stimmergebnisse
im Wahlkreis 16, daß auch bei unterstelltem Wahl-
fehler der Wahleinspruch unbegründet ist, weshalb
er im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensicht-
lich unbegründet zurückzuweisen war.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
48
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 20
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 48/80 — der Frau
Selma Schuch, wohnhaft: Bergstraße 7, 6541 Woppenroth,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. November 1980 hat die Ver-
bandsgemeindeverwaltung Kirchberg (Huns-
rück) die Beanstandung bei der Durchführung
der Wahl seitens der Einspruchsführerin über-
mittelt, die die Einspruchsführerin aufgrund ih-
rer Erklärung gegenüber der Verbandsgemein-
deverwaltung als Anfechtung im Sinne des § 2
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) angesehen ha-
ben will.
Aufgrund der Verhandlung vor der Verbandsge-
meindeverwaltung Kirchberg rügt die Ein-
spruchsführerin folgendes:
Am Wahltag habe sie ihrer Schwester Ella
Schuch, die geistig behindert sei, bei der Wahl-
handlung behilflich sein wollen. Nachdem sie in
der Wahlkabine gewählt habe, habe sie ihre
Schwester in die Wahlkabine begleitet und sei
selbst etwas außerhalb der Wahlkabine stehen
geblieben. Sie habe dann ihrer Schwester zu ver-
stehen gegeben, welche Kennzeichnung sie auf
dem Stimmzettel machen sollte. Ihre Schwester
habe persönlich in der Wahlkabine dann die
Wahlvorschläge gekennzeichnet. Ihre Schwester
habe den Stimmzettel zusammengefaltet und in
den Briefumschlag gelegt. Danach habe sie ihren
Umschlag mit Stimmzettel auf die Wahlurne ge-
legt und ihre Schwester habe ihren dazugelegt.
Daraufhin habe der Wahlvorsteher, Ortsbürger-
meister Sulzbacher, erklärt, daß der Brief ihrer
Schwester nicht in die Wahlurne gelegt werden
könne, weil sie ihrer Schwester bei der Abgabe
der Stimme behilflich gewesen sei. Daraufhin
habe sie erklärt, daß sie den Wahlbrief mit nach
Hause nehmen würde. Sie sei der Auffassung,
daß der Wahlvorsteher nicht richtig gehandelt
habe und daß ihre Schwester berechtigt gewesen
sei, an der Wahl teilzunehmen. Ihre Schwester
stehe nicht unter Pflegschaft
Der Ortsbürgermeister Sulzbacher, zugleich
Wahlvorsteher der Ortsgemeinde Woppenroth,
hat am 16. Oktober 1980 zu Protokoll gegeben, die
Einspruchsführerin sei mit ihrer Schwester ge-
meinsam in das Wahllokal gekommen. Beiden
sei je ein Stimmzettel und ein Wahlumschlag
ausgehändigt worden. Die Einspruchsführerin
habe sich in die Kabine begeben, während ihre
Schwester davor stehen geblieben sei. Nach
mehrmaliger Aufforderung durch ihn an Ella
Schuch habe sie keine Wahlkabine auf gesucht.
Die Einspruchsführerin habe sich in der Wahlka-
bine umgedreht, ihre Schwester am Arm gegrif-
fen und sie ruckartig in die Kabine gezogen. Er
habe die Einspruchsführerin darauf aufmerk-
sam gemacht, daß dies nicht zulässig sei und daß
er den Stimmzettel der Frau Ella Schuch nicht
zulasse, wenn sie keine Wahlkabine aufsuche.
Daraufhin habe die Einspruchsführerin erklärt:
„Das machen wir wie wir wollen”. Wer den
Stimmzettel gekennzeichnet habe, sei ihm unbe-
kannt, da er keine Einsicht in die Kabine gehabt
habe. Den Stimmzettel der Frau Ella Schuch
habe er deshalb nicht zur Wahl zugelassen.
Diese Erklärung entspricht im wesentlichen ei-
nem Vermerk, der außer vom Wahlvorsteher
auch von seinem Stellvertreter Becker und von
einem Beisitzer Fram unterschrieben ist.
In dem Schreiben der Verbandsgemeindeverwal-
tung vom 5. November 1980 wird nach erneuter
Darlegung des Rechtsstandpunktes ergänzend
darauf hingewiesen, Frau Ella Schuch habe dem
Wahlvorsteher nicht mitgeteilt, daß sie sich einer
Person ihres Vertrauens bedienen wolle. Außer-
dem sei Frau Ella Schuch nicht körperlich, son-
dern geistig behindert und nicht in der Lage zu
erfassen, was die Stimmabgabe bedeute. Sie
könne zwar lesen, erwecke jedoch den Eindruck,
daß sie den Sinn des Gelesenen nicht erfasse.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer Öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
49
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Die Schwester der Einspruchsführerin, Frau Ella
Schuch, war gemäß § 12 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) wahlberechtigt, da sie gemäß § 13 BWG nicht
vom Wahlrecht ausgeschlossen war. Dies ergibt sich
daraus, daß sie in das Wählerverzeichnis der für sie
zuständigen Gemeinde eingetragen war. Es ist nicht
Aufgabe des jeweiligen Wahlvorstandes, darüber zu
befinden, ob, ohne daß die Voraussetzungen des § 13
BWG vorliegen, der Wahlberechtigte „geistig behin-
dert und nicht in der Lage (ist) er erfassen, was die
Stimmabgabe bedeutet.“ Aus diesen Gründen jeden-
falls hatte der Wahlvorsteher nicht das Recht, den
Wahlumschlag der Schwester der Einspruchsführe-
rin zurückzuweisen.
§ 56 Abs. 2 Satz 2 der Bundeswahlordnung (BWO) be-
stimmt zwar, daß der Wahlvorstand darauf zu ach-
ten hat, daß sich immer nur ein Wähler und dieser
nur so lange wie notwendig, in der Wahlzelle auf hält.
§ 57 Abs. 1 BWO legt jedoch fest, daß ein Wähler, der
des Lesens unkundig oder durch körperliche Gebre-
chen behindert ist, den Wahlstimmzettel zu kenn-
zeichnen, in den Wahlumschlag zu legen, diesen
selbst in die Wahlurne zu legen oder dem Wahlvor-
steher zu übergeben, eine Person seines Vertrauens
bestimmen kann, deren er sich bei der Stimmabgabe
bedienen will. Dem Wahlvorstand ist dies bekannt-
zumachen. § 57 Abs. 2 BWO legt fest, daß sich die Hil-
feleistung auf die Erfüllung der Wünsche des Wäh-
lers zu beschränken hat. Die Vertrauensperson darf
jedoch gemeinsam mit dem Wähler die Wahlzelle
aufsuchen, soweit das zur Hilfestellung erforderlich
ist.
Selbst wenn unterstellt wird, daß es die Schwester
der Einspruchsführerin unterlassen hat, darauf hin-
zuweisen, sie bediene sich ihrer Schwester als Ver-
trauensperson bei der Wahlhandlung, hätte der
Wahlvorsteher, wenn er das Verhalten der Ein-
spruchsführerin und ihrer Schwester nicht als kon-
kludente Bekanntgabe der Vertrauensperson anse-
hen wollte, die Möglichkeit gehabt, die entspre-
chende Erklärung abzufragen oder je nach Umstän-
den die Einspruchsführerin bzw. ihre Schwester auf
die Möglichkeit des § 56 Abs. 8 BWO aufmerksam
machen können, wonach sie nach Zurückweisung
gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 4 auf Verlangen einen neuen
Stimmzettel bekommen könnte. Auch wenn in der
nicht ausdrücklichen Bekanntgabe der Vertrauens-
person gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BWO seitens der
Einspruchsfüherin bzw. ihrer Schwester ein Mitver-
schulden am Ausschluß des Wahlrechts der Schwe-
ster der Einspruchsführerin gesehen werden muß,
hat zu dem Ausschluß auch das Verhalten des Wahl-
vorstehers beigetragen.
Da dieser Wahlfehler jedoch angesichts des Stim-
menverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung im 9. Deutschen Bundestag haben konnte
[seit BVerfGE 4, 370 (372 f.) ständige Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der
Bundestag angeschlossen hat], war der Einspruch
im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
50
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 21
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 49/80 — der Frau Irene Kat-
harina Danullis, wohnhaft: Rethelstraße 8, 4000 Düsseldorf,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1980 an das Bun-
despräsidialamt, das von dort am 27. Oktober
1980 an den Deutschen Bundestag weitergeleitet
wurde, teilt die Einspruchsführerin mit, bedingt
durch ihren Urlaub habe sie sich für die Brief-
wahl entscheiden müssen. Am 10. September
1980 sei ihr die Wahlbenachrichtigung zugegan-
gen. Diese habe sie ordnungsgemäß mit der
Schreibmaschine ausgefüllt und noch am glei-
chen Tage abgesandt. Am 3. Oktober 1980 sei der
Luftpostbrief (Poststempel 15. September 1980)
bei ihr am Urlaubsort eingetroffen. Der Brief sei
vom Wahlamt falsch adressiert worden, so daß
dieser erst in Italien gewesen und dann nach
Spanien weitergeleitet worden sei. Dadurch habe
sie nicht an der für sie wichtigen Wahl teilneh-
men können. Sie bitte deshalb um eine entspre-
chende Erklärung.
Der ihrem Schreiben beigefügte Luftpostbrief
enthält folgende handschriftliche Anschrift:
„Danullis, Irene Katharina
Torre del Mar/Malaga
Edificio Casa Roma VIII (Lahnstein)
Italia.“
Auf entsprechende Anfrage durch den Wahlprü-
fungsausschuß teilte die Einspruclisführerin am
10. November 1980 mit, daß sie ihr Schreiben vom
16. Oktober 1980 als Einspruch behandelt sehen
wolle, da durch das Verhalten des Wahlamtes der
Stadt Düsseldorf ihr eine Wahlbeteiligung un-
möglich gewesen sei.
Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat auf Auffor-
derung des Wahlprüfungsausschusses am 3. De-
zember 1980 zu dem Vorbringen der Einspruchs-
führerin Stellung genommen. Es sei richtig, daß
Frau Danullis sofort nach Erhalt der Wahlbe-
nachrichtigung ihren Antrag auf Ausstellung ei-
nes Wahlscheines übersandt habe. Das Wahlamt
habe mit Datum vom 12. September 1980 den
Wahlschein an die von Frau Danullis genannte
Adresse gesandt. Da jedoch ein Land nicht ange-
geben worden sei, habe eine Mitarbeiterin des
Wahlamtes in Unkenntnis der geographischen
Lage der angegebenen Adresse, vielleicht irrege-
leitet durch die Bezeichnung „Casa Roma“, den
Wahlschein an die von Frau Danullis genannte
Anschrift, jedoch mit der Landesbezeichnung
„Italia“ abgeschickt.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 28 Abs. 4 der Bundeswahlordnung (BWO)
übersendet die Gemeindebehörde dem Wahlberech-
tigten Wahlschein und Briefwahlunterlagen mit der
Luftpost, wenn sich aus seinem Antrag ergibt, daß er
aus einem außereuropäischen Gebiet wählen will,
oder wenn die Verwendung der Luftpost sonst gebo-
ten erscheint. Dieser Verpflichtung ist die zustän-
dige Gemeinde nachgekommen. Wenn auch nach
der Neufassung der Bundeswahlordnung gemäß § 28
Abs. 9 BWO das Risiko für den rechtzeitigen Zugang
der Briefwahlunterlagen nicht mehr wie in § 25
Abs. 8 BWO a. F. der Wahlberechtigte trägt, sondern
§ 28 Abs. 9 BWO nunmehr vorschreibt, daß einem
Wahlberechtigten, der glaubhaft versichert, ihm sei
der beantragte Wahlschein nicht zugegangen, ein
neuer Wahlschein erteilt werden kann, kann diese
Neuregelung bezüglich der Verteilung des Risikos
für den betroffenen Wahlberechtigten nur dann von
Vorteil sein, wenn er tatsächlich noch in der Lage ist,
bis zum Tag vor der Wahl, 12.00 Uhr, einen neuen
Wahlschein zu beantragen.
Wurden deshalb die Briefwahlunterlagen irrtümli-
cherweise zunächst nach Italien geschickt, liegt
hierin sicher ein Wahlfehler, an dessen Zustande-
51
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
kommen die Einspruchsführerin jedoch nicht ganz
schuldlos ist, weil sie versäumt hat, bei ihrer Ur-
laubsadresse das Urlaubsland anzugeben. Auch bei
Unterstellung eines Wahlfehlers seitens der zustän-
digen Gemeinde kann der Einspruch keinen Erfolg
haben, weil dieser Wahlfehler angesichts des Stim-
menverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung im 9. Deutschen Bundestag haben konn-
te. Der Einspruch war daher gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPG als offensichtlich unbegründet zurückzuwei-
sen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
52
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 22
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 50/80 — der Frau Maria Else
Ludwig, wohnhaft: Stresemannallee 56 I, 2000 Hamburg 54,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit Schreiben vom 7. November 1980 an den Deut-
schen Bundestag hat Frau Maria Else Ludwig Wi-
derspruch gegen den Bescheid des Kreiswahlleiters
vom 19. September 1980 erhoben, weil sie nicht an
der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 habe teil-
nehmen dürfen. Ihrem Schreiben sind 18 Anlagen
beigefügt, die überwiegend im Zusammenhang mit
der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bei der
Deutschen Bundespost stehen. In der Folgezeit
übersandte die Einspruchsführerin dem Wahlprü-
fungsausschuß mit mehreren Schreiben ein Konvo-
lut von Unterlagen, die für die Wahlprüfung uner-
heblich sind.
Die Freie und Hansestadt Hamburg/Bezirksamt
Eimsbüttel hat mit Schreiben vom 18. November
1980 zu dem Vorbringen der Einspruchsführerin
mitgeteilt, der Antrag auf Eintragung in das Wähler-
verzeichnis sei abgelehnt worden, weil Frau Ludwig
gemäß Beschluß des Amtsgerichts Hamburg unter
Pflegschaft wegen geistiger Gebrechen stehe und
somit gemäß § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vom Wahlrecht ausgeschlossen sei. Gegen
diesen Bescheid habe Frau Ludwig Einspruch einge-
legt. Ihr sei erklärt worden, dieser Einspruch könne
nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie nach-
weisen könne, daß die Pflegschaft aufgrund ihrer
Einwilligung angeordnet worden sei und daß sie die-
ses durch Vorlage einer schriftlichen Bescheinigung
des zuständigen Vormundschaftsgerichts nachwei-
sen müsse. Frau Ludwig habe dazu erklärt, daß sie
nicht in der Lage sei, eine solche Bescheinigung vor-
zulegen. Die Einspruchsführerin habe auf einen ge-
sonderten Einspruchsbescheid verzichtet und am
17. September 1980 gleich Beschwerde durch Erklä-
rung zur Niederschrift eingelegt.
Mit Schreiben vom 19. September 1980 habe das Be-
zirksamt Eimsbüttel in seiner Eigenschaft als Ge-
meindebehörde über den Einspruch und zugleich als
zuständige Dienststelle des Kreiswahlleiters für den
Kreiswahlleiter über die Beschwerde entschieden
und die Beschwerde zurückgewiesen, weil die Vor-
aussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 3 des BWG nicht ge-
geben gewesen seien.
Auf Anfrage des Wahlprüfungsausschusses hat das
Amtsgericht Hamburg mit Schreiben vom 10. De-
zember 1980 mitgeteilt, daß für Frau Maria Else Lud-
wig die Pflegschaft durch Beschluß vom 19. März
1979 wegen geistiger Gebrechen aufgrund einer gut-
achtlichen Stellungnahme des Bezirksamtes Eims-
büttel, Bezirksgesundheitsamt, eingerichtet worden
sei. Die gegen diesen Beschluß eingelegte Be-
schwerde sei durch Beschluß des Landgerichts
Hamburg (IT 85/79) zurückgewiesen worden. Die
gegen diesen Beschluß eingelegte weitere Be-
schwerde sei durch Beschluß des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. September
1979 ebenfalls zurückgewiesen worden. Eine Einwil-
ligungserklärung des Pfleglings liege nicht vor.
Nach der Stellungnahme des Bezirksgesundheits-
amtes sei eine Verständigung mit Frau Ludwig über
das Wesen einer Pflegschaft nicht möglich gewe-
sen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist jedoch unzuläs-
sig.
Nach § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG) ist
vom Wahlrecht ausgeschlossen, wer entmündigt ist
oder wegen geistigen Gebrechens unter Pflegschaft
steht, sofern er nicht durch eine Bescheinigung des
Vormundschaftsgerichts nachweist, daß die Pfleg-
schaft aufgrund seiner Einwilligung angeordnet ist.
Für die Einspruchsführerin ist durch Beschluß des
Amtsgerichts Hamburg vom 19. März 1979 wegen
geistiger Gebrechen eine Pflegschaft angeordnet
worden.
Wie aus der Stellungnahme der Freien und Hanse-
stadt Hamburg/Bezirksamt Eimsbüttel und aus der
Mitteilung des Amtsgerichts Hamburg ersichtlich
ist, liegt eine Einwilligungserklärung des Pfleglings
nicht vor. Gemäß § 13 Nr. 2 BWG ist die Einspruchs-
führerin somit nicht wahlberechtigt. Dabei ist es un-
erheblich, unter welchen Umständen und in welchen
53
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Bereichen (in bezug auf welche Angelegenheiten)
die Pflegschaftsanordnung wegen geistigen Gebre-
chens erfolgt ist.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes können
nur Wahlberechtigte wirksam Einspruch gegen die
Gültigkeit einer Bundestagswahl einlegen. Da die
Einspruchsführerin — wie oben ausgeführt — vom
Wahlrecht ausgeschlossen ist, konnte ihr Schreiben
vom 7. November 1980 nicht als Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ge-
wertet werden.
Rechtsmittelbelehning
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
54
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 23
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 52/80 —
1. der Frau Maria Witzany,
2. des Herrn Wenzel Witzany,
3. des Herrn Wenzel Klaus Witzany,
wohnhaft: Ziegelgasse 16, 6920 Sinsheim,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Die Einspruchsführer haben mit folgendem
Schreiben vom 23. Oktober 1980 (Briefkopf: Wem
zel Witzany, Ziegelgasse 16, 6920 Sinsheim) die
Wahl zum 9. Deutschen Bundestag angefochten:
„Betrifft: Bundestagswahl vom 5, Oktober
1980
Sehr geehrter Herr Wahlleiter!
Bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980
wurden wir von Ihnen an der Ausübung unse-
res Wahlrechtes (Stimmenabgabe) abgewie-
sen. Da dies zu Unrecht passiert ist legen wir
hiermit Beschwerde ein und fechten die Wahl
an.
Hochachtungsvoll
Farn. Witzany”
Die Gemeinde Schefflenz hat diesen Einspruch
am 4. November 1980 zusammen mit einer Foto-
kopie der Seite 89 der Wählerliste für den Wahl-
bezirk HI dem Kreiswahlleiter des Wahlkrei-
ses 181 — Odenwald-Tauber — zugeleitet und
ausgeführt, die Eheleute Witzany seien in das
Wählerverzeichnis für den Wahlbezirk Unter-
schefflenz aufgenommen worden, da sie in
Schefflenz mit Hauptwohnsitz gemeldet gewe-
sen seien. Zwischenzeitlich seien die Eheleute
Witzany nach Sinsheim verzogen. Nach der Ein-
tragung in der Wählerliste seien für die Eheleute
Witzany Briefwahlunterlagen ausgestellt wor-
den. Am Wahltage hätten die Eheleute ihr Wahl-
recht jedoch persönlich ausüben wollen, sie seien
aber vom Wahlvorsitzenden nicht zur Stimmaus-
übung zugelassen worden, weil die Wählerliste
den Vermerk enthalten habe, daß ein Wahlschein
ausgestellt worden sei.
Aus der dem Schreiben beigefügten Fotokopie
der Seite 89 der Wählerliste für den Wahlbe-
zirk III ist ersichtlich, daß hinter den Namen
Witzany, Maria,
Witzany, Wenzel,
Witzany, Wenzel Klaus,
in der Spalte „Stimmabgabe” die Abkürzung
„Wsch.” vermerkt ist.
Der Kreiswahlleiter des Bundestagswahlkrei-
ses 181 — Odenwald-Tauber — hat mit Schreiben
vom 12. November 1980 den Einspruch dem Deut-
schen Bundestag zugeleitet. Zu dem Vorbringen
der Einspruchsführer teilt er mit, Familie Wit-
zany hätte zur Ausübung ihres Wahlrechts auf
Antrag vom Bürgermeisteramt Schefflenz Wahl-
scheine und Briefwahlunterlagen erhalten. Ohne
Vorlage bzw. Rückgabe der ausgestellten Wahl-
scheine hätten sie dann am Wahlsonntag in ei-
nem Wahllokal der Gemeinde Schefflenz wählen
wollen. Familie Witzany sei somit vom Wahlvor-
stand zu Recht zur Stimmabgabe im Wahllokal
nicht zugelassen worden.
Auf erneute Befragung seitens des Wahlprü-
fungsausschusses hat die Gemeinde Schefflenz
mit Schreiben vom 24. März 1981 ausdrücklich
mitgeteilt, die Eheleute Witzany hätten durch Ab-
gabe ihrer Wahlbenachrichtigungskarte die Aus-
stellung von Briefwahlunterlagen beantragt.
Dem Antrag sei entsprochen worden. Die Brief-
wahlunterlagen seien den Eheleuten Witzany am
24. September 1980 per Brief zugesandt worden.
Da die Eheleute Witzany zu diesem Zeitpunkt
vermutlich nicht mehr in Schefflenz wohnhaft
gewesen seien und die neue Anschrift nicht be-
kannt gewesen sei, bestehe die Möglichkeit, daß
die Briefwahlunterlagen an die Schefflenzer
Adresse gegangen und von den Eheleuten Wit-
zany nicht mehr in Empfang genommen worden
seien.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
55
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aus der in Fotokopie beigefügten Wählerliste geht
hervor, daß die Eheleute Witzany im Wählerver-
zeichnis eingetragen und somit wahlberechtigt wa-
ren. Der Vermerk „Wsch.” bedeutet, daß die Ein-
spruchsführer einen Wahlschein erhalten haben,
weshalb gemäß § 30 der Bundeswahlordnung (BWO)
ein entsprechender Vermerk in das Wählerverzeich-
nis aufgenommen werden mußte. Wer aber einen
Wahlschein erhalten hat, kann gemäß § 14 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) an der Wahl im Wahlkreis
teilnehmen durch Stimmabgabe in einem beliebigen
Wahlbezirk dieses Wahlkreises oder durch Brief-
wahl. Gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 2 BWO hat der Wahlvor-
stand jedoch einen Wähler zurückzuweisen, der kei-
nen Wahlschein vorlegt, obwohl sich im Wählerver-
zeichnis der Sperrvermerk gemäß § 30 BWO befin-
det. Aufgrund dieser Bestimmungen hatten die Ein-
spruchsführer nur die Möglichkeit, ihre Stimme per
Briefwahl abzugeben oder persönlich nach Vorlage
des von ihnen beantragten Wahlscheines. Die ge-
nannten Bestimmungen haben den Zweck, die Mög-
lichkeit einer Doppelwahl auszuschließen. Der
Wahlvorstand handelte daher korrekt, wenn er die
Einspruchsführer auf die rechtliche Situation hin-
wies und sie nicht zur Wahl ohne Vorlage des Wahl-
scheines (§ 56 Abs. 6 Nr. 2 i. V. mit § 59 BWO) zuließ.
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß die
Einspruchsführer trotz ihres Umzuges nach Sins-
heim aufgrund ihrer Eintragung in das Wählerver-
zeichnis der Gemeinde Schefflenz der Meinung wa-
ren, sie seien auch ohne Vorlage des Wahlscheines
zur Abgabe ihrer Stimme berechtigt, diesen Irrtum
müssen sich die Einspruchsführer jedoch selbst zu-
rechnen lassen.
Da somit ein Wahlfehler nicht feststellbar war, war
der Einspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG
als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
56
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 24
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 56/80 — des Herrn Dr. Wolf-
ram Rohde-Liebenau, wohnhaft: Eberlestraße 9, 8000 München 71,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
(am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 an das Kreis-
wahlamt der Stadt München hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
die Stadt München habe ihn aufgrund eines un-
zutreffenden Sachverhaltes nicht in das Wähler-
verzeichnis aufgenommen.
Bereits mit Schreiben vom 19. September 1980
hatte der Einspruchsführer zugleich im Namen
seiner Ehefrau Anke Rohde-Liebenau sich an
das Landeswahlamt in München gewandt und
Widerspruch dagegen eingelegt, daß er nicht in
das Wählerverzeichnis der Stadt München einge-
tragen worden war. Auf seinen Anruf vom
19. September 1980 sei ihm von einem Sachbear-
beiter und anschließend vom Behördenleiter mit-
geteilt worden, für ihn bestehe keine Möglichkeit
zur Teilnahme an der Wahl. Dazu weist er in sei-
nem Schreiben darauf hin, diese Behauptung, die
davon ausgehe, er hätte seinen Hauptwohnsitz
von München nach Berlin verlegt, sei falsch. Da
er Behörden nicht mit vorsorglichen Anträgen
etc. zu belasten pflege, habe er erst nach seiner
Rückkehr aus dem Urlaub feststellen können,
daß ihm keine Wahlbenachrichtigungskarte zu-
gestellt worden sei. Er halte den Hinweis auf an-
gebliches Fristversäumnis für unberechtigt und
stelle deshalb erneut den Antrag auf Aufnahme
in die Wählerliste und erhebe vorsorglich An-
fechtung gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl in
seinem Wahlbezirk.
Vom Kreiswahlleiter wurde dem Einspruchsfüh-
rer mit Schreiben vom 29. September 1980 mitge-
teilt, die Überprüfung seiner Angelegenheit habe
ergeben, daß dem Einspruch nicht entsprochen
werden könne. Eine Aufnahme in das Wählerver-
zeichnis von Amts wegen sei für die Bundestags-
wahl am 5. Oktober 1980 nicht möglich, da er
durch Erklärung gegenüber der Einwohnermel-
debehörde im Jahre 1979 seinen Wohnsitz in Ber-
lin zum Hauptwohnsitz und seine Münchener
Wohnung zur Nebenwohnung erklärt habe. Nach
§ 16 Abs. 2 der Bundeswahlordnung (BWO) wäre
die Aufnahme in das Wählerverzeichnis nur auf
Antrag möglich gewesen. Dieser Antrag auf Ein-
tragung hätte schriftlich bis spätestens zum
21. Tag vor der Wahl (14. September 1980) beim
Sachgebiet Wahlangelegenheiten des Kreisver-
waltungsreferates gestellt werden müssen (§ 18
Abs. 1 BWO). Diesem Antrag hätte eine Beschei-
nigung des zuständigen Bezirkseinwohnermel-
deamtes Berlin beigegeben werden müssen (§18
Abs. 2 Satz 1 BWO).
Sein Einwand, daß er bei den bisherigen Wahlen
Wahlbenachrichtigungskarten erhalten habe, sei
hierbei ohne Bedeutung, da er bis 1979 in Mün-
chen mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen und
somit von Amts wegen in die Wählerverzeich-
nisse aufzunehmen gewesen sei (§ 16 Abs. 1
BWO).
Abschließend heißt es in dem Schreiben, die vor-
stehende Beschwerdeentscheidung sei vorbe-
haltlich einer anderen Entscheidung im Wahl-
prüfungsverfahren endgültig (§ 22 Abs. 5 BWO).
Hinzugefügt wird der Satz, dieser Sachverhalt
treffe in vollem Umfang auch für seine Frau
zu.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 an das Kreis-
wahlamt (Einspruchsschreiben) wendet er sich
gegen diese Sachdarstellung und erklärt, die
Wahl anfechten zu wollen.
Mit Schreiben vom 14. November 1980 hat der
Kreiswahlleiter dieses Schreiben dem Deut-
schen Bundestag zugeleitet; es ging am 25. No-
vember 1980 beim Deutschen Bundestag ein. In
diesem Schreiben wird ergänzend darauf hinge-
wiesen, fernmündlich sei zwischenzeitlich mit
den zuständigen Meldebehörden in Berlin in die-
ser Sache Kontakt aufgenommen worden. Von
Berlin seien die Eintragungen in München bestä-
tigt worden; nach den Aufzeichnungen in Berlin
57
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
sei die gesamte Familie in Berlin mit Haupt-
wohnsitz gemeldet. Eine Eintragung ins Münche-
ner Wählerverzeichnis hätte somit nur auf An-
trag erfolgen können. Dem Einspruch vom
19. September 1980 gegen die nichterfolgte „auto-
matische” Eintragung ins Wählerverzeichnis sei
nicht abgeholfen worden, weil er verspätet einge-
legt worden sei.
Gemäß Auskunft des Polizeipräsidenten in Ber-
lin vom 2. Dezember 1980 ist der Einspruchsfüh-
rer mit seiner Familie seit dem 11. Juni 1969 in
Berlin 33, Reichensteiner Weg 19, mit Haupt-
wohnsitz gemeldet; als Nebenwohnung ist Mün-
chen vermerkt.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist formgerecht eingelegt worden; der
Wahlprüfungsausschuß hat ihn auch noch als recht-
zeitig eingelegt betrachtet
Gemäß § 2 Abs. 4 WPG muß ein Einspruch binnen ei-
nes Monats nach Bekanntmachung des Wahlergeb-
nisses beim Deutschen Bundestag eingegangen
sein. Da das Wahlergebnis am Freitag, dem 24. Okto-
ber 1980 vom Bundeswahlleiter in Nummer 200 des
Bundesanzeigers bekanntgemacht worden war, lief
die Frist am 24. November 1980, 24.00 Uhr, ab. Da
nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Weiter-
leitungsschreiben des Kreiswahlleiters der Landes-
hauptstadt München infolge des Streiks bei der
Deutschen Bundespost erst einen Tag nach Ablauf
der Einspruchsfrist (§ 2 Abs. 4 WPG) beim Deut-
schen Bundestag eingegangen ist, hat der Wahlprü-
fungsausschuß — da es im Wahlprüfungsrecht eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht geben
kann (vgl. Drucksache 8/3579, S. 47 f.) — es dahinge-
stellt sein lassen, ob in diesem konkret gelagerten
Fall der Einspruch schon als nicht mehr fristgerecht
und damit unzulässig zurückgewiesen werden müß-
te, Er ist jedoch nach Prüfung der Sach- und Rechts-
lage zu dem Ergebnis gekommen, daß der Einspruch
gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG offensichtlich unbe-
gründet ist.
Aufgrund der Mitteilung der Stadt München und der
Auskunft des Polizeipräsidenten in Berlin hat der
Einspruchsführer mit seiner Familie in Berlin sei-
nen Hauptwohnsitz und seine Nebenwohnung in
München. Gemäß § 16 Abs. 2 BWO sind auf Antrag in
das Wählerverzeichnis Wahlberechtigte gern. § 12
Abs. 1 BWG einzutragen, die ihren Hauptwohnsitz
im Land Berlin und eine Nebenwohnung im übrigen
Geltungsbereich des Bundeswahlgesetzes haben.
Dieser Antrag ist gemäß § 18 Abs. 1 BWO spätestens
bis zum 2 1 . Tag vor der W ahl bei der zuständigen Ge-
meindebehörde zu stellen.
Für Wahlberechtigte mit Hauptwohnsitz im Land
Berlin hat der Antragsteller gemäß § 18 Abs. 2 BWO
zusammen mit seinem Antrag auf Eintragung in das
Wählerverzeichnis der Gemeindebehörde gegen-
über durch Abgabe einer Erklärung den Nachweis
für das Innehaben einer Wohnung im Sinne des Mel-
derechts zu erbringen. Das für den Hauptwohnsitz
zuständige Bezirksamt (Bezirks-Einwohneramt) im
Land Berlin hat den Antrag auf Vollständigkeit zu
prüfen und zu bestätigen, daß der Antragsteller mit
Hauptwohnsitz im Land Berlin gemeldet ist, die
Wahlrechtsvoraussetzungen des § 12 BWG erfüllt
und nicht nach § 13 BWG vom Wahlrecht ausge-
schlossen ist. Außerdem muß angegeben werden,
welche Nebenwohnungen im Melderegister ver-
zeichnet sind.
Da der Einspruchsführer es unterlassen hat, den
entsprechenden Antrag form- und fristgerecht ein-
zureichen, ist die von der Stadtverwaltung München
getroffene Entscheidung unter wahlrechtlichen Ge-
sichtspunkten nicht zu beanstanden. Daß der Ein-
spruchsführer sich bei seinem Schreiben vom
19. September 1980 möglicherweise in einem Irrtum
bezüglich der melderechtlichen Vorgänge befand, ist
für diese Entscheidung ohne Bedeutung.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
58
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 25
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 3/80 — der Bürgerpartei —
Die Partei der Steuerzahler, vertreten durch den Bundesvorsitzenden,
Dipl.-Kaufmann Bolko Hoffmann, wohnhaft: 4630 Bochum, Post-
fach 102569
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 18. September 1980 an den
Bundeswahlleiter, das dieser dem Deutschen
Bundestag zugeleitet hat, hat der Bundesvorsit-
zende der Bürgerpartei, Dipl.-Kaufmann Bolko
Hoffmann, Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt
Zur Begründung des Einspruchs trägt er vor, der
Landeswahlleiter — gemeint ist offensichtlich
der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-
Westfalen — wäre verpflichtet gewesen, die
Staatsanwaltschaft in Bochum fachlich in der
Weise zu unterrichten, daß eine Wählertäu-
schung aufgrund der Abfassung des Unterschrif-
tenformblattes in der Strafanzeige gegen ihn gar
nicht möglich sei, und er hätte vor allen Dingen
verhindern müssen, daß das Wahlgeheimnis
durch Offenlegung der Unterschriftenblätter der
Bürgerpartei grob fahrlässig verletzt werden
konnte. Die Staatsanwaltschaft Bochum habe bei
ihm sogar eine Hausdurchsuchung durchgeführt,
obwohl der zuständige Staatsanwalt auf sein Be-
fragen erklärt habe, daß er das Unterschriften-
blatt vorher überhaupt noch nicht gesehen habe.
Dabei seien auch Unterlagen beschlagnahmt
worden, die in gar keinem Zusammenhang mit
der Untersuchung stehen konnten.
Anlaß der Untersuchung sei ein Satz in einem in-
ternen Schreiben, das an die Bundesvorstands-
und Landesvorstandsmitglieder gerichtet gewe-
sen sei und für den Außenstehenden aus dem Zu-
sammenhang gerissen, vielleicht hätte mißver-
ständlich sein können, jedoch nicht für die Bun-
des- oder Landesvorstandsmitglieder oder über-
haupt für Personen wie den Landeswahlleiter,
die mit den Wahlformalitäten vertraut seien.
Aus dem vom Einspruchsführer beigefügten Be-
schluß des Amtsgerichts Bochum ergibt sich, daß
die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
gegen den Einspruchsführer in seinem genann-
ten Schreiben an alle Landes- und Bundesvor-
standsmitglieder der Bürgerpartei enthaltene
Formulierung folgenden Wortlaut hatte:
„Schließlich zum z. Zt. wichtigsten Problem der
Unterschriftensammlung. Ich habe das Gefühl,
daß einige Bundes- und Landesvorstandsmit-
glieder die Sache als zu einfach einstufen und
damit kostbare Zeit verloren geht. Wir müssen
jetzt in jeder Woche 500 Unterschriften in je-
dem Land sammeln (Hamburg nur insgesamt
1 200, Saarland nur insgesamt . . ., Bremen nur
insgesamt 500) oder wir werden nicht zu den
Bundestagswahlen zugelassen und erleiden
damit ein ähnliches Schicksal wie die „Vierte
Partei” des Herrn Bahner bei den letzten Bun-
destagswahlen,
Dabei gehen einige von der Unterschriften-
sammlung m. E, nicht richtig vor. Der sinnvoll-
ste Weg ist, sich mit Info-Ständen in Fußgän-
gerzonen von Städten mit besonderen Pro-
blemen zu stellen (Kernkraftwerke, Mülldepo-
nien, Autobahnprojekte oder Ausländerkolo-
nien). Dabei ist es sehr wichtig zu sagen, wir
sammeln Unterschriften z. B. gegen eine Auto-
bahn, gegen die Einrichtung einer Mülldeponie
oder gegen eine Ausländerflut usw. Von der
Bürgerpartei sollten Sie so gut wie kaum etwas
erwähnen.
Natürlich gibt es auch andere Wege, aber die-
ser hat sich als der bisher erfolgreichste erwie-
sen.“
Der Einspruchsführer behauptet, es sei eine
schwere Verunglimpfung aufgrund des etwas un-
glücklich formulierten Briefes, das gesamte
Wahlgeheimnis der Bürgerpartei zu brechen,
eine erhebliche Zahl von Personen durch Krimi-
nalbeamte aufsuchen zu lassen und bei diesen
mit falschen Unterstellungen — wie in Essen
nachweislich geschehen — zu behaupten, in Bo-
chum sei eine Unkorrektheit geschehen, was
durch nichts bewiesen sei. Es bedeute eine erheb-
liche Benachteiligung der Bürgerpartei für die
59
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Bundestagswahlen, denn der Vorgang gehe ge-
rüchteweise nicht nur durch Essen, sondern auch
durch andere benachbarte Städte des Ruhrgebie-
tes.
Der Vorgang sei durch nichts gerechtfertigt, auch
nicht, wenn vielleicht das eine oder andere Un-
terschritte nblatt — was bei allen Parteien in ge-
ringer Zahl vorkomme — falsch sei. Er frage sich,
wie eine Partei, die an öffentlichen Info-Ständen
Unterschriften sammle, sich dagegen schützen
könne, daß von Personen vorsätzlich falsche An-
gaben gemacht würden oder — ein beliebtes Ver-
fahren der Konkurrenzparteien — , daß richtige
Angaben mit falschen Unterschriften versehen
würden. Die Bürgerpartei habe dagegen eine
ausreichende Überzahl von 160 Unterschriften
auf Empfehlung der Landeswahlleiter abgege-
ben. Der Gesetzgeber wolle ja im übrigen nur den
Nachweis, daß in etwa eine bestimmte Bevölke-
rungszahl eine Partei für wählbar halte; schon
aus diesem Grunde werde durch die von ihm dar-
gestellten Vorgänge grob fahrlässig das Wahlge-
heimnis verletzt.
Im übrigen müsse man den Eindruck haben, daß
durch diese Vorgänge die Bürgerpartei seitens
einer Behörde öffentlich bewußt verunglimpft
worden sei, um damit ihre Wahlchancen erheb-
lich einzuengen.
Mit einem Ergänzungsschreiben vom 31. Okto-
ber 1980 erklärt der Einspruchsführer unter Be-
zugnahme auf die von ihm dargestellten Vorgän-
ge, er sähe darin einen klaren Verstoß gegen das
Datenschutzgesetz und weist darauf hin, daß alle
Unterlagen bei den Staatsanwaltschaften in Bo-
chum, Essen, Düsseldorf und der Generalstaats-
anwaltschaft in Hamm beigezogen werden könn-
ten. Darüber hinaus werde die Wahl wegen des
Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz ange-
fochten, weil nachweislich Unterschriftenblätter
fotokopiert worden seien. Zum Beweis dieser Be-
hauptung fügt er Kopie eines Schreibens einer
Frau Hertha Verhoeven aus Rheinbach bei, in
dem diese dem Einspruchsführer mitteilt, ihre
Tochter Heike habe ihr berichtet, daß die Stadt
Rheinbach — Einwohnermeldeamt — Wahlamt
— von nachfolgenden Personen geleistete Unter-
schriften fotokopiert hätte: Hertha, Michael,
Uwe, Heike, Ullrich, Renate Verhoeven.
Beigefügt hat er diesem Schreiben ferner ein
Schreiben des Landesverbandes Baden-Würt-
temberg — Stellvertretender Landesvorsitzen-
der Erwin Brettschneider — vom 23. Oktober
1980 an den Einspruchsführer. In diesem Schrei-
ben wird u. a. behauptet, am 1. September 1980
seien im Rathaus in Konstanz Formulare der Un-
terstützungsunterschriften auf einer Datenliste
erfaßt worden. Außerdem sei eine Reihe von ver-
gessenen Unterstützungsunterschrifts-Formula-
ren zunächst zur Datenerfassung gegangen und
dann eine weitere Liste erstellt und bearbeitet
worden. Von der Gemeinde Mülheim sei eine
eingereichte Unterstützungsunterschrift vom
28. Juli 1980 erst am 5. September 1980 — Post-
stempel — zurückgeleitet worden. Von den Ge-
meinden Buchheim und Friedingen seien die ein-
gereichen elf und neun Unterstützungsunter-
schriften nicht zurückgeleitet worden. Schließ-
lich sei die Unterstützungsunterschrift vielfach
verweigert worden, weil die Bürger Befürchtun-
gen geäußert hätten, daß sie erfaßt würden.
Mit Schreiben vom 3. November 1980 hat der Ein-
spruchsführer ein Schreiben vom 15. Oktober
1980 des Kreisverbandes Bad Kreuznach-Birken-
feld der Bürgerpartei nachgereicht, in dem versi-
chert wird, daß bei der Stadtverwaltung in Bad
Kreuznach die Unterstützungsunterschriften für
die Bundestagswahl 1980 fotokopiert worden sei-
en. Die fotokopierten Unterstützungsunterschrif-
ten-Formulare seien alle in zwei Ordner gesam-
melt worden.
Mit Schreiben vom 10. November 1980 hat der
Einspruchsführer ein weiteres Schreiben des K.-
Bodo Kleeves nachgereicht, in dem dieser be-
hauptet, als er sich seinerzeit die Unterschriften
von seiner Frau und sich beim Einwohnermelde-
amt der Apehner Gemeinde habe bescheinigen
lassen, habe der Verwaltungsangestellte diese
Anmeldung fotokopiert und auf Protest hin er-
klärt, daß sei so von der Regierung in Oldenburg
angeordnet worden und diene dem Verfassungs-
schutz als Unterlage. Auch der Gemeindedirek-
tor hebe sich solche Unterlagen aus Interesse
auf.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Nicht nur die Durchführung, sondern bereits die
Vorbereitung der Wahl ist formalisiert und steht un-
ter dem besonderen Schutz strafrechtlicher Bestim-
mungen. Wenn für Kreiswahlvorschläge bzw. Lan-
deslisten von Parteien, die im Deutschen Bundestag
oder in einem Landtag seit deren letzter Wahl nicht
aufgrund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen
mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren,
die persönliche und handschriftliche Unterschrift
von mindestens 200 bzw. höchstens 2 000 Wahlbe-
rechtigten erforderlich ist [§ 18 Abs. 2 i. V. m. § 20
Abs. 2 und § 27 des Bundeswahlgesetzes (BWG) und
§ 34 Abs. 4 sowie § 39 Abs. 4 Bundeswahlordnung
(BWO)], so bedeutet es keine Verletzung wahlrecht-
licher Bestimmungen, wenn seitens der Strafverfol-
gungsbehörden Maßnahmen ergriffen werden, die
sichern sollen, daß die Bestimmungen des Bundes-
wahlgesetzes und der Bundeswahlordnung bei der
Vorbereitung der Wahl eingehalten werden.
Gemäß § 34 Abs. 4 bzw. § 39 Abs. 3 und 4 BWO sind
die gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 27 Abs. 1 BWG er-
forderlichen Unterschriften auf amtlichen Form-
blättern zu leisten, die auf Anforderung vom Kreis-
60
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Wahlleiter kostenfrei geliefert werden (§ 34 Abs. 4
Nr. 1 BWO). Im Kopf dieser Formblätter wird darauf
hingewiesen, daß jeder W’ahiberechtigte mit seiner
Unterschrift nur einen Kreiswahlvorschlag bzw. nur
eine Landesliste unterstützen darf und sich nach
§ 108 d i. V. mit § 107 a StGB strafbar macht, der
mehrere Kreiswahlvorschläge bzw. mehrere Lan-
deslisten unterzeichnet. Die Festlegung einer be-
stimmten Zahl von Unterschriften von Wahlberech-
tigten soll dazu dienen, daß sich nur solche „neue”
Parteien an der Wahl beteiligen, die in der Öffent-
lichkeit bereits eine gewisse Anhängerschaft unter
den Wählern gefunden haben. Darüber hinaus hat
diese vom Bundesverfassungsgericht für verfas-
sungsgemäß erklärte Regelung [BVerfGE 3, 19 (31)]
den Zweck, schon bei der Wahl einer Zersplitterung
der Stimmen und der Bildung von Zwergparteien
vorzubeugen [BVerfGE 41, 399, (421)]. Diese sich aus
den gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Ziele
können nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg
haben, wenn sie auch strafbewehrt sind. Hat aber
der Einspruchsführer selbst durch sein angezogenes
Schreiben mindestens den Anschein einer unzuläs-
sigen Beschaffung der erforderlichen Unterschrif-
ten erweckt, kann er sich nicht darauf berufen,
durch die Ermittlungsbehörden sei seiner Partei ein
erheblicher Nachteil entstanden. Soweit durch die
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn
seiner Partei überhaupt ein Nachteil entstanden ist,
hat er ihn selbst zu vertreten.
Wird aber durch die Unterschriftsklauseln in §20
Abs. 2 Satz 2 und § 27 Abs. 1 BWG der Grundsatz der
geheimen Wahl nicht verletzt, gilt dies auch, soweit
die Ermittlungsbehörden im Rahmen des Ermitt-
lungsverfahrens gegen den Einspruchsführer bei
Dritten Nachforschungen angestellt haben. Zwar
darf das Wahlgeheimnis nicht in einem weiteren
Umfang preisgegeben werden, als das Zulassungs-
verfahren für Wahlvorschläge erfordert. Die Unter-
zeichner von Wahlvorschlägen werden jedoch durch
das Wahlgeheimnis insoweit nicht geschützt, als das
Wahlverfahren eine Offenlegung ihrer Namen not-
wendig macht. Müssen sie somit hinnehmen, daß
ihre Unterschriften von anderen Wahlberechtigten
bzw. von Bediensteten der Gemeindebehörden zur
Kenntnis genommen werden, dann ist nicht als Ver-
letzung des Grundsatzes der geheimen Wahl anzuse-
hen, wenn Ermittlungsbeamte nachprüfen, ob die
Unterschriften unter Wahlvorschlägen ordnungsge-
mäß eingeholt worden sind oder nicht.
Aufgrund der Bestimmungen des Bundeswahlgeset-
zes und der Bunde swahlordnung kann auch in der
Überprüfung der Unterschriften für die Wahlvor-
schläge keine Verletzung des Datenschutzgesetzes
erblickt werden. Damit vermögen auch die weiteren
vom Einspruchsführer nachgereichten Schreiben
und die darin dargestellten Vorgänge den Einspruch
nicht zu begründen; abgesehen davon, daß ein Ver-
stoß gegen das Datenschutzgesetz nicht Gegenstand
einer Wahlprüfung sein kann. Aufgabe der Wahlprü-
fung ist es ausschließlich festzustellen, ob die Verlet-
zung wahlrechtlicher Bestimmungen bei der Wahl
auf die Mandatsverteilung von Einfluß war oder
hätte sein können.
Da eine Verletzung wahlrechtlicher Bestimmungen
nicht erkennbar ist, war der Einspruch im Sinne des
§ 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
61
Deutscher Bundestag — Q.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 26
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 6/80 — des Herrn
Hermann Fritz, wohnhaft: Markgrafenstraße 40, 7830 Emmendingen,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 21. September 1980, gerichtet
„an den Wahlausschuß des Deutschen Bundesta-
ges“, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bun-
destag eingelegt, im Betreff jedoch angegeben:
„Meine Wiedergutmachung”.
Da aus seinem Einspruchsschreiben nicht er-
sichtlich war, womit er seinen Einspruch begrün-
den wollte, — er nahm im wesentlichen auf sei-
nen Wiedergutmachungsfall Bezug — , wurde er
mit Schreiben vom 26. September 1980 gebeten,
seine Gründe für die Wahlanfechtung darzule-
gen.
In seinem Schreiben vom 8. Oktober 1980 nimmt
er zwar erneut auf seine Wiedergutmachungsan-
gelegenheit Bezug, bezeichnet sich als Opfer des
Nationalsozialismus, der eine „schäbige Bezah-
lung nach dem Kriegsfolgegesetz” erhalten habe
und erklärt, aus diesem Grunde habe er zur Bun-
destagswahl für „die Partei der aktiv. Wider-
standsgruppe gegen das III. Reich sprechen” wol-
len. Da man ihm das Sprechen im Rundfunk ver-
weigert habe, fechte er die Wahl an.
In einem weiteren Schreiben vom 24. Oktober
1980 läßt sich der Einspruchsführer erneut über
die Frage der Wiedergutmachung nazistischen
Unrechts aus, ohne weitere Gründe für seinen
W’^ahleinspruch vorzutragen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Voraussetzung eines Einspruchs ist ein konkreter
und substantiierter Sachvortrag. Da der Einspruchs-
führer mit Ausnahme der Behauptung, ihm sei das
Sprechen im Rundfunk verweigert worden, keine
konkreten Tatsachen vorträgt — ein Anspruch auf
Zuteilung einer Sendezeit während des Wahlkamp-
fes steht nur den an der Wahl beteiligten politischen
Parteien zu — , entsprechen seine Ausführungen
nicht der Substantiierungspflicht des § 2 Abs. 3
WPG. Wie das Bundesverfassungsgericht in einem
Wahlprüfungsbeschwerde-Verfahren festgestellt
hat, befreit der Grundsatz der Amtsermittlung den
Einspruchsführer nicht von der Darlegungslast
[BVerfGE 48, 271 (280)].
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
63
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 27
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 8/80 — des Herrn Rudolf
Werner, wohnhaft: Antoniusstraße 78, 6418 Hünfeld-Großenbach,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 habe
er im Stadtteil Großenbach feststellen können,
daß 60 Stimmen der Briefwahl nicht zu dem an-
teiligen Stimmergebnis vom Stadtteil angerech-
net worden seien. Diese 60 Briefwahlstimmen
hätten somit auch nicht die Endkontrolle im
Stadtteil Großenbach durchlaufen. Von einem
endgültigen und gültigen Wahlergebnis könne
daher keine Rede mehr sein.
Auf Aufforderung des Wahlprüfungsausschusses
vom 17. November 1980 hat die Stadt Hünfeld mit
Schreiben vom 27. November 1980 zu den Aus-
führungen des Einspruchsführers Stellung ge-
nommen und u. a, ausgeführt:
Die vom Beschwerdeführer gegebene Begrün-
dung sei nicht stichhaltig.
Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 BWG sei bestimmt, daß
Briefwahlvorsteher und Briefwahlvorstände für
jeden Wahlkreis für einzelne oder mehrere Ge-
meinden oder für jeden Kreis innerhalb des
Wahlkreises eingesetzt werden könnten. Der
Hessische Minister des Innern habe angeordnet
[§ 8 Abs. 3 Satz 2 BWG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Ver-
ordnung über die Zuständigkeit zur Bildung der
Wahlorgane für die Wahl des Deutschen Bundes-
tages vom 25. Februar 1980 (GVBl. I S. 85)], daß
bei jeder Gemeinde ein oder mehrere Briefwahl-
vorstände zu bilden seien.
Der Magistrat der Stadt Hünfeld habe entschie-
den, daß für den Bereich der Stadt ein Briefwahl-
vorstand gebildet werde. Von diesem seien dann
die 1 134 Briefwahlstimmen der Stadt Hünfeld
ausgezählt und dem Kreiswahlleiter gemeldet
worden.
Die Möglichkeit der Endkontrolle des Wahler-
gebnisses sei dem Einspruchsführer dadurch
entzogen gewesen, daß der Magistrat für den
Wahlbezirk Nr. 6 — Stadtteil Großenbach —
keinen besonderen Briefwahlvorstand gebildet
hatte.
Zu dieser Stellungnahme äußert sich der Ein-
spruchsführer mit Schreiben vom 18. Dezember
1980 und führt aus: Bürgermeister Dr. Fennel
gebe selbst zu, daß der Magistrat der Stadt Hün-
feld für den Wahlbezirk Nr. 6 — Stadtteil Großen-
bach — keinen besonderen Briefwahlvorstand
gebildet habe. Der zuständige Wahlvorsteher An-
ton Dörfler habe ihm erklärt, daß sich die 60
Briefwahlstimmen im Sack der Stadt Hünfeld
befänden. Durch den Verlust von diesen Stim-
men könne es nicht zu einem endgültigen noch
gültigen Wahlergebnis kommen. Aufgrund dieser
Tatsache vertrete er die Auffassung, daß nicht
alle Wahlbestimmungen eingehalten worden
seien.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Die Entscheidung der Stadt Hünfeld, für den Be-
reich dieser Stadt einen Briefwahlvorstand zu bil-
den, ist aufgrund der in der Stellungnahme der Stadt
Hünfeld genannten Rechtsvorschriften nicht zu be-
anstanden. Nach § 8 Abs. 3 BWG, der durch das
Fünfte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgeset-
zes vom 20. Juli 1979 in das Bundeswahlgesetz einge-
führt worden ist, kann die Landesregierung oder die
von ihr bestimmte Stelle durch besondere Anord-
nung die mit der Briefwahl zusammenhängenden
65
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
organschaftlichen Aufgaben in Abweichung von der
Regelung des § 8 Abs. 1 BWG, wonach grundsätzlich
mindestens ein Briefwahlvorsteher und ein Brief-
wahlvorstand für jeden der 248 Bundestagswahl-
kreise zu bilden ist, Briefwahlorganen auf Gemein-
de- oder auf Kreisebene zuweisen. Zur Ermittlung
und Feststellung der Briefwahlergebnisse können
danach anstelle von Briefwahlorganen auf der
Ebene der Wahlkreise des jeweiligen Landes ein
Briefwahlvorsteher und ein Briefwahlvorstand oder
mehrere Briefwahlvorsteher und mehrere Brief-
wahlvorstände entweder für einzelne Gemeinden
oder für mehrere Gemeinden zusammen oder für je-
den Kreis innerhalb eines Wahlkreises gebildet wer-
den. Wieviel Briefwahlvorstände in den einzelnen
Gemeinden oder Kreisen zu bilden sind, damit das
Ergebnis der Briefwahl noch am Wahltage festge-
stelltwerden kann, entscheidet die Landesregierung
oder die von ihr bestimmte Stelle (§ 8 Abs. 3 BWG).
Da der Magistrat der Stadt Hünfeld aufgrund der
Anordnung des Hessischen Ministers des Innern für
die Stadt Hünfeld entschieden hatte, nur einen
Briefwahlvorstand zu bilden, waren alle Wahlbriefe
gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 BWO an die Gemeinde Hün-
feld zu richten. Da für den Wahlbezirk 6 — Stadtteil
Großenbach — kein gesonderter Briefwahlvorstand
gebildet war, konnte höchstens aufgrund der Ver-
merke im Wählerverzeichnis für diesen Wahlbezirk
festgehalten werden, wie viele Wähler von der Mög-
lichkeit zur Briefwahl Gebrauch machen wollten,
aber nicht festgestellt werden, wer von dieser einge-
räumten Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch ge-
macht hat. Mußten aufgrund des § 66 Abs. 2 BWO
alle Wahlbriefe direkt an die Gemeinde Hünfeld ge-
richtet werden, unterlagen diese Wahlbriefe nicht
der Kontrolle durch den Wahlvorstand des Wahlbe-
zirkes Nr. 6 — Stadtteil Großenbach — .
Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der
Einspruchsführer aufgrund der Unkenntnis über die
Rechtsgrundlagen und die daraus zu ziehenden
Rechtsfolgen von der Annahme ausgeht, die im
Wählerverzeichnis des Wahlbezirks Nr. 6 — Stadt-
teil Großenbach — als Briefwähler ausgewiesenen
Wahlberechtigten hätten ihre Wahlbriefe auch dem
Wahlvorstand dieses Stadtteiles zuleiten müssen.
Da aufgrund der Stellungnahme der Stadt Hünfeld
davon auszugehen ist, daß auch die Wahlbriefe des
Wahlbezirks 6 — Stadtteil Großenbach — ordnungs-
gemäß der Gemeinde der Stadt Hünfeld zugeleitet
wurden, vermag der Wahlprüfungsausschuß keinen
Wahlfehler festzustellen, weshalb der Einspruch im
Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen war.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
66
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 28
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 9/80 — des Diplom-Inge-
nieurs Joachim Goepfert, wohnhaft; Taubenweg 21, 3014 Laatzen 1,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen;
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit einem Telegramm vom 7. Oktober 1980, er-
gänzt durch ein Schreiben vom 22. Oktober 1980
an den Bundeswahlleiter, die dieser dem Deut-
schen Bundestag zugeleitet hat, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Nach Bestätigung des Eingangs seines Ein-
spruchs beim Deutschen Bundestag hat er seine
Einspruchsbegründung mit Schreiben vom 7. De-
zember 1980 konkretisiert und diesem Schreiben
statistisches Material sowie Kopien von Zei-
tungsausschnitten beigefügt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er
vor;
Das Wahlergebnis für die Bundestagswahl vom
5. Oktober 1980 sei durch Wählertäuschung zu-
stande gekommen. Da nur jeder sechste Wahl-
bürger, wie aus Zeitungsberichten bekannt sei,
die Bedeutung der Zweitstimme gekannt habe,
sei es der FDP aufgrund ihrer Wahlpropaganda
gelungen, der SPD, CDU/CSU, den Grünen und
der DKP bundesweit bezüglich der Zweitstim-
men erhebliche Verluste zuzufügen. Während
die genannten vier Parteien an Erststimmen
1256447 Stimmen verloren hätten, habe die FDP
an Zweitstimmen 1309751 Stimmen dazugewon-
nen, das seien 53 304 Stimmen mehr als die vier
Parteien eingebüßt hätten.
Dieser FDP-Zugewinn beruhe deshalb auf Roß-
täuscher-Tricks, Halbwahrheiten, Halblügen,
Mißbrauch der Wähler, vor allem der Uninfor-
miertheit, Ausnutzung der Tatsache, daß die Un-
terteilung in Erst- und Zweitstimmen vom Ge-
setzgeber seinerzeit unglücklich und verwirrend
vorgenommen worden sei.
Der Einspruchsführer stellt den Antrag;
— Nur die Erststimmen zu werten, sowohl für
die Direktkandidaten als auch für die prozen-
tuale Sitzverteilung,
— die Zweitstimme für ungültig zu erklären.
Oder hilfsweise:
Das gesamte Wahlergebnis für nichtig zu er-
klären und die sich daraus ergebenden
Schritte einzuleiten.
Zusätzlich;
Die Wahlgeldzuschüsse nach den Erststim-
men aufzuteilen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
In § 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) hat der Ge-
setzgeber die Zusammensetzung des Deutschen
Bundestages und die Wahlrechtsgrundsätze festge-
legt, die für die Zusammensetzung des Deutschen
Bundestages entscheidend sind. Danach sind die
Mitglieder des Deutschen Bundestages „nach den
Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbunde-
nen Verhältniswahl” zu wählen. Diese Grundsätze
werden in § 1 Abs. 2 BWG normiert, wonach die
Häfte der Mitglieder des Bundestages als Direktbe-
werber auf der Grundlage von Vorschlägen in den
Wahlkreisen nach den Grundsätzen der relativen
Mehrheitswahl (§ 5 Abs. 1 BWG), die übrigen nach
„gebundenen” Landeslisten der Parteien in den Län-
dern nach den Grundsätzen der Verhältniswahl —
Proportionalwahl — über Landeslisten gewählt wer-
den.
Der Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung der ver-
schiedenen Wahlsysteme - Mehrheitswahl bzw. Ver-
hältniswahl — verpflichtet, diese einheitlich und fol-
gerichtig auszugestalten; er darf insbesondere keine
strukturwidrigen Elemente einführen [BVerfGE 11,
351 (362)]. Danach ist zwar jede Vermischung von
67
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Wahlsystemen, die deren Grundsätze verunklärt,
unzulässig, nicht jedoch ein System, das nebenein-
ander, aber getrennt zwei verschiedene Wahlsy-
steme für Teile der zu wählenden Abgeordneten zur
Anwendung bringt. Das Bundeswahlgesetz enthält
in § 1 Abs. 1 Satz 2 eine solche Kombination, deren
Ausgestaltung im Bundeswahlgesetz vom Bundes-
verfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als
verfassungskonform beurteilt worden ist [BVerf-
GE 41, 399 (423)].
Auch der in § 6 Abs. 2 BWG geregelte „Verhältnis-
ausgleich”, wonach der für jede Landesliste ermittel-
ten Abgeordnetenzahl die Zahl der von der Partei in
den Wahlkreisen des betroffenen Landes errunge-
nen Wahlkreissitze abgezogen werden, ist nach stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts verfassungskonform. Nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts kommt es allein darauf
an, daß „dem prinzipiellen Gebot des gleichen Er-
folgswertes jeder Wähler stimme als der spezifi-
schen Ausprägung, die die Wahlrechtsgleichheit un-
ter dem Verhältniswahlsystem erfährt”, Rechnung
getragen wird [BVerfGE 11, 351 (362)].
Kann der Einspruch daher nicht auf die Verfas-
sungswidrigkeit der Ausgestaltung der Wahlrechts-
grundsätze im Bundeswahlgesetz gestützt werden,
reicht auch der Hinweis auf die Ausnutzung der im
Bundeswahlgesetz eingeräumten Möglichkeiten für
die Wahlvorschlagsträger bzw. Wähler nicht aus, den
Wahleinspruch zu begründen.
Nicht erst bei der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
ist von allen politischen Parteien, die an den Bundes-
tagswahlen teilnahmen, auf die Bedeutung der
Zweitstimmen hingewiesen worden. Entsprechende
Hinweise enthielten auch politische Sendungen in
den Medien oder Beiträge in den Publikationen, so-
weit sie sich mit den bevorstehenden Wahlen befaß-
ten. Wenn gleichwohl ein Teil der Wähler in Un-
kenntnis der Rechtslage bei der Abgabe der Stimme
der Zweitstimme nicht die Bedeutung beigemessen
haben sollte, die ihr nach dem Bundeswahlgesetz zu-
kommt, so kann diese Unkenntnis nicht als ausrei-
chende Begründung eines Wahleinspruchs angese-
hen werden. Auch wenn politische Parteien oder
Gruppen hauptsächlich um Zweitstimmen werben,
ganz gleich in welcher Form, weil sie aufgrund vor-
angegangener Wahlen kaum in der Lage sind, Di-
rektbewerber aufgrund der Erststimmen durchzu-
bringen, kann darin keine unzulässige, eine Wahlan-
fechtung begründende Wahlpropaganda gesehen
werden.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
68
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 29
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.; WP 13/80 — des Herrn H. Ruff,
wohnhaft; Am Mühlenteich 39, 2160 Stade,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutschen Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1980 an den Kreis-
wahlleiter, das über den Niedersächsischen
Landeswahlleiter und den Bundeswahlleiter
dem Bundestag zugeleitet wurde, hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Da sein Einspruch nur aus dem Satz „Gegen die
Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 erhebe ich
Einspruch” besteht, wurde dem Einspruchsfüh-
rer mit Schreiben vom 15. Oktober 1980 vom
Wahlprüfungsausschuß mitgeteilt, nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
müsse die Begründung mindestens den Tatbe-
stand, auf den die Anfechtung gestützt werde, er-
kennen lassen und genügend substantiierte Tat-
sachen enthalten. Es wurde ihm anheimgestellt,
unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt seinen
Einspruch zu prüfen und ggf. von der Möglichkeit
Gebrauch zu machen, den Einspruch zurückzu-
nehmen oder ihn zu konkretisieren.
Aufgrund dieses Schreibens teilte der Ein-
spruchsführer mit Schreiben vom 6. November
1980 mit:
„Meinen Widerspruch gegen die Bundestagswahl
halte ich aufrecht”.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 2
und 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zwar frist-, aber nicht formgerecht
beim Deutschen Bundestag eingegangen; er ist aus
diesem Grunde unzulässig.
Obwohl dem Einspruchsführer mit Schreibern vom
15. Oktober 1980 Gelegenheit gegeben wurde, seinen
Einspruch zu begründen, hat er von dieser Möglich-
keit keinen Gebrauch gemacht und damit dem Man-
gel im Sinne des § 2 Abs. 3 WPG nicht abgeholfen.
Gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPG erfolgt die Wahlprü-
fung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen
und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
[vgl. BVerfGE 40, 11 (30); 48, 271 (276)].
Da ein nicht begründeter Einspruch als unzulässig
zurückzuweisen ist (s. Seifert, Bundeswahlrecht,
3. Aufl., S. 383), hat der Ausschuß im Sinne des § 6
Abs. 1 a Nr. 2 WPG entsprechend beschlossen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
69
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 30
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 15/80 — des Herrn
Franz Haase, wohnhaft: Königsberger Straße 2, 2139 Sittensen
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässsig zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1980, ergänzt
durch ein Schreiben vom 21. Oktober 1980, hat
der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gül-
tigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor, er habe bei der
Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 erstmalig
sich aktiv am Wahlkampf beteiligt, sei jedoch
durch Geheimpolizisten im Wahlkampf behin-
dert worden. Die weitere Begründung besteht
aus Beleidigungen von Verfassungsorganen und
antisemitischen Hetzparolen; darüber hinaus
verwendet er in seinem zweiten Schreiben Nazi-
symbole.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 2
und 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der
Anberaumung einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen, er ist jedoch unzu-
lässig.
Abgesehen davon, daß der Einspruchsführer seiner
Begründungspflicht nicht nachgekommen ist —
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts muß die Begründung mindestens den Tat-
bestand, auf den die Anfechtung gestützt ist, erken-
nen lassen und genügend substantiierte Tatsachen
enthalten [BVerfGE 40, 11 (30); 48, 271 (276)] — ,
weshalb der Einspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3
WPG als offensichtlich unbegründet zurückgewie-
sen werden könnte, hat der Wahlprüfungsausschuß
aufgrund der Beleidigungen und Ausfälle in den
Schriftstücken des Einspruchsführers, welche die
gerade noch vertretbaren Grenzen bei weitem über-
schreiten, beschlossen, seinen Wahleinspruch als
unzulässig zurückzuweisen. Da die Beleidigungen
nicht nur als nebenbei gemacht anzusehen sind, son-
dern den Hauptteil seiner Schriftsätze ausfüllen,
sieht der Wahlprüfungsausschuß Parallelen zu den
Grenzen der Erledigungspflicht bei Beleidigungen
des Petitions adressaten. Der Ausschuß kann auf-
grund der Schwere der Beleidigungen und Ausfälle
dem Einspruchsführer einen selbständigen Recht-
fertigungsgrund nicht zuerkennen (vgl. auch
Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum
Grundgesetz, Artikel 17 RandNr. 45 ff).
Der Einspruch war deshalb im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 2 WPG als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
71
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 31
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.; WP 16/80 — der Frau Elisabeth
Mackert, wohnhaft: Bruderhof Straße 80, 7700 Singen/Htw.,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 21. September 1980 hat die
Einspruchsführerin Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl des Direktkandidaten im Wahl-
kreis 191 — Konstanz — eingelegt.
Zur Begründung ihres Einspruchs, in dem sie
auf ihr Schreibern vom 29./30. November 1979 an
den Regierungspräsidenten in Freiburg Bezug
nimmt, führt sie aus, der bisherige Wahlkreisab-
geordnete des Wahlkreises Konstanz habe sein
Amt zur vollsten Zufriedenheit der Bürger ge-
führt. Sein Nachfolger in diesem Wahlkreis habe
seinen Vorgänger dadurch getäuscht, daß er vor-
gegeben habe, nicht gegen ihn zu kandidieren.
Da die Qualifikation eines Abgeordneten äußerst
wichtig sei, vertrete sie die Auffassung, daß der
im Wahlkreis Konstanz — 191 — gewählte Abge-
ordnete hinsichtlich seiner Erfahrung seinem
Vorgänger nicht das Wasser reichen könne.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses
können Anfechtungen einer Wahl auch bereits vor
dem Wahltag eingereicht werden, wenn sie Mängel
bei der Wahlvorbereitung zum Gegenstand haben.
Die Ausschlußfrist des § 2 Abs. 4 WPG — binnen ei-
nes Monats nach Bekanntmachung des Wahlergeb-
nisses — dient nur dem öffentlichen Interesse an ei-
ner alsbaldigen Klarheit über die Gültigkeit der
Wahl.
Der Einspruch kann somit als fristgerecht angese-
hen werden; die Ausführungen der Einspruchsfüh-
rerin können jedoch einen Einspruch gegen die
Wahl nicht begründen. Die Einspruchsführerin hat
keine Formfehler bei der Vorbereitung der Wahl
vorgetragen, die geeignet gewesen wären, das Wahl-
ergebnis zu verfälschen. Subjektive Vorstellungen
von Wahlberechtigten über die Qualifikation eines
Direktbewerbers vermögen deshalb einen Wahlein-
spruch nicht zu begründen.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannnten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
73
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 32
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 19/80 — des Herrn
Joachim Rector, wohnhaft: Benediktiner Weg 26, 7972 Isny/ Allgäu,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen
„Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Zur Begründung seines Einspruchs tragt er vor:
„Im Verlauf der Vorbereitungen für eine Bundes-
tagswahl, welche für die wählbaren Bürger und
auch für die wahlberechtigten Bürger mit Recht
den Anspruch auf — Gleichheit — der Chancen
vor dem Gesetz erwarten darf”, habe es sich
offensichtlich herausgestellt, daß dieses Grund-
recht der Gleichheit vor dem Gesetz einmal für
den Einzelbewerber als Direktkandidat und ein-
mal für die wahlberechtigten Bürger — welche
durch mangelnde Informationen über den Di-
rektkandidaten als Einzelbewerber und über
seine politischen Zielsetzungen ihres Grund-
rechts auf Wahlinformation beraubt blieben —
nicht gewährleistet worden sei. So sei der bereits
für den Druckabzug fertige Vorstellungsbericht
in der Schwäbischen Zeitung, Biberach, über den
Einspruchsführer als Einzelbewerber nicht ver-
öffentlich worden. Er vertrittt die Auffassung,
selbstverständlich sei die freie Presse auch inso-
weit frei, Wahlinformationen eines amtlich zuge-
lassenen Direktkandidaten nicht zu veröffentli-
chen, aber für diesen Eventualfall hätte der Ge-
setzgeber zumindest den Bundesw’^ahlleiter, die
Landeswahlleiter und auch die Kreiswahlleiter
gesetzlich bevollmächtigen müssen, die Wahlin-
formation des Direktkandidaten bzw. die Infor-
mation über den Einzelbewerber auf dem Weg
der „Amtlichen Bekanntmachung zur Bundes-
tagswahl” an den wahlberechtigten Bürger ge-
langen zu lassen. In dieser Unterlassung sieht er
einen Verstoß des Gleichheitssatzes sowie eine
Verletzung der Grund- und Menschenrechte.
Er beantragt, eine Neuwahl zum 9. Deutschen
Bundestag im gesamten Bundesgebiet bzw. hilfs-
weise im Wahlbezirk 196 — Biberach — anzuord-
nen. Ergänzend beantragt er, die Wahlwerbeko-
sten als Schadensersatzanspruch anzuerken-
nen.
Für den Fall, daß die Mitglieder des Wahlprü-
fungsausschusses sich wegen der gegen den Ge-
setzgeber erhobenen Vorwürfe selbst für befan-
gen erachten oder erklären sollten, solle der Bun-
destag beschließen, die Wahlprüfung dem Verfas-
sungsorgan des Bundespräsidenten zu überge-
ben.
In einem weiteren Schreiben vom 9. November
1980 erklärt der Einspruchsführer, der Einzeibe-
werber habe auch gegenüber dem Direktkandi-
daten einer Partei nicht die Chancengleichheit
der Vor-Finanzierung seiner Wahlwerbekosten.
Es könne nicht bei jedem Einzelbewerber vor-
ausgesetzt werden, daß er mindestens Fabrikbe-
sitzer sei, dessen 20000 Mitarbeiter ihm in jedem
Falle auch die 10-Prozent-Hürde der Rückerstat-
tungsberechtigung zu nehmen garantiere. Für
seine Auffassung beruft er sich auf die „Unge-
teiltheit und Einklagbarkeit des Internationalen-
Menschenrechtes für alle Deutschen”, es sei des-
halb auch Verpflichtung des Bundesverfassungs-
gerichts, der Bundesregierung die Auflage zu er-
teilen, die Einklagbarkeit des internationalen
Menschenrechtes für alle Bürger der KSZE-Un-
terzeichnerstaaten auf der Nachfolge-Konferenz
in Madrid als unverzichtbare Forderung zu stel-
len und dem Deutschen Bundestag die Auflage
zu erteilen, das „Internationale-Menschenrecht”
unverzüglich zum einklagbaren Menschenrecht
vor allen deutschen Gerichten werden zu las-
sen.
Abschließend erklärt er, solange dieser Verfas-
sungsauftrag vom Deutschen Bundestag und
vom Bundesverfassungsgericht nicht erfüllt sei,
lehne er den Deutschen Bundestag und das Bun-
desverfassungsgericht als zur Entscheidung be-
fugtes Rechtsgremium bzw. Gericht wegen Vor-
eingenommenheit und Befangenheit ab.
Der Einspruchsführer hatte bereits gegen die
Wahl zum 8. Deutschen Bundestag vom 3. Okto-
ber 1976 Einspruch eingelegt, den er im wesentli-
chen ebenfalls mit einer Verletzung des Gleich-
heitsgrundsatzes begründete. Auch damals hatte
er bereits ausgeführt, er halte den Bundestag für
75
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
befangen, über seinen Wahleinspruch zu ent-
scheiden.
Der Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 8. Deutschen Bundestag wurde als offen-
sichtlich unbegründet (Drucksache 8/263), der
Antrag, den Bundestag wegen Befangenheit ab-
zulehnen, als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlich mündlichen Verhand-
lung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Abgesehen davon, daß die Begründung für den
Wahleinspruch mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, und genügend sub-
stantiierte Tatsachen enthalten muß, rügte der Ein-
spruchsführer die Nichteinhaltung eines Verfas-
sungsauftrags, deren Nachprüfung nicht im Rah-
men des Wahlprüfungsverfahrens erfolgen kann.
Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch da-
mit begründet, der fertiggestellte Vorstellungsbe-
richt des Einspruchsführers als Direktkandidat sei
von der Schwäbischen Zeitung nicht gedruckt wor-
den, kann er damit keinen Erfolg haben. Anders als
bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten, die als
Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert
und damit in der öffentlichen Hand konzentriert
sind, woraus sich ihre Verpflichtung ergibt, sich im
Wahlwettbewerb der politischen Parteien grund-
sätzlich neutral zu verhalten, gelten diese Besonder-
heiten bei der Presse nicht. Die Wahlwerbung kann
daher, wie etwa die Propaganda durch Flugblätter,
dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden [vgl.
BVerfGE 14, 121 (134)]; Drucksache VI/1311, S. 35].
Ist somit die Presse bei der Auswahl der Nachrich-
ten und der Verbreitung von Meinungen grundsätz-
lich frei [vgl. BVerfGE 37, 84 (91)], kann dieser
Grundsatz, insbesondere für die Gestaltung des re-
daktionellen Teils, etwa hinsichtlich des Anzeigen-
teils, dann u. U. eingeschränkt werden, wenn Zei-
tungsverlage eine Monopolstellung ausnützen, um
einzelne Parteien zu benachteiligen. Der Ein-
spruchsführer hat aber keine Tatsachen vorgetra-
gen, die auf eine „totale Pressesperre” hindeuten
könnten [vgl. BVerfGE 48, 271 (278)].
Da die Ablehnung einer Zeitungsveröffentlichung —
unterstellt die Behauptung des Einspruchsführers
trifft zu — nicht als totale Pressesperre angesehen
werden kann, dem Einspruchsführer darüber hin-
aus als Einzelbewerber auch andere Möglichkeiten
zur Verfügung stehen, sich als Kandidat zu präsen-
tieren, das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für
amtliche Wahlinformationen von Direktkandidaten
und Einzelbewerbern nicht im Wahlprüfungsverfah-
ren geltend gemacht werden kann, war sein Ein-
spruch als offensichtlich unbegründet im Sinne des
§ 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG zurückzuweisen.
Über seinen Befangenheitsantrag brauchte nicht
entschieden zu werden, da dieser unzulässig ist
[s. BVerfGE 37, 84 (90) und Drucksache 8/263
S.40].
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
76
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 33
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 20/80 — des Herrn
Hans-Heinrich Kröger, wohnhaft: Krüthstraße 30, 5000 Köln 60,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. September 1980 hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt.
In seiner Einspruchsbegründung heißt es wört-
lich:
„Ich, der ich den Parteinamen vertrete: „Gottes-
welt-Gesetze-Partei” bin den Unwahrheiten, der
Paragraphenreiterei der gelernten Berufsbüro-
kraten ihr Opfer.” Aus seiner weiteren Begrün-
dung läßt sich entnehmen, daß er versucht hat,
seine „Partei” für die Bundestagswahl am 5. Ok-
tober 1980 anzumelden, weshalb er „3 Unter-
schriften, 28 Paragraphen, 33 Artikel und das
Programm des öfteren, letztmals am 4. August
eingereicht habe.” Alles Gedruckte sei ihm im-
mer wieder zurückgesandt worden. Die Satzun-
gen seien auf diese Partei zugeschnitten, die seit
1948 bis heute bei einem „Schwesterverein“
gang und gäbe seien. Der „Schwesterverein” im
Ausland bestehe seit 32 Jahren mit Tausenden
von Mitgliedern und einer Million von Interes-
senten. Er habe jetzt versucht, die Zulassung als
Partei zu erhalten, um diese Million Anhänger
anzuschreiben. Als Privatmann habe er das Ri-
siko nicht auf sich nehmen können, zuerst Hun-
derttausende DM für Inserate auszuleihen, das
wäre sofort nach der Parteizulassung geschehen,
und er hätte dann Hunderttausende Unterschrif-
ten vorlegen können, denn über fünf Prozent der
Stimmen wären für diese Partei gewesen. Durch
die Nichtzulassung als Partei wäre ihm die Mög-
lichkeit genommen, seine Behauptungen zu be-
weisen.
In einem weiteren Schreiben vom 16. Oktober
1980 führt der Einspruchsführer aus, die „Gottes-
welt-Gesetze-Partei” sei schnell organisiert, und
er hätte über eine Million Unterschriften beibrin-
gen können. Die Wahl zum 9. Deutschen Bundes-
tag hätte bei einer Beteiligung seiner „Partei” ei-
nen anderen Ausgang gehabt, der wie folgt aus-
sähe:
„Die zwei großen Parteien hätten je über 3 %
weniger Stimmen, die FDP hätte 5,5 % Stim-
men weniger. Weil ein Wirrwarr bei den Par-
teien z. Teil besteht, haben viele Bürger die
FDP aus lauter Verlegenheit mit 10,5 % ge-
wählt, das wäre nie geschehen, wenn die „Got-
te swelt-Gesetzepartei” mit bei der Wahl ange-
treten wäre, immerhin hätte ihr Prozentsatz
bei 11 % gelegen.”
Im übrigen sei es reine Interessensabotage der
beiden Bundeswahlleiter, durch die Inspiration
des Teufel-Satanas-Luzifer und seiner bösen Gei-
ster, sich der Menschen als ihre willigen Werk-
zeuge zu bedienen.
Im weiteren Text seines Schreibens nimmt er
Bezug auf die Ablehnung der „Gotteswelt-Geset-
ze-Partei” durch den Bundeswahlausschuß.
In der 1. Sitzung des Bundeswahlausschusses für
die Bundestagswahl 1980 am 28. August 1980
wurde die „Gotteswelt-Gesetze-Partei” nicht als
Partei anerkannt, „weil die Anzeige nicht den Be-
stimmungen des § 33 Abs. 1 BWO entspricht. Die
Beteiligungsanzeige ist auch nach entsprechen-
dem schriftlichen Hinweis durch den Bundes-
wahlleiter nur von einer Person unterzeichnet.
Satzung und Nachweis über die satzungsmäßige
Bestellung eines Bundesvorstandes sind nicht
beigefügt. Weiter fehlen die Voraussetzungen des
§ 2 Abs. 1 PartG, da Angaben oder sonstige An-
haltspunkte für eine entsprechende Organisa-
tion, Mitgliederzahl und ein entsprechendes Her-
vortreten in der Öffentlichkeit nicht vorliegen.”
(Niederschrift der Sitzung des Bundeswahlaus-
schusses vom 28. August 1980, S. 8).
Gegen diese Entscheidung des Bundeswahlaus-
schusses hat der Einspruchsführer keine Be-
schwerde eingereicht.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
77
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet
Gemäß § 18 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWG)
können Parteien, die im Deutschen Bundestag oder
in einem Landtag seit der letzen Wahl nicht auf-
grund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit
mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren, als
solche einen Wahlvorschlag nur einreichen, wenn
sie spätestens am 47. Tage vor der Wahl dem Bun-
deswahlleiter ihre Beteiligung an der Wahl ange-
zeigt haben und der Bundeswahlausschuß ihre Par-
teieigenschaft festgestellt hat. Gemäß § 33 Abs. 1 der
Bundeswahlordnung (BWO) sind der Anzeige beizu-
fügen: die schriftliche Satzung und das schriftliche
Programm der Partei sowie ein Nachweis über die
satzungsgemäße Bestellung des Bundesvorstandes.
Ferner wird vorgeschrieben, daß die Anzeige von
mindestens drei Mitgliedern des Bundesvorstandes,
darunter dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertre-
ter, persönlich und handschriftlich unterzeichnet
sein muß.
Gemäß § 18 Abs, 3 Nr. 2 BWG hat der Bundeswahl-
ausschuß für alle Wahlorgane verbindlich festzustel-
len, welche Vereinigungen, die ihre Beteiligung an
der Bundestagswahl angezeigt haben, als Parteien
anzuerkennen sind.
Die Bestimmung des § 18 Abs. 3 BWG, wonach die
entsprechenden Feststellungen des Bundeswahl-
ausschusses für alle Wahlorgane verbindlich zu tref-
fen sind, schließt nicht aus, daß diese Feststellungen
im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens nachge-
prüft werden können (vgl. Drucksachen VI/361 S. 4,
8/263 S. 36).
Wenn der Bundeswahlausschuß die „Gottfeswelt-Ge-
setze-Partei” gemäß § 18 Abs. 2 BWG nicht als „neue
Partei” anerkannt hat, so ist dieser Beschluß nicht
zu beanstanden. Gemäß § 2 PartG sind Parteien Ver-
einigungen von Bürgern, die dauernd oder längere
Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes
auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen
und an der Vertretung des Volkes im Deutschen
Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen,
wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Fe-
stigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mit-
glieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffent-
lichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaf-
tigkeit dieser Zielsetzung bieten.
Da diese Voraussetzungen nach dem eigenen Vor-
bringen des Einspruchsführers nicht gegeben sind
und er im übrigen die im § 33 Abs. 1 BWO festgeleg-
ten Voraussetzungen für die Anzeige gemäß § 18
Abs. 2 BWG nicht erfüllt hat, war der Einspruch im
Sinne des § 6 Abs. la Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
78
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 34
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 22/80 — des Herrn Eugen
Popp, wohnhaft: Königsbergweg 23, 7170 Schwäbisch-Hall,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt,
das er gleichzeitig dem Kreis-, Landes- und Bun-
deswahlleiter sowie dem Landratsamt Schwä-
bisch-Hall und dem Landtag von Baden-Würt-
temberg zugeleitet hat.
In seinem Schreiben, dem er mehrere Anlagen —
Zeitungsausschnitte, Urteile u. ä. — beigefügt
hat, bezeichnet er sich selbst als: „Geschäftsstel-
le, Gegner, Manöverbeschäftigter und — Scha-
densersatzgläubiger im — von der Württbg. CDU-
Regierung gestützten, mitbetriebenen, übernom-
menen, vertretenen Württbg.-Schw.Haller-Rat-
haus-Heiligen-Geist-Hospital-Kommunenklo-
ster-Nachlaßhäscher-Stiftungslügen-Stiftungs-
raubgiftmord-Entmündigung- u/od. Zwangs-
pflegschafts-Umwegkommunistenputschisten-
Manöverfeld ins Württb. Landesgewohnheits-
recht eingeführten Raubkommunisten-Kapitula-
tions-Erpresserpapiermuster ”
Dem Inhalt dieser Selbstvorstellung entspricht
der Inhalt seines Schreibens vom 15. Oktober
1980.
Das Landratsamt Schwäbisch-Hall hat mit
Schreiben vom 17. Oktober 1980 mitgeteilt, der
Einspruchsführer erhebe grundsätzlich gegen
alle Wahlen Einspruch.
Mit Schreiben vom 4. November 1980 hat das No-
tariat Schwäbisch Hall IV — Vormundschaftsge-
richt — dem Wahlprüfungsausschuß bezüglich
des Einspruchsführers folgendes mitgeteilt:
„Eine Pflegschaft gern. § 1910 BGB ist für
Herrn Eugen Popp nicht angeordnet, da eine
solche nach § 1910 Abs. 3 BGB nur mit seiner
Einwilligung angeordnet werden dürfte, es sei
denn, eine Verständigung mit ihm wäre nicht
möglich.
Der Vormundschaftsrichter, der im Beschluß
vom 3. Dezember 1979 die Beendigung der vor-
läufigen Vormundschaft infolge rechtskräfti-
ger Abweisung des Entmündigungsantrags
feststellte, hatte durch Übersendung einer
Ausfertigung dieses Beschlusses Herrn Popp
gebeten, dem Vormundschaftsgericht mitzutei-
len, ob er mit der Anordnung einer Pflegschaft
einverstanden sei, da feststehe, daß eine Ver-
ständigung mit ihm möglich sei.
Herr Popp gab keine Einwilligung zur Anord-
nung einer Pflegschaft.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aufgrund der Mitteilung des Vormundschaftsge-
richts ist der Einspruchsführer zwar gemäß § 2
Abs. 2 WPG berechtigt, Einspruch einzulegen, da er
vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen war. Seine
Ausführungen vermögen jedoch einen Einspruch
nicht zu begründen. Die Begründung eines Ein-
spruchs muß mindestens den Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und
genügend substantiierte Tatsachen enthalten
[BVerfGE 40, 11 (30); 48, 271 (276)].
Die vom Einspruchsführer vorgebrachten Rügen be-
züglich der gegen ihn eingeleiteten Verfahren bzw.
der von ihm eingeleiteten Prozesse vermögen diesen
Anforderungen nicht zu genügen.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
79
Drucksache 9/316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Mofiats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
80
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 35
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 23/80 — des Herrn Karlheinz
Wittausch-Schieron, wohnhaft: Promenade 1, 5760 Arnsberg 2,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1980 an den örtli-
chen Wahlleiter — Wahlamt der Stadt Arnsberg
über den Landeswahlleiter des Landes Nord-
rhein-Westfalen und den Bundeswahlleiter —
hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
eingelegt
Zur Begründung seines Einspruchs führt er
aus:
„Da ich vor meinem demokratisch geprägten
politischen Gewissen und in Ausübung meiner
Bürgerpflicht als Souverän durch Abgabe mei-
ner Stimme in Ausübung meines mir durch das
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
gesicherten Stimmrechtes als grundsätzliche
Äußerung meines demokratisch-politischen
Willens, keinen der zur Wahl stehenden Kandi-
daten und erst recht keine der zur Wahl ste-
henden Parteien wählen kann, protestiere ich
gegen diese Wahl und fechte sie unter Bezug
auf das Grundgesetz an!“
Ferner führt er aus, er gehöre keiner Partei an,
habe sich niemals einer Handlung schuldig ge-
macht, seinen Protest und seine Anfechtung lege
er vielmehr als Einzelperson vor und achte damit
die freie Meinungs- und Willensäußerung aller
Mitbürger, ohne sie damit in undemokratischer
Manier zu beeinflußen.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 1980 erhielt der
Einspruchsführer seitens des Wahlprüfungsaus-
schusses eine Bestätigung des Eingangs seines
Einspruchs. In diesem Schreiben wurde er
gleichzeitig auf die Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts hingewiesen, wonach nur
solche Wahlfehler als erheblich anzusehen seien,
die auf die Mandatsverteilung von Einfluß seien
oder hätten sein können. Ferner wurde ihm an-
heimgestellt, seinen Einspruch unter diesem
rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen und ggf. von
der Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihn zu-
rückzunehmen. Darüber hinaus wurde er darauf
aufmerksam gemacht, es bleibe ihm unbenom-
men, seinen Einspruch zu konkretisieren. Damit
war ein Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts verbunden, wonach
die Begründung mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen las-
sen und genügend substantiierte Tatsachen ent-
halten muß.
Von den dem Einspruchsführer eingeräumten
Möglichkeiten hat er keinen Gebrauch ge-
macht.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Voraussetzung eines formgerechten Einspruchs ist
ein konkreter und substantiierter Sachvortrag. Da
der Einspruchsführer für seine Behauptungen keine
konkreten Tatsachen vorgebracht hat, entsprechen
seine Ausführungen nicht der Substantiierungs-
pflicht des § 2 Abs. 3 WPG. Wie das Bundesverfas-
sungsgericht in einem Wahlprüfungsbeschwerde-
Verfahren festgestellt hat, befreit der Grundsatz der
Amtsermittlung den Einspruchsführer nicht von der
Darlegungslast [BVerfGE 48, 271 (280)].
Gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPG erfolgt die Wahlprü-
fung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen
und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
[vgl. BVerfGE 40, 11 (30); 48, 271 (276)]. Die Behaup-
tung des Einspruchsführers, keinen der zur Wahl
stehenden Kandidaten und erst recht keine der zur
Wahl stehenden Parteien wählen zu können, stellt
keine ausreichende Begründung im Sinne des Wahl-
81
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Prüfungsgesetzes dar. Da der Einspruchsführer dar-
über hinaus keine substantiierten Tatsachen vor-
trägt, auf die er die Anfechtung stützen will, war sein
Einspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als of-
fensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
82
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 36
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 29/80 —
der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), Kreisvorstand,
Erich-Ollenhauer-Straße 4, 6370 Oberursel/Taunus,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1980 hat die Ein-
spruchsführerin Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Ein Schreiben gleichen Inhalts hat sie dem Wahl-
leiter des Wahlkreises 133 — Hochtaunuskreis —
am selben Tag zugeleitet.
Zur Begründung ihres Einspruchs führt sie aus,
im amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl
vom 5. Oktober 1980 werde mitgeteilt, daß in
Schmitten, Wahlbezirk Brombach 2, für die DKP
eine Erststimme und zwei Zweitstimmen abgege-
ben worden seien. Beide Wähler, die die DKP mit
ihren Zweitstimmen gewählt hätten, seien ihr be-
kannt. Sie hätten versichert, daß sie auch beide
mit ihrer Erststimme die DKP gewählt hätten.
Das Ergebnis weise jedoch nur eine Erststimme
für die DKP aus.
Aus diesen Gründen werde die Wahl angefochten
und beantragt, eine Neuauszählung der Stimmen
im Wahlbezirk Brombach 2 vorzunehmen.
2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündli-
chen Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Ohne den Grundsatz der geheimen Wahl zu verletz-
ten, kann jeder Wähler vor und nach der Wahlhand-
lung bekanntgeben, welche Wahlentscheidung er
treffen wird bzw. getroffen hat. Er ist jedoch gesetz-
lich nicht verpflichtet, bei der Preisgabe seines
Wahlgeheimnisses die Wahrheit zu sagen. Aus die-
sem Grunde kann zwar unterstellt werden, daß der
Einspruchsführerin gegenüber eine entsprechende
Erklärung des Inhalts abgegeben wurde, beide Wäh-
ler hätten auch mit ihrer Erststimme die DKP ge-
wählt. Dagegen kann nicht davon ausgegangen wer-
den, daß eine entsprechende Versicherung auch den
Tatsachen entspricht.
Abgesehen davon, daß im konkreten Fall eine amtli-
che Nachprüfung ggf. den Grundsatz der geheimen
Wahl berühren könnte, sieht der Wahlprüfungsaus-
schuß keine Veranlassung, eine entsprechende
Nachprüfung vornehmen zu lassen. Aufgabe des
Wahlprüfungsausschusses ist es vielmehr festzu-
stellen, ob durch Verletzung der Wahlrechtsbestim-
mungen das Ergebnis der Bundestagswahl beein-
fluß worden ist bzw. hätte beeinflußt werden können
[seit BVerfGE 4, 370 (372 f.) ständige Rechtspre-
chung]. Selbst wenn versehentlich eine für die Ein-
spruchsführerin abgegebene Erststimme nicht ge-
zählt wurde, konnte das auf das Wahlergebnis bzw.
auf die Sitzverteilung im Bundestag keinen Einfluß
haben, da im Wahlkreis für den erfolgreichen Be-
werber 46,5 V. H. der Erststimmen abgegeben wur-
den, während für die im Bundestag nicht vertrete-
nen Parteien bzw. Einzelbewerber insgesamt ledig-
lich 2,5 V. H. gezählt wurden.
Der Einspruch war daher im Sine des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
83
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 37
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 30/80 — des Herrn Heinrich
Modder, wohnhaft: Alsenstraße 75, 4600 Dortmund,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1980 an das „Bun-
deswahlamt in Bonn, 5300 Bonn 1, postalisch mit
Sitz in Wiesbaden, Stresemann Ring 11“, das
durch den Bundeswahlleiter dem Deutschen
Bundestag zugeleitet wurde, hat der Einspruchs-
führer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 9. Deutschen Bundestag für das Land Nord-
rhein-Westfalen eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, in den letzten Wo-
chen vor der Bundestagswahl seien Personen im
Stadtgebiet von Dortmund von der Kripo Bo-
chum und Dortmund in den Wohnungen und an
Arbeitsplätzen aufgesucht worden, die der Bür-
gerpartei eine Unterstützungsunterschrift gelei-
stet hätten. Obwohl gegen den Bundesvorsitzen-
den, mit Sitz in Bochum, — vergleiche Wahlein-
spruch des Bundesvorsitzenden der Bürgerpartei
— Die Partei der Steuerzahler, Diplom-Kauf-
mann Bolko Hoffmann, WP 3/80 — ermittelt wur-
de, seien Personen überprüft worden, die nicht in
dessen Einzugsbereich wohnten und er auch dort
keine Unterschrift gesammelt hätte, weshalb die
Personalien nur durch die Unterschriften be-
kannt geworden seien. Durch dieses Verhalten
seien die betroffenen Personen verunsichert
worden und damit gebrandmarkt, weshalb sie
sich in Zukunft nicht mehr politisch betätigen
würden.
Ferner trägt der Einspruchsführer vor, durch
Veröffentlichung der Musterstimmzettel in der
Presse sei er darauf aufmerksam gemacht wor-
den, daß die Bürgerpartei auf den Stimmzetteln
benachteiligt worden sei. Der Name „Bürgerpar-
tei” sei nämlich auf den Stimmzetteln so schwach
abgedruckt worden, daß der Bürger ihn nur
schwer habe finden können. Da eine Abkürzung
nach dem Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben
sei, hätte der Name „Bürgerpartei” so deutlich er-
scheinen müssen, wie die vorhandenen Abkür-
zungen der übrigen Parteien.
Bei der Behandlung dieses Wahleinspruchs hat
der Wahlprüfungsausschuß den Einspruch der
Bürgerpartei — Die Partei der Steuerzahler —
beigezogen, der vom Bundesvorsitzenden, Di-
plom-Kaufmann Bolko Hoffmann, WP 3/80, ein-
gelegt wurde. Aus den herangezogenen Akten er-
gibt sich aufgrund eines Beschlusses des Amts-
gerichts Bochum, daß der Bundesvorsitzende zur
Erreichung von Unterstützungsunterschriften
für die Einreichung von Kreiswahlvorschlägen
bzw. Landeslisten alle Landes- und Bundesvor-
standsmitglieder aufgefordert hat, sich mit Info-
Ständen in Fußgängerzonen von Städten mit be-
sonderen Problemen zu stellen. Wörtlich heißt es
in diesem Schreiben, dem der Bundesvorsitzende
der Bürgerpartei in seinem Schreiben vom
4. September 1980, in dem er zum Beschluß des
Amtsgerichts Bochum Stellung nimmt, nicht wi-
dersprochen hat: „Dabei ist es sehr wichtig zu sa-
gen, wir sammeln Unterschriften z. B. gegen ei-
nen Autobahnbau, gegen die Errichtung einer
Mülldeponie oder gegen eine Ausländerflut usw.
Von der Bürgerpartei sollten sie so gut wie kaum
etwas erwähnen. — Natürlich gibt es auch an-
dere Wege, aber dieser hat sich als der bisher er-
folgreichste erwiesen.“
In dem Beschluß des Amtsgerichts Bochum heißt
es zu diesem Schreiben: „. . . hat der Beschuldigte
durch Täuschung zumindest versucht zu bewir-
ken (§ 108 a II), daß jem.and beim Unterschreiben
eines Wahlvorschlages über den Inhalt seiner Er-
klärung irrt“.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Nicht nur die Durchführung, sondern bereits die
Vorbereitung der Wahl ist formalisiert und steht un-
85
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
ter dem besonderen Schutz strafrechtlicher Bestim-
mungen. Wenn für Kreiswahlvorschläge von Par-
teien, die im Deutschen Bundestag oder in einem
Landtag seit deren letzter Wahl nicht aufgrund eige-
ner Wahlvorschläge ununterbrochen mit minde-
stens fünf Abgeordneten vertreten waren, die per-
sönliche und handschriftliche Unterschrift von min-
destens 200 Wahlberechtigten erforderlich ist [§ 18
Abs. 2 i, V. m. § 20 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWG)
und § 34 Abs. 4 Bundeswahlordnung (BWO)], so be-
deutet es keine Verletzung wahlrechtlicher Bestim-
mungen, wenn seitens der Strafverfolgungsbehör-
den Maßnahmen ergriffen werden, die sichern sol-
len, daß die Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes
und der Bundeswahlordnung bei der Vorbereitung
der Wahl eingehalten werden. Hat aber der Bundes-
vorsitzende der Bürgerpartei durch sein angeführ-
tes Schreiben selbst mindestens den Anschein einer
unzulässigen Beschaffung der erforderlichen Unter-
schriften erweckt, kann weder er noch ein Dritter
sich darauf berufen, durch die Ermittlungsbehörden
seien die betroffenen Personen verunsichert wor-
den. Da nach § 27 Abs. 1 für die in § 18 Abs. 2 BWG
genannten Parteien ein vom Tausend der Wahlbe-
rechtigten des Landes bei der letzten Bundestags-
wahl, jedoch höchstens 2000 Wahlberechtigte, per-
sönlich und handschriftlich den einzureichenden
Wahlvorschlag bezüglich der Landesliste zu unter-
schreiben haben, kann es nicht darauf ankommen,
in welchem „Einzugsbereich“ des Landes die Perso-
nen wohnen, die in die staatsanwaltschaftlichen Er-
mittlungen einbezogen wurden.
Auch soweit der Einspruchsführer die Stimmzettel
beanstandet, kann diese Beanstandung einen Wahl-
einspruch nicht begründen. § 30 BWG und § 45 BWO
regeln die Größe und das Aussehen der Stimmzettel,
Nach beiden Bestimmungen enthält der Stimmzet-
tel u. a. den Namen der Parteien und, sofern sie eine
Kurzbezeichnung verwenden, auch diese. Wenn die
Bürgerpartei bei der Anmeldung zur Wahl keine
Kurzbezeichnung angemeldet hat, so hat sie das
selbst zu vertreten. Dies gilt auch, obwohl auf den
amtlichen Stimmzetteln die Abkürzung der Parteien
fetter gedruckt wird als der Name der Partei. Es ist
zwar richtig, daß keine Partei verpflichtet ist, eine
Abkürzung des Parteinamens bei der Anmeldung zu
benutzen, verzichtet sie jedoch darauf, hat sie kei-
nen Anspruch darauf, daß ihr voller Name im selben
Fettdruck erscheint, wie die Abkürzung der übrigen
Parteien. Dies würde vielmehr eine Bevorzugung
der Parteien bedeuten, die auf eine Abkürzung ver-
zichten. Aus diesem Grunde hätte die Bürgerpartei,
wenn eine Benachteiligung überhaupt gegeben sein
sollte, diese selbst zu vertreten.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
86
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 38
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 31/80 — des Herrn
Klaus Bamberg, wohnhaft: Schillerstraße 5, 5444 Polch,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag in den
Wahlbezirken der Ortsgemeinde Polch, Wahl-
kreis 147 — Ahrweiler — eingelegt
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
am 18. September 1980 sei er bei der Gemeinde
Polch vorstellig geworden, um die Wählerver-
zeichnisse der Ortsgemeinde Polch einzusehen.
Ihm sei daraufhin lediglich die ihn betreffende
Eintragung im Wählerverzeichnis für den Wahl-
bezirk Polch 2 (Wahlraum Polch, Hauptschule)
vorgelegt worden. Nachdem er unter Hinweis auf
die gesetzlichen Bestimmungen darauf bestan-
den habe, auch die übrigen Seiten des Wählerver-
zeichnisses und auch das Wählerverzeichnis für
den Wahlbezirk Polch 1 (Wahlraum, Rathaus)
einzusehen, sei ihm diese Einsichtnahme vom
Ortsbürgermeister der Gemeinde Polch verwei-
gert worden.
Aufgrund dieses Tatbestandes habe er am
19. September 1980 beim Wahlamt der Verbands-
gemeinde Maifeld in Polch Einspruch gegen die
Richtigkeit des Wählerverzeichnisses eingelegt.
Dieser Einspruch sei mit Bescheid vom 19. Sep-
tember 1980, Az.: Abt. l/St-013/00 von der Ver-
bandsgemeindeverwaltung Maifeld in Polch na-
mens der Ortsgemeinde Polch zurückgewiesen
worden. Seine hiergegen eingelegte Beschwerde
an den Kreiswahlleiter des Wahlkreises 147 sei
mit Bescheid vom 26. September 1980 durch den
Kr eis Wahlleiter ebenfalls zurückgewiesen wor-
den.
In der Entscheidung der Verbandsgemeindever-
waltung Maifeld vom 19. September 1980 wird
ausgeführt, aufgrund des Einspruchs des Ein-
spruchsführers sei das Wählerverzeichnis der
Ortsgemeinde Polch überprüft und für vollstän-
dig und richtig befunden worden. Aus diesem
Grunde sei der Einspruch zurückzuweisen.
Selbstverständlich stehe es ihm wie jedem ande-
ren zu, das Wählerverzeichnis einzusehen, wobei
persönliche Daten (Geburtsdaten) ausgenom-
men werden könnten.
Zur Begründung seiner Beschwerde an den
Kreiswahlleiter vom 19. September 1980 führt
der Einspruchsführer aus, die Ausnahme von
persönlichen Daten (Geburtsdaten) bei der Ein-
sichtnahme durch einen Wahlberechtigten in die
Wählerverzeichnisse sei nur im Einzelfall gesetz-
lich zulässig, nämlich nur dann, wenn ein Wahl-
berechtigter vor der Auslegungsfrist des Wähler-
verzeichnisses bei der Ortsgemeinde, in dessen
Verzeichnis er eingetragen sei, beantragt habe,
daß während der Auslegungsfrist sein persönli-
ches Geburtsdatum unkenntlich gemacht werde.
Werde ein solcher Antrag nicht gestellt, so
stimmten die Wahlberechtigten auch der Offen-
legung ihres Geburtsdatums stillschweigend zu.
Da ihm die umfassende Einsichtnahme in das
Wählerverzeichnis der Ortsgemeinde Polch
durch den Ortsbürgermeister nicht ermöglicht
worden sei, müsse er das Wählerverzeichnis der
Ortsgemeinde Polch für unvollständig und un-
richtig halten. Es bestehe für ihn der hinrei-
chende Verdacht, daß in dem Wählerverzeichnis
der Ortsgemeinde Polch Personen eingetragen
seien, die kein Wahlrecht hätten bzw. die gesetz-
lich vom Wahlrecht ausgeschlossen worden sei-
en. Dieser Verdacht könne nur dann ausgeräumt
werden, wenn ihm die vollständigen Wählerver-
zeichnisse zur umfassenden Einsichtnahme vor-
gelegt würden.
Die Beschwerde wurde am 26. September 1980
durch den Kreiswahlleiter als unbegründet zu-
rückgewiesen. Zur Begründung wurde angeführt,
bei einem Einspruch gegen die Unrichtigkeit
oder Unvollständigkeit des Wählerverzeichnis-
ses müsse diese entweder offenkundig sein oder
vom Einspruchsführer durch Beibringen der er-
forderlichen Beweismittel nachgewiesen wer-
den. Da der Einspruchsführer keine Tatsachen
angegeben habe, worin die Unrichtigkeit oder
Unvollständigkeit des Wählerverzeichnisses der
87
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Ortsgemeinde begründet sein solle — eine ent-
sprechende Behauptung reiche allein nicht aus
— sei der Einspruch unbegründet.
Auch sein Einwand, ihm sei die allgemeine Ein-
sicht in das Wählerverzeichnis der Ortsgemeinde
Polch verwehrt worden, stelle keine Begründung
für den Einspruch dar. Abgesehen davon, daß er
nach Erhalt des Bescheids der Verbandsge-
meinde Maifeld am 19. September 1980 an die-
sem Tage noch abends und am darauffolgenden
Samstag, dem 20. September 1980, bis 18.00 Uhr
noch Gelegenheit gehabt hätte, in das Wählerver-
zeichnis Einblick zu nehmen, sei die Überprü-
fung des ordnungsgemäßen Wahlverfahrens
nicht Gegenstand des Einspruchsrechts nach § 22
Abs. 1 der Bundeswahlordnung (BWO), sondern
nur des Wahlprüfungsverfahrens nach § 49 des
Bundeswahlgesetzes.
In einer Stellungnahme der Verbandsgemeinde-
verwaltung Maifeld in Polch vom 10. Dezember
1980 an den Wahlprüfungsausschuß wird ergän-
zend zu dem Vorbringen des Einspruchsführers
ausgeführt, dem Einspruchsführer sei die Seite
des Wählerverzeichnisses, auf der er und seine
Familienangehörigen aufgeführt worden seien,
zur allgemeinen Einsicht offengelegt worden.
Am 12. September 1980 sei von etwa 30 Wahlbe-
rechtigten beantragt worden, während der Ausle-
gungsfrist der Wählerverzeichnisse vom 15. Sep-
tember 1980 bis zum 20. September 1980 ihre Ge-
burtsdaten unkenntlich zu machen und insoweit
keine Einsichtnahme zu gewähren. Diese Wahl-
berechtigten hätten sich auf viele Seiten des
Wählerverzeichnisses erstreckt, so daß insoweit
keine Einsichtnahme gewährt worden sei. Im üb-
rigen sei dem Einspruch des Einspruchsführers
von der Verwaltung im Namen der Ortsgemeinde
Polch insoweit stattgegeben worden, als ihm wie
jedem anderen das Recht der allgemeinen Ein-
sichtnahme in das Wählerverzeichnis zugestan-
den worden sei, wobei die beantragten persönli-
chen Daten auszuschließen gewesen seien. Die-
ser Bescheid sei dem Einspruchsführer am
19. September 1980 um 16.45 Uhr zugestellt wor-
den, so daß er noch die Möglichkeit zur allgemei-
nen Einsichtnahme gehabt habe. Dies sei nicht
nur möglich, sondern auch zumutbar gewesen,
weil er nur ca. 400 Meter vom Ortsbürgermeister
entfernt wohne und keiner geregelten Beschäfti-
gung nachgehe. Der Antragsteller habe sich je-
doch für die allgemeine Einsichtnahme offen-
sichtlich nicht mehr interessiert, sondern sofort
beim Kreiswahlleiter wegen derselben Angele-
genheit Beschwerde eingelegt.
In der Stellungnahme des Kreiswahlleiters wird
ergänzend darauf hingewiesen, daß im Bereich
der Verbandsgemeinde Maifeld nur zwei Perso-
nen in das Wählerverzeichnis Einblick genom-
men hätten, wovon eine der Einspruchsführer ge-
wesen sei.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Mit der Tatsache, daß dem Einspruchsführer einmal
die Einsicht in die Wählerverzeichnisse der Ge-
meinde Polch verweigert wurde und seiner daraus
gezogenen Schlußfolgerung, die Wählerverzeich-
nisse seien unrichtig, kann der Wahleinspruch nicht
begründet werden.
Nach § 22 Abs. 1 BWO kann innerhalb der Ausle-
gungsfrist jeder, der das Wählerverzeichnis für un-
richtig oder unvollständig hält, Einspruch einlegen.
Sind die behaupteten Tatsachen, auf die die Unrich-
tigkeit oder Unvollständigkeit des Wählerverzeich-
nisses gestützt werden sollen, nicht offenkundig, hat
gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 BWO der Einspruchsführer
die erforderlichen Beweismittel beizubringen.
Unrichtig ist das Wählerverzeichnis vor allem dann,
wenn eine nicht wahlberechtigte Person oder eine
wahlberechtigte Person mit falschen Angaben ein-
getragen ist, unvollständig, wenn eine wahlberech-
tigte Person nicht oder mit unvollständigen Anga-
ben eingetragen ist (s. Seifert, Kommentar zum Bun-
deswahlrecht 3. Aufl. S. 299 f.).
Offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist das
Wählerverzeichnis, wenn allgemeinkundig oder be-
hördenkundig (s. Seifert a. a. O.) Falsches oder nicht
alles eingetragen worden ist bzw. wenn die Unrich-
tigkeit oder Unvollständigkeit klar zutage liegt, daß
sie vernünftigerweise von niemandem bezweifelt
werden kann (s. Seifert a. a. O. S. 301).
Wenn gemäß § 21 Abs. 3 BWO in der Fassung vom
8. November 1979 Wahlberechtigten das Recht ein-
geräumt wurde, zu verlangen, daß während der Aus-
legungsfrist der Tag der Geburt unkenntlich zu ma-
chen ist, kann sich die offensichtliche Unrichtigkeit
oder Unvollständigkeit nicht mehr, wie nach frühe-
rem Recht, auf die Geburtstage beziehen.
Aus all dem ergibt sich, daß der Einspruch des Ein-
spruchsführers, soweit er sich auf eine Unrichtigkeit
oder Unvollständigkeit des Wählerverzeichnisses
berufen hat, durch die Verbandsgemeindeverwal-
tung Maifeld zu Recht zurückgewiesen wurde und
seine Beschwerde gegen diese Entscheidung beim
Kreiswahlleiter ohne Erfolg bleiben mußte. Soweit
allerdings die Verbandsgemeindeverwaltung Mai-
feld der Auffassung war, dem Einspruchsführer das
Wählerverzeichnis nicht in vollem Umfang zur Ein-
sicht vorlegen zu müssen, kann dieser Auffassung
nicht gefolgt werden; denn die Auslegungspflicht
des § 21 Abs. 2 BWO bezieht sich auf das vollständige
Wählerverzeichnis. § 21 Abs. 3 BWO läßt insoweit le-
diglich auf Verlangen des betroffenen Wahlberech-
tigten die Unkenntlichmachung des Tages der Ge-
burt zu. Indessen konnte dieser Verstoß gegen wahl-
rechtliche Bestimmungen offensichtlich keinen Ein-
fluß haben.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 39
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 33/80 — des Herrn Ludwig
Volkholz zugleich als Landesvorsitzender der Christlichen Bayeri-
schen Volkspartei — Bayerische Patriotenbewegung C.B V. — , wohn-
haft: 8493 Feßmannsdorf 36 bei Kotzing,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer „Als Bürger Bayerns und als
Landesvorsitzender der Christlichen Bayeri-
schen Volkspartei — Bayerische Patriotenbewe-
gung C.B.V.“ Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 9. Deutschen Bundestag im Land Bay-
ern eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
während des ganzen Wahlkampf Jahres 1980 sei
er als Landesvorsitzender der C.B.V. bzw. die
Landesgeschäftsstelle mit Hunderten von Anzei-
gen seitens der Staatsanwaltschaft Regensburg
auf Weisung von Ministerpräsident und Kanzler-
kandidat F. J. Strauß überzogen worden. Dabei
sei gegen seine Partei mehr Polizei eingesetzt
und mehr Verwaltungsaufwand betrieben wor-
den, als dies bei der Terroristenbekämpfung der
Fall gewesen sei. Schließlich habe in Österreich
eine Schreibgeschäftsstelle eingerichtet werden
müssen, weil sonst überhaupt keine Parteiarbeit
mehr möglich gewesen wäre. Dabei habe
F. J. Strauß gegen den Einspruchsführer das so-
genannte Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahre
1935 anwenden lassen, welches in der Nazizeit
zur Bekämpfung der ehemaligen jüdischen
Rechtsanwälte eingesetzt worden sei, um diese
ins Ausland zu vertreiben. Während des Wahl-
kampfes sei er für mindestens 300 Anzeigen vor
Gericht gestellt und verurteilt worden. Gleichzei-
tig sei angekündigt worden, daß er auf Lebens-
zeit eingesperrt würde, wenn er die Geldbußen
nicht bezahlen könne. Hinzu sei noch gekommen,
daß F. J. Strauß dem Einspruchsführer jede Ver-
dienstmöglichkeit sowie jede Berufsausübung
verhindert habe. Sein Fall solle nach dem Willen
von F. J. Strauß ein abschreckendes Beispiel wer-
den, was alle Gegner der CSU in Bayern zu er-
warten hätten. Mit diesen Maßnahmen sei der
C.B.V. jede Parteiarbeit in Form von Partei-
sprechstunden und Hilfen für die Mitglieder
während des Wahlkampfes unmöglich gemacht
worden. Die genannten Maßnahmen und der Ein-
satz eines Antijudengesetzes gegen seine Partei
stellten eine echte Verletzung der Vereinbarun-
gen über die Menschenrechte in den Schlußak-
ten von Helsinki dar.
Zum Beweis seiner vorgetragenen Wahlkampf-
verstöße verweist er auf die Akten der Staatsan-
waltschaft Regensburg.
Ferner weist der Einspruchsführer darauf hin,
daß die im Bundestag vertretenen Parteien wäh-
rend des ganzen Wahlkampfes gegen die C. B. V.
mit dem Argument aufgetreten seien, daß durch
die Fünfprozent-Klausel alle Stimmen der
C. B. V. zur Bundestagswahl verloren seien. Da-
mit seien die Wähler vorsätzlich von einer
Stimmabgabe für die C. B. V. abgehalten worden,
und zwar unter verfassungswidriger Anwendung
der Fünfprozent-Klausel. Zum Beweis dieser Be-
hauptung verweist er auf Presseanzeigen und
Presseveröffentlichungen.
Weiter führt der Einspruchsführer aus, das
Bayerische Umweltschutz-Ministerium habe in
Person des Staatssekretärs Dr. M. Fischer auf
Kosten des Bayerischen Staates extra 20 Sekre-
tärinnen eingestellt, welche nur Wahlkampfmaß-
nahmen und Anzeigen gegen die C. B. V. hätten
bearbeiten müssen. Dabei sei beispielsweise in
der Passauer Neuen Presse im Mai 1980 ein tota-
ler Rufmord-Artikel gegen den Einspruchsführer
veröffentlicht worden, der mit Geldmitteln des
Umweltministeriums finanziert worden sei. Die-
ser Artikel sei dann in Fotokopie vom Umwelt-
schutzministerium an alle Zeitungen der Bun-
desrepublik Deutschland verschickt worden, teil-
weise sei sogar eine Veröffentlichung verlangt
worden. Durch diese Aktionen seien Geldmittel
des Bayerischen Staatsministeriums im Bundes-
tagswahlkampf verbotenerweise gegen die
C. B. V. eingesetzt worden.
Zum Beweis weist er auf die Veröffentlichung in
der Passauer Neuen Presse hin und meint auch.
91
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Staatsminister Alfred Dick könne als Zeuge aus-
sagen, was sein Staatssekretär im Wahlkampf
unter Mißbrauch von Staatsgeldern getrieben
habe.
Ferner stützt der Einspruchsführer seinen Ein-
spruch auf die Behauptung, F. J. Strauß habe als
Kanzlerkandidat an alle Rentner Bayerns einen
Wahlbrief verschickt, um Angst unter den Rent-
nern zu verbreiten. Dabei habe er sein Amt als
Ministerpräsident mißbraucht, weil er sich in die-
ser Eigenschaft von den Landesversicherungsan-
stalten die Anschriften besorgt habe. Dabei sei
der Datenschutz zum Zwecke des Wahlkampfes
vollkommen mißachtet und verletzt worden.
Strauß habe also mit gesetzwidrigen Mitteln den
Bundestagswahlkampf geführt. Keiner anderen
Partei sei dies möglich gewesen, weshalb auch
hier die Chancengleichheit verletzt worden sei.
Weiter macht der Einspruchsführer geltend,
durch den bekannten Hirtenbrief zur Bundes-
tagswahl, den die katholische Kirche vor der
Wahl habe verbreiten lassen, sei praktisch alles
auf den Kopf gestellt worden. Dieser Hirtenbrief
sei nichts anderes gewesen, als eine Aufzählung
aller Wahlkampf aussagen der CDU/CSU und
folglich des Kanzlerkandidaten Strauß. Da die
katholische Kirche bei den Gläubigen den Ein-
druck von Unfehlbarkeit verbreite, sei diese ein-
seitige Wahlkampfunter Stützung eine gesetzwid-
rige Begünstigung des Kanzlerkandidaten
Strauß und seiner Partei in Bayern gewesen.
Darüber hinaus seien in den katholischen Pfar-
reien Pfarrbriefe und Aufrufe an alle Gläubigen
in Bayern versandt worden, in denen klar und of-
fen zur Stimmabgabe für die CSU aufgefordert
worden sei. Diese Aufrufe seien von dem jeweili-
gen Ortsvorsitzenden der CSU, dem Bürgermei-
ster und dem Pfarrer unterzeichnet worden. Als
Beweis hat der Einspruchsführer einen „Muster-
aufruf“ beigefügt.
Aufgrund dieser Vorgänge seien die Wahlen in
Bayern nicht frei gewesen und vor allem die
C. B. V. vollkommen in gesetzwidriger Weise aus-
geschaltet worden.
Weiter trägt der Einspruchsführer vor, bei einer
Großkundgebung der CSU auf dem Marienplatz
in München habe F. J. Strauß unter Mißachtung
seiner Amtseigenschaft als Ministerpräsident
verlangt, daß die Polizei Zwischenrufer verhaf-
ten und Plakate gegen seine Person oder seine
Partei gewaltsam entfernen sollte. Dadurch sei
die Chancengleichheit für alle Parteien verletzt
worden.
Schließlich macht der Einspruchsführer geltend,
der C. B. V. sei keine Gelegenheit gegeben wor-
den, an Fernseh- oder Rundfunkdiskussionen
teilzunehmen. Für die Diskussion auf dem Fern-
sehschirm seien nur die im Parlament vertrete-
nen Parteien zugelassen worden, die dort stun-
denlang Parteipropaganda hätten machen kön-
nen. Dies stelle die totale Aussageverhinderung
zu Tagesfragen in Bayern dar. Dadurch seien un-
ter Einsatz von ungeheuren Wahlkampfmitteln
der öffentlich-rechtlichen Anstalten des Rund-
funks und des Fernsehens einseitig CSU, SPD
und FDP begünstigt worden. Der Wähler sei irre-
geführt worden, weshalb die Wahl in Bayern un-
gültig sei.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 1980 wurde der
Eingang des Einspruchs bestätigt und der Ein-
spruchsführer auf die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts bezüglich der Erheblich-
keit von Wahlfehlern hingewiesen und auch dar-
auf, daß nach der Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts die Begründung mindestens
den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt
werde, erkennen lassen und genügend substan-
tiierte Tatsachen enthalten müsse. Dem Ein-
spruchsführer wurde anheim gestellt, unter die-
sem Gesichtspunkt seinen Einspruch zu über-
prüfen, ihn ggf. zu konkretisieren bzw. dem Aus-
schuß neues Material zuzuleiten.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPG erfolgt die Wahlprü-
fung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen
und genügend substantiierte Tatsachen enthalten
[BVerfGE 48, 271 (279f)]. Die größte Zahl der vom
Einspruchsführer vorgebrachten Rügen genügen
diesen Anforderungen nicht. Es handelt sich im we-
sentlichen um allgemein gehaltene Behauptungen
und Vermutungen, die der Einspruchsführer trotz
des Hinweises in dem Eingangsbestätigungsschrei-
ben vom 30. Oktober 1980 nicht näher belegt hat. In
diesem Zusammenhang muß sich der Einspruchs-
führer entgegenhalten lassen, daß ihm die Anforde-
rungen, die an einen Einspruch zu richten sind, hin-
reichend bekannt waren, da er auch die Bundestags-
wahl zum 8. Deutschen Bundestag und die Wahl der
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der
Bundesrepublik Deutschland vom 10. Juni 1979 an-
gefochten hat und gegen die Entscheidung des Deut-
schen Bundestages jeweils Beschwerde beim Bun-
desverfassungsgericht einlegte. In beiden Fällen
wurden die Beschwerden des Einspruchsführers als
offensichtlich unbegründet verworfen.
Zu dem Vorbringen des Einspruchsführers im ein-
zelnen stellt der Wahlprüfungsausschuß folgendes
fest:
a) Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch
mit der Behauptung begründet, er sei als Landes-
vorsitzender der C. B. V. bzw. die Landesge-
schäftsstelle der Partei mit Hunderten von An-
zeigen seitens der Staatsanwaltschaft Regens-
92
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
bürg auf Weisung des Ministerpräsidenten und
Kanzlerkandidaten der CDU/CSU überzogen
worden, kann sein Einspruch keinen Erfolg ha-
ben. Diese und die damit im Zusammenhang ste-
henden Behauptungen des Einspruchsführers
sind zu allgemein, der Hinweis auf die Akten bei
der Staatsanwaltschaft Regensburg reicht zur er-
forderlichen Konkretisierung seines Vorbringes
nicht aus. Dies gilt um so mehr, als der Ein-
spruchsführer auch unterlassen hat, die ihm be-
kannten Aktenzeichen der bei der Staatsanwalt-
schaft Regensburg geführten Akten in seiner Sa-
che anzugeben. Im übrigen stellen Strafanzeigen
gegen einen Wahlbewerber keine Verletzung
wahlrechtlicher Bestimmungen dar, da diesem
im Rahmen der Rechtsordnung jederzeit die
Möglichkeit gegeben ist, sich mit einer Fülle von
Rechtsmitteln der gegen ihn gerichteten An-
griffe zu erwehren.
b) Auch die Behauptung, die im Bundestag vertrete-
nen Parteien hätten im Wahlkampf die Behaup-
tung verbreitet, durch die Fünfprozent- Klausel
gingen alle der C. B. V. gegebenen Stimmen zur
Bundestagswahl verloren, vermag den Ein-
spruch nicht zu stützen. Der Hinweis auf die ver-
fassungsrechtlich unbedenkliche [vgl. dazu
BVerfGE 6, 84 (92 ff.)] Fünfprozent-Sperrklausel
hält sich im Rahmen der zulässigen Wahlwer-
bung und Einflußnahme auf den Wählerwillen.
Weder der Grundsatz der Wahlfreiheit noch der
Grundsatz der Wahlgleichheit werden durch der-
artige Hinweise beeinträchtigt [BVerfGE 48, 271
(276)].
Auch mit der Behauptung, das Bayerische Um-
weltschutzministerium habe parteiergreifend in
den Wahlkampf eingegriffen, kann der Ein-
spruch nicht begründet werden. Die Behauptun-
gen des Einspruchsführers zu diesem Punkt sind
zu allgemein; sie lassen insbesondere nicht er-
kennen, ob es sich bei den von ihm beanstande-
ten Maßnahmen um verfassungsrechtlich zuläs-
sige Öffentlichkeitsarbeit der Regierung oder um
ein verfassungswidriges, parteiergreifendes Ein-
greifen in den Wahlkampf gehandelt haben soll
[vgl. BVerfGE 44, 125 (148 ff.)]. In diesem Zusam-
menhang darf auf die Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts bei der Zurückweisung der
Beschwerde des Einspruchsführers gegen die
Entscheidung des Deutschen Bundestages be-
züglich seiner Anfechtung der Wahl zum 8. Deut-
schen Bundestag verwiesen werden, in der es
u. a. heißt: „Um ein Einwirken der Regierung in
den Wahlkampf, durch das die Gültigkeit der
Bundestagswahl berührt sein könnte, hinrei-
chend darzulegen, hätte der Beschwerdeführer
zumindest angeben müssen, durch welche einzel-
nen konkreten Maßnahmen dies geschehen sein
soll, zu welcher Zeit und in welchem Ausmaß. So-
weit der Beschwerdeführer beanstandet, daß mit
öffentlichen Mitteln erstellte Wandzeitungen
und Druckschriften der Regierung im Wahl-
kampf eingesetzt worden seien, hätte er Angaben
über Inhalt, Aufmachung und Umfang der Ver-
breitung machen müssen. Der Beschwerdeführer
hat all dies unterlassen, obwohl ihm die Ergän-
zung seines Vorbringens möglich und zumutbar
war und ihn der Deutschen Bundestag hierzu
aufgefordert hatte. Der Grundsatsz der Amtser-
mittlung befreit nicht von dieser Darlegungslast“
[BVerfGE 48, 271 (279 f.)].
Aus all dem ergibt sich, daß der Einspruchsfüh-
rer mindestens den von ihm angezogenen Artikel
in der Passauer Neuen Presse seinem Einspruch
hätte beifügen müssen mit Beweisangeboten,
daß dieser Artikel tatsächlich mit Geldmitteln
des Umweltministeriums finanziert worden war.
Auch fehlt jegliches Beweisangebot für seine Be-
hauptung, dieser Artikel sei vom Umweltschutz-
ministerium allen Zeitungen der Bundesrepublik
zugeschickt und seine Veröffentlichung verlangt
worden.
In diesem Zusammenhang vertritt der Wahlprü-
fungsausschuß die Auffassung, daß ein entspre-
chendes Verlangen seitens des Umweltministeri-
ums als höchst unwahrscheinlich angesehen
werden muß, da es bei der Strukturierung der
Presse in der Bundesrepublik Deutschland von
vorne herein zum Scheitern verurteilt gewesen
wäre.
c) Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch
mit der Behauptung stützen will, der Bayerische
Ministerpräsident habe als Kanzlerkandidat
Briefe an alle Rentner Bayerns verschickt, wobei
er sich die Anschriften unter Verletzung des Da-
tenschutzes bei den Landesversicherungsanstal-
ten besorgt habe, kann er keinen Erfolg haben.
Die Versendung von Wahlbriefen an bestimmte
Personengruppen wird von allen großen Parteien
praktiziert. § 22 Abs. 1 des Melderechts-Rahmen-
gesetzes hat gerade eine Rechtsgrundlage ge-
schaffen, um den Parteien und Wählergruppen
im Zusammenhang mit Wahlen zum Deutschen
Bundestag oder zum Europäischen Parlament
Daten über Wahlberechtigte zu erteilen, für de-
ren Zusammensetzung das Lebensalter der Be-
troffenen bestimmend ist. In diesem Zusammen-
hang kann auch auf § 21 Abs. 4 der Bundeswahl-
ordnung (BWO) verwiesen werden, wonach an
Trägern von Wahlvorschlägen Auszüge oder Ab-
schriften des Wählerverzeichnisses gegen Er-
stattung der Auslagen erteilt werden können. Da
die so zu erteilenden Gruppenauskünfte nicht
unter das „Sozialgeheimnis” fallen, können sie
auch, wenn sie von anderer Stelle erteilt werden
sollten, nicht unter datenschutzrechtlichen Kate-
gorien gesehen werden. Von dieser Möglichkeit
können alle Parteien und Wählergruppen Ge-
brauch machen. Unter dem Gesichtspunkt des
Grundsatzes der Chancengleichheit ist es uner-
heblich, wenn nur eine Partei diese gesetzlich
eingeräumte Möglichkeit nützt. Unter wahlrecht-
lichen Gesichtspunkten kann somit der „Rent-
nerbrief“ nicht zu einer Beanstandung führen.
d) Auch mit seiner Behauptung, durch Hirtenbrief
und Pfarrbriefe sei in unzulässiger Weise in den
Wahlkampf zugunsten der CSU eingegriffen wor-
den, kann der Einspruchsführer keinen Erfolg
haben. Wie das Bundesverfassungsgericht zum
Grundsatz der freien Wahl festgestellt hat, be-
93
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
steht die Wahlfreiheit zunächst darin, „daß jeder
Wähler sein Wahlrecht frei, d. h. ohne Zwang
oder sonstige unzulässige Beeinflussung von au-
ßen, ausüben kann. Durch sie soll vor allem die
freie Wahlbetätigung geschützt werden” [BVerf-
GE 7, 63 (69)]. Soweit sich die Grundsätze der
freien und der geheimen Wahl gegenseitig bedin-
gen, ist weniger die freie Willensentscheidung
oder die Freiheit des Entschlusses angesprochen,
als vielmehr die grundsätzlich garantierte Frei-
heit des einzelnen Wählers, seine in der Regel
schon vor der Wahlhandlung getroffene Ent-
scheidung frei von jeder Kontrolle und jedem
Druck in der Wahlhandlung zu dokumentieren
(vgl. auch Drucksache VI/1311, S 33). Der Bezug
auf die Lehre von der Unfehlbarkeit ist in diesem
Zusammenhang so abwegig, daß er keiner weite-
ren Erörterung bedarf. Auch wenn Pfarrer sich
mit Kreisvorsitzenden einer Partei zusammen-
tun, um Wahlaufrufe zu verfassen und zu verbrei-
ten, liegt das im Rahmen der zulässigen Wahl-
werbung und stellt keine, die freie Wahlhandlung
gefährdende Maßnahme dar.
e) Auch in der vom Einspruchsführer behaupteten
Forderung des Spitzenkandidaten der CDU/CSU,
des Ministerpräsidenten Strauß, bei einer Groß-
kundgebung sollten Zwischenrufer verhaftet
bzw. Plakate entfernt werden, kann eine Verlet-
zung wahlrechtlicher Bestimmungen, die den
Grundsatz der Chancengleichheit verletzt hätte,
nicht gesehen werden.
f) Soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch
auf die im Fernsehen und im Rundfunk veran-
stalteten Diskussionen mit Mitgliedern der im
Bundestag vertretenen Parteien rügt, ist kein
Rechtsverstoß erkennbar, der als Wahlfehler an-
gesehen werden könnte. In mehreren Entschei-
dungen hat das Bundesverfassungsgericht fest-
gestellt, daß die Anwendung des Grundsatzes der
gleichen Wettbewerbschancen der Parteien im
Bereich der Wahlpropaganda nicht erfordert, daß
alle Parteien im gleichen Umfang zu Wort kom-
men; die den einzelnen Parteien zustehenden
Sendezeiten dürfen entsprechend der Bedeutung
verschieden bemessen werden [BVerfGE 48, 271
(280); 7, 99 (108); 13, 204 (205); 14, 121 (134 ff.); 34,
160 (163 f.)].
Der Einspruchsführer hat auch keine konkreten
Maßnahmen vorgetragen, aus denen ersichtlich
geworden wäre, daß die Fernseh- bzw. Rundfunk-
anstalten, die ihrem Ermessen von Verfassungs
wegen gezogenen Grenzen gegenüber dem Ein-
spruchsführer überschritten hätten. Aus diesem
Grunde kann der Einspruchsführer mit seiner
Behauptung, durch das Verhalten der Rundfunk-
und Fernsehanstalten seien die Wähler irrege-
führt worden, nicht gehört werden.
Sind damit die vom Einspruchsführer aufgestellten
Behauptungen weder einzeln noch in ihrer Gesamt-
heit geeignet, dem Einspruch zum Erfolg zu verhel-
fen, war er in vollem Umfange als offensichtlich un-
begründet im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG zu-
rückzuweisen.
Rechtsmittelbelehning
Gegen diesen Bescheid kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
94
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 40
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 34/80 — des Herrn Carl Reif,
wohnhaft: Bartensteiner Straße 4, 7000 Stuttgart 40,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt
Zur Begründung seines Einspruchs führt er aus,
Bundeskanzler Schmidt habe wider besseres
Wissen in Wahlkundgebungen ausgeführt:
„Eine CDU/CSU-Regierung mit Strauß sei eine
Gefährdung des Friedens und der menschli-
chen Erleichterungen in der DDR, obwohl der
Bundeskanzler vom Geheimdienst vor der
Wahl über die nach der Bundestagswahl am
5. Oktober 1980 von der DDR vollzogenen Maß-
nahmen — Zwangsumtausch — unterrichtet
war.“
Diese Äußerung des Bundeskanzlers sei eine
massive, das Wahlergebnis berührende Wähler-
beeinflussung gewesen, die einen Einspruch
rechtfertige. Darüber hinaus sei der Einspruch
aber auch begründet durch die eine freie Mei-
nungsäußerung überschreitende Grenze des Ar-
tikel 5 GG und die Grundsätze einer demokrati-
schen Wahl grob verletzende, schamlose und
hemmungslose Aktion vielseitiger Art mit dem
Begriff: „Stoppt Strauß.’' Dies sei eine rechtswid-
rige Beeinflussung der Wähler, die sich im Wahl-
ergebnis niederschlage.
Zum Beweis seiner Behauptungen verweist er
auf Parteimaterial der CDU/CSU und die Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sa-
chen Böll/Walden.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Unerläßliches Merkmal eines demokratischen
Staatswesens ist die Freiheit der Wahl. Diese besagt
in erster Linie, daß jeder Wahlberechtigte sein Wahl-
recht frei, d. h. ohne Zwang oder Druck oder sonstige
unzulässige direkte oder indirekte Einflußnahme
auf die Entscheidungsfreiheit — durch die öffentli-
che Hand, durch politische Parteien oder andere
Wahlvorschlagsträger und ihre Wahlbewerber,
durch sonstige Institutionen oder von privater Seite
— ausüben können muß und daß keine wie auch im-
mer geartete Kontrolle der Stimmabgabe des Wäh-
lers erfolgen darf [vgl. BVerfGE 7, 63, (69); 47, 253
(282)].
In einer Demokratie erhält der Grundsatz der Wahl-
freiheit bei der Wahlpropaganda eine besondere Be-
deutung. Diese richtet sich grundsätzlich nicht ge-
gen die Entschließungsfreiheit der Wähler, sondern
soll diese grundsätzlich erst ermöglichen. Es ent-
spricht der Natur der Sache, daß die Auseinander-
setzung im Wahlkampf zum Teil in polemischer bzw.
agitatorischer Form erfolgt. Daraus ergibt sich, daß
im Wahlkampf auch scharfe Formulierungen er-
laubt sind, die grundsätzlich nicht gegen die Vor-
schriften der allgemeinen Gesetze im Sinne des Ar-
tikels 5 Abs. 2 GG und das Rechts der persönlichen
Ehre verstoßen. Wer als Wahlbewerber auf tritt, muß
grundsätzlich damit rechnen, daß er von seinem po-
litischen Gegner hart angegriffen und u. U. durch ab-
wertende Urteile verletzt wird. Eine unzulässige
Wahlbeeinflussung liegt aber nur dann vor, wenn die
Wahlberechtigten in ihrer Entscheidungsfreiheit be-
troffen sind, wobei davon auszugehen ist, daß der
durchschnittliche Wähler eine übertriebene Polemik
und Agitation eher zu durchschauen in der Lage ist
und ihnen, je schärfer die Angriffe formuliert wer-
den, um so skeptischer gegenübersteht (vgl. auch
Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deut-
schen Bundestag, Bd. 1, S. 72 f. und die dort angege-
bene Literatur).
Zwar kann die vom Einspruchsführer gerügte Be-
hauptung als schwerwiegende Ehrverletzung gese-
hen werden; sie darf jedoch nicht aus dem Gesamt-
zusammenhang der Wahlkampf auseinandersetzung
vor der Bundestagswahl vom 5. Oktober 1980 be-
trachtet werden. Unter diesem Gesichtspunkt ver-
95
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
mag der Wahlprüfungsausschuß in der beanstande-
ten Behauptung keine die Wahlfreiheit beeinträchti-
gende und damit das Wahlergebnis verfälschende
Wahlpropaganda zu erblicken.
Ob der Bundeskanzler bei der vom Einspruchsfüh-
rer gerügten Behauptung bereits wußte, daß nach
der Bundestagswahl von den Behörden der DDR
Maßnahmen ergriffen würden, die den menschli-
chen Kontakt zwischen den Bürgern der Bundesre-
publik Deutschland und der DDR erschweren wür-
den, kann nach Auffassung des Wahlprüfungsaus-
schusses dahingestellt bleiben, dies um so mehr, als
kein Wahlbewerber, also auch nicht die Mitglieder
der Regierung, unter wahlrechtlichen Gesichts-
punkten verpflichtet ist, alle ihm bekannten, seine
Wahlchancen möglicherweise verringernden Tatsa-
chen vor der Wahl zu offenbaren.
Auch mit dem Hinweis auf die Aktion „Stoppt
Strauß” kann der Einspruchsführer seinen Ein-
spruch nicht begründen. Zwar kann nicht verkannt
werden, daß plakative Wahlpropaganda durchaus
geeignet erscheint, Einfluß auf die Wahlberechtigten
auszuüben; außer den bereits dargelegten Gründen
muß andererseits jedoch davon ausgegangen wer-
den, daß sich die Wähler nicht ohne weiteres durch
derartige Aktionen zu einer bestimmten Stimmab-
gabe zwingen lassen. Dies muß um so mehr gelten,
als die beanstandete Form der plakativen Wahlwer-
bung auf „eine Seite“ beschränkt blieb. Bereits in
früheren Entscheidungen hat der Wahlprüfungsaus-
schuß darauf hingewiesen, daß überzogene Wahl-
werbung möglicherweise beim Wähler den gegentei-
ligen Effekt hervorrufen kann.
Ist somit ein den Grundsatz der freien Wahl verlet-
zender Verstoß nicht erkennbar, war der Einspruch
im Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
96
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 41
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 35/80 — der Anna und Ursula
Rusche und des Erhard Rusche, wohnhaft: Bentweg 7, 4930 Det-
mold 17,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1980 haben die
Einspruchsführer beim Kreiswahlleiter Höxter-
Lippe II, das dieser mit Schreiben vom 27. Okto-
ber 1980 zuständigkeitshalber dem Deutschen
Bundestag zugeleitet hat, Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl im Wahlkreis 106 — Höxter-
Lippe II, eingelegt.
Zur Begründung ihres Einspruchs tragen sie vor,
im Wahlbezirk 48 der Stadt Detmold — Grund-
schule Hiddesen — seien nur zwei Stimmen für
die Liste 9 — NPD — vom Wahlvorstand des
Wahlbeziks48 festgestellt worden, obwohl alle
Einspruchsführer diese Liste, also die NPD, ge-
wählt hätten.
Sie erklären an Eides Statt, die Liste 9 — Zweit-
stimme — gewählt zu haben und bitten um noch-
malige Nachzählung der Stimmen in diesem
Wahlbezirk.
Aus dem vom Kreiswahlleiter für die Bundes-
tagswahl des Wahlbezirks 48 der Stadt Detmold
übermittelten Ergebnis der festgestellten Stimm-
abgaben ergibt sich, daß für die Liste 9 — NPD —
lediglich zwei Stimmen — Zweitstimmen — ab-
gegeben wurden. Aus der ebenfalls beigefügten
amtlichen Bekanntmachung des endgültigen Er-
gebnisses im Wahlkreis 106 Höxter-Lippe II er-
gibt sich, daß für die NPD insgesamt 211 Zweit-
stimmen abgegeben wurden.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Jeder Wähler kann, ohne den Grundsatz der gehei-
men Wahl zu verletzen, vor und nach der Wahlhand-
lung bekanntgeben, welche Wahlentscheidung er
treffen wird bzw. getroffen hat. Er ist jedoch gesetz-
lich nicht verpflichtet, bei der Preisgabe seines
Wahlgeheimnisses die Wahrheit zu sagen. Aus die-
sem Grunde kann zwar unterstellt werden, daß die
Einspruchsführer sich gegenseitig versichert haben,
mit ihrer Zweitstimme die Liste 9 — NPD — gewählt
zu haben; es kann jedoch nicht davon ausgegangen
werden, daß diese Versicherungen, auch wenn sie
„an Eides Statt“ gegenüber dem Kreiswahlleiter ab-
gegeben werden, den Tatsachen entsprechen.
Abgesehen davon, daß im konkreten Fall eine amtli-
che Nachprüfung unter Umständen den Grundsatz
der geheimen Wahl berühren könnte — sind in ei-
nem Wahlbezirk nur wenige Stimmen für eine be-
stimmte Partei abgegeben worden, ist diese Gefahr
um so größer — , sieht der Wahlprüfungsausschuß
keine Veranlassung, eine entsprechende Nachprü-
fung vornehmen zu lassen. Aufgabe des Wahlprü-
fungsausschusses ist es vielmehr festzustellen, ob
durch Verletzung der Wahlrechtsbestimmungen das
Ergebnis der Bundestagswahl beeinflußt worden
ist bzw. hätte beeinflußt werden können [seit
BVerfGE 4, 370 (372 f) ständige Rechtsprechung].
Selbst wenn versehentlich eine für die Liste 9 —
NPD — abgegebene Zweitstimme unrichtig gezählt
worden sein sollte, hätte das auf das Wahlergebnis
bzw. auf die Sitzverteilung im Bundestag keinen
Einfluß haben können, da auf die NPD im gesamten
Bundesgebiet an Zweitstimmen nur 0,2 v. H. der ab-
gegebenen gültigen Stimmen entfielen. Auch wenn
unterstellt wird, daß eine angeblich für die NPD ab-
gegebene Zweitstimme irrtümlich einer anderen am
Verhältnisausgleich gemäß § 6 BWG teilnehmenden
Partei zugerechnet worden wäre, hätte das nach den
Feststellungen des Bundeswahlleiters keinen Ein-
fluß auf die Sitzverteilung im 9. Deutschen Bundes-
tag haben können.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
97
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
98
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 42
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 43/80 — des Herrn
Hans SchÖttler, wohnhaft: 8358 Sandbach Nr. 7,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Sein Schreiben hat er ferner allen Mitgliedern
des Deutschen Bundestages und der Länderpar-
lamente zugeleitet
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
durch das bestellte Attentat auf dem Münchener
Oktoberfest sei die Wählermeinung gegen die an-
geblich rechts stehende Opposition manipuliert
worden. Darüber hinaus seien die Wähler, da
viele die wahren Hintergründe nicht gekannt
oder geahnt hätten, durch diese Einschüchterung
in der Freiheit ihrer Wahl erheblich behindert
worden.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet
Die Wahlprüfung dient dem Schutze des objektiven
Wahlrechts, d. h. der Erzielung der gesetzmäßigen
Zusammensetzung des Deutschen Bundestages [vgl.
BVerfGE 48, 271 (280) mit weiteren Nachweisen].
Zwar hat der Einspruchsführer für seinen Ein-
spruch auf ein konkretes Ereignis — Attentat auf
dem Münchener Oktoberfest — verwiesen, dennoch
hat er keine konkreten Tatsachen vorgebracht, die
erkennen lassen, in welchem Tatbestand ein mögli-
cher Wahlfehler erblickt werden soll. Nur auf die
Verletzung wahlrechtlicher Bestimmungen kann
ein Einspruch begründet werden.
Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, daß das At-
tentat auf dem Oktoberfest in München Einfluß auf
die subjektive Wahlentscheidung von Wahlberech-
tigten gehabt hat. Auf die bloße Vermutung oder Be-
hauptung, es wäre in der Wahlkampf auseinander-
setzung nur „einer Seite“ zugute gekommen, weil es
auch von dieser Seite initiiert worden sei, kann der
Wahleinspruch jedoch nicht gestützt werden.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
99
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 43
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 46/80 — des Herrn
Karl Heinz Schreiber, wohnhaft: Berliner Straße 4, 3444 Wehre tal 2,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 2. November 1980 hat der Ein-
spruchsführer sich an den Gemeindewahlleiter
der Gemeinde Wehretal gewandt mit der Bitte,
wegen eines Verstoßes gegen das Wahlgeheimnis
die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen
einzuleiten. Mit Schreiben vom 4. November 1980
hat die Gemeinde Wehretal das Schreiben des
Einspruchsführers unter Bezugnahme auf § 2
Abs. 3 des Wahlprüfungsgesetzes dem Deutschen
Bundestag zugeleitet.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt der Ein-
spruchsführer vor, auf einer Veranstaltung der
SPD am 24. Oktober 1980 habe der in den Wahl-
vorstand des Wahlbezirkes Hoheneiche berufene
Werner Axt den Anwesenden mitgeteilt, daß er,
der Einspruchsführer, von seinem Wahlrecht kei-
nen Gebrauch gemacht habe. Diese Information
habe er nur schlüssig aus dem Wählerverzeichnis
entnehmen können. In der Bekanntgabe seiner
Nichtbeteiligung an der Bundestagswahl sehe er
eine eklatante Verletzung des Wahlgeheimnis-
ses.
2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündli-
chen Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Der Grundsatz der Geheimhaltung der Wahl bezieht
sich nicht nur auf den eigentlichen Wahlakt; der
Wahlberechtigte hat auch ein Recht darauf, daß sein
Stimmverhalten bzw. die Nichtteilnahme an der
Wahl auch über den Wahltag hinaus geschützt wird.
Entsprechend werden der Wahlvorsteher und sein
Stellvertreter gemäß § 6 Abs. 3 der Bundeswahlord-
nung (BWO) darüber belehrt, daß sie zur Verschwie-
genheit über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit
bekanntgewordenen Tatsachen, insbesondere über
alle dem Wahlgeheimnis unterliegenden Angelegen-
heiten nunmehr verpflichtet sind.
Das gleiche gilt für die Beisitzer, wenn sie gemäß
§ 53 Abs. 1 BWO vom Wahlvorsteher verpflichtet
worden sind.
Könnte daher auch in dem Schreiben des Ein-
spruchsführers an den Gemeindewahlleiter mit der
Aufforderung, „die entsprechenden gesetzlichen
Maßnahmen gegen Axt einzuleiten“ eine Anzeige
wegen Verstoßes gegen Geheimhaltungs- Verpflich-
tungen erblickt werden, kann im Rahmen des Wahl-
prüfungsverfahrens lediglich geprüft werden, ob
durch eine evtl. Verletzung des Grundsatzes der Ge-
heimhaltung der Wahl das Wahlergebnis verfälscht
wurde.
Selbst wenn unterstellt wird, daß ein Mitglied des
Wahlvorstandes unter Verletzung der Verschwie-
genheitspflicht der Öffentlichkeit nach der Wahl be-
kanntgibt, ob ein Wahlberechtigter an der Wahl teil-
genommen hat oder nicht, wäre dies zwar ein Ver-
stoß gegen wahlrechtliche Bestimmungen, hätte je-
doch im konkreten Fall keinen Einfluß auf das Wahl-
ergebnis haben können.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
101
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 44
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 51/80 — der Frau Hedwig
Koller und des Herrn Rudolf Koller, wohnhaft: Schulstraße 10,
7144 Asperg,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 9. November 1980 haben die
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt. Zur Begründung führen sie aus, im Wahl-
kreis 169 — Ludwigsburg — im Wahlbezirk I —
Rathaus — der Stadt Asperg seien sie um ihre
Stimme betrogen worden und es bestehe der Ver-
dacht, daß es dabei noch um mehr Stimmen ge-
gangen sei. Aus einem Klammerhinweis „(zu
gunsten der NPD)“ muß entnommen werden, daß
die Einspruchsführer behaupten wollen, sie hät-
ten ihre Stimme der NPD gegeben, da sie an-
schließend darauf hinweisen, in der Feststellung
des Ergebnisses für das betreffende Wahllokal
habe es keine NPD-Stimme gegeben.
Mit Schreiben vom 25. November 1980 hat die
Stadt Asperg zu dem Vorbringen der Einspruchs-
führer Stellung genommen und u. a. ausgeführt,
die NPD habe im gesamten Stadtgebiet Asperg
41 Stimmen erzielt. Bei der Überprüfung der
Wahlniederschrift und der Stimmzettel des
Stimmbezirks I hätten keine Fehler festgestellt
werden können. Es sei lediglich aufgefallen, daß
bei den ungültigen Stimmzetteln einige Stimmen
auf die NPD entfallen seien, die aber nicht hätten
gewertet werden können, weil auf denselben
Stimmzetteln eine oder mehrere Parteien eben-
falls mit einer Stimme bedacht worden seien. Die
betreffenden Stimmen hätten gemäß § 39 Abs. 1
Nr. 5 BWG als ungültig gewertet werden müssen.
Aus der beigefügten Wahlniederschrift über die
Ermittlung und Feststellung des Ergebnisses der
Wahl im Wahlbezirk I — Rathaus — ergibt sich,
daß für die NPD — ein Direktbewerber kandi-
dierte in diesem Wahlkreis für die NPD nicht —
keine gültige Zweitstimme abgegeben worden
ist.
2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündli-
chen Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Jeder Wähler kann ohne den Grundsatz der gehei-
men Wahl zu verletzen, vor und nach der Wahlhand-
lung bekanntgeben, welche Wahlentscheidung er
treffen wird bzw. getroffen hat. Er ist jedoch gesetz-
lich nicht verpflichtet, bei der Preisgabe seines
Wahlgeheimnisses die Wahrheit zu sagen. Auch auf-
grund einer Versicherung in der Begründung eines
Wahleinspruchs, bei der Wahl eine bestimmte Partei
gewählt zu haben, kann nicht mit absoluter Sicher-
heit geschlossen werden, daß diese Versicherung
den Tatsachen entspricht. Darüber hinaus kann un-
ter Berücksichtigung der Stellungnahme der Stadt
Asperg nicht ausgeschlossen werden, daß die Ein-
spruchsführer zwar ihre Stimme der NPD geben
wollten, diese jedoch nicht gewertet werden konn-
ten, weil sie aus den von der Stadt Asperg dargeleg-
ten Gründen als ungültig anzusehen waren.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zu Wahleinsprüchen gegen die Gültigkeit
von Bundestagswahlen vermögen nur solche Wahl-
fehler einen Wahleinspruch zu bergründen, die auf
die Mandatsverteilung von Einfluß waren oder hät-
ten sein können. Infolgedessen scheiden alle Ver-
stöße von vornherein als unerheblich aus, die das
Wahlergebnis nicht berühren. Aber auch solche
Wahlfehler, die das Wahlergebnis betreffen, sind
dann unerheblich, wenn sie angesichts des Stim-
menverhältnisses keinen Einfluß auf die Mandats-
verteilung haben können [seit BVerfGE 4, 370
(372 f.), ständige Rechtsprechung, der sich der Bun-
destag in allen entsprechenden Entscheidungen an-
geschlossen hat].
Abgesehen davon, daß im konkreten Fall eine amtli-
che Nachprüfung ggf. den Grundsatz der geheimen
Wahl berühren könnte, sieht der Wahlprüfungsaus-
schuß keine Veranlassung, eine weitere Nachprü-
fung vornehmen zu lassen. Aus dem amtlichen
Wahlergebnis des Wahlkreises 169 — Ludwigsburg
103
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
— ergibt sich, daß für die NPD insgesamt lediglich
454 Zweitstimmen, gleich 0,3 v. H. der Stimmen, ab-
gegeben wurden. Auch wenn die beiden Stimmen
der Einspruchsführer als Zweitstimmen der NPD
zugute gekommen wären, hätte dies auf das Wahler-
gebnis weder im Wahlkreis selbst noch im gesamten
Bundesgebiet Einfluß gehabt
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3, Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
104
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 45
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 53/80 — der Herren Fritz
Faßbender und Georg Grabkowski, beide wohnhaft in 5440 Mayen,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 13. November 1980 haben die
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt.
Zur Begründung ihres Einspruchs tragen sie vor,
in Mayen hätten sich 2 345 Bürger ( = 16,24 v. H.)
für die Briefwahl entschieden. Ein Drittel dieser
Briefwähler (ca. 5,3 v. H. aller Mayener Wähler)
habe sich von einigen wenigen Vertretern einer
Partei die Briefwahlunterlagen ins Haus bringen
lassen. Dabei hätten die erfolgreichsten Werber
etwa 100 Unterlagen pro Werber von der Stadt-
verwaltung Mayen abgeholt. Die Anzahl der an
diese Interessengruppen ausgegebenen Brief-
wahlunterlagen belaufe sich auf ca. 700 bis 800.
Da nicht auszuschließen sei, daß sich diese von
Parteiwerbern überredeten Briefwähler auch in
ihren Wahlentscheidungen hätten beeinflußen
lassen, sei ebenfalls nicht auszuschließen, daß
sich von diesen Wählern 150 in freier und unbe-
einflußter Wahl dann für die FDP oder auch 460
für die SPD entschieden hätten. Das hätte aber
eine andere Sitzverteilung im Deutschen Bun-
destag zur Folge gehabt.
Die Einspruchsführer vertreten die Auffassung,
da der Stadtverwaltung Mayen der massive Ein-
satz von Wahlwerbern vor dem 5. Oktober 1980
bekanntgeworden sei, hätte man in analoger An-
wendung des § 32 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) diese Parteiinitiative sofort zurückweisen
müssen, notfalls mit der Androhung, diese Stim-
men nicht zu werten.
Aufgrund der Eingangsbestätigung vom 18. No-
vember 1980 teilten die Einspruchsführer mit
Schreiben vom 25. November 1980 ergänzend
mit, der Kreiswahlleiter habe zwischenzeitlich
ihre Behauptung bestätigt, u. a. auch, daß die er-
folgreichsten Sammler 155, 144, 121, 101, 72 und 63
Unterlagen je Sammler für andere Wähler be-
sorgt hätten.
Auf Anforderung des Wahlprüfungsausschusses
hat die Stadtverwaltung Mayen mit Schreiben
vom 1. Dezember 1980 zu dem Vorbringen der
Einspruchsführer Stellung genommen. Nach Be-
stätigung der von den Einspruchsführern ange-
gebenen Zahl der Briefwähler und der an 15 Per-
sonen ausgehändigten Briefwahlunterlagen wird
ausgeführt, die Stadt Mayen habe den Appell des
Bundeswahlleiters vom 30. April 1980 den örtli-
chen Parteiorganisationen zur Kenntnis ge-
bracht. Sie habe ferner in einer Besprechung mit
den örtlichen Parteiorganisationen die Proble-
matik der Briefwahl besprochen und die beste-
henden wahlrechtlichen Vorschriften eingehend
erläutert. Landes- und Kreiswahlleiter hätten die
örtlichen Wahlämter angewiesen, bei der Aus-
gabe von Briefwahlunterlagen die bestehenden
wahlrechtlichen Vorschriften strikt zu beachten.
Dies habe die Stadt Mayen getan. Es seien in je-
dem Einzelfall, in dem Briefwahlunterlagen
nicht vom Wähler selbst beantragt bzw. abgeholt
wurden, schriftliche Vollmachten verlangt wor-
den. Vollmachten, die zur Antragstellung bzw. zu
Empfangnahme von Briefwahlunterlagen be-
rechtigten, seien auch von den „Helfern“ in je-
dem Einzelfalle vorgelegt worden. In allen Fällen
sei eingehend geprüft worden, ob ein Grund, der
zur Beantragung von Briefwahlunterlagen be-
rechtige, angegeben gewesen sei. Anträge, bei de-
nen dies nicht der Fall gewesen sei, seien zurück-
gewiesen worden.
In einem Fernschreiben vom 26. September 1980
habe der Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz den
Kreiswahlleitern zur Briefwahlwerbung mitge-
teilt:
„Ich halte es daher für vertretbar und unter
Umständen sogar für geboten, daß in den ge-
schilderten Fällen, d. h., wenn immer einem
Wahlhelfer eine Vielzahl von Vollmachten vor-
liegt, die auf systematische Besuche ganzer
Straßenzüge schließen läßt, die Briefwahlun-
terlagen entgegen der erteilten Vollmacht di-
rekt an den Wahlberechtigten in der sonst übli-
chen Weise zugestellt werden.“
105
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Der Kreiswahlleiter habe dieses Fernschreiben
mit Schreiben vom 29. September 1980, eingegan-
gen am 1. Oktober 1980, übersandt und empfoh-
len, entsprechend zu verfahren. Von diesem Zeit-
punkt an seien nur noch Einzelanträge eingegan-
gen.
Ob es durch den Einsatz der Briefwahlhelfer im
Einzelfalle zu Beeinflussungen von Briefwählern
gekommen sei, könne von dort aus nicht beurteilt
werden.
Aufgrund der Berechnungen des Bundeswahllei-
ters betreffend die für eine Veränderung der Sitz-
verteilung um einen Sitz erforderliche Stimmen-
verschiebung ergibt sich, daß, hätte die FDP, bei
Status-quo im übrigen, 131 mehr Zweitstimmen
erhalten, oder die CDU, bei Status-quo im übri-
gen, 428 Zweitstimmen weniger erhalten, so hätte
durch Los entschieden werden müssen, welcher
der beiden Parteien der Sitz zugefallen wäre.
2. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6
Abs. 1 a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPG)
von der Anberaumung einer öffentlichen mündli-
chen Verhandlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Die Möglichkeit, an Stelle der persönlichen Stimm-
abgabe durch Briefwahl an einer Bundestagswahl
teilzunehmen, ist ausdrücklich durch § 36 BWG er-
öffnet und grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden. Durch die Möglichkeit der Brief-
wahl soll möglichst allen Wahlberechtigten, die aus
beruflichen, gesundheitlichen oder sonstigen Grün-
den am Wahltag selbst nicht die persönliche Stimm-
abgabe vornehmen können, die Gelegenheit gege-
ben werden, an der Wahl teilzunehmen. Aus diesen
Gründen muß die Briefwahl eine Ausnahme sein
und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wer-
den, die insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß
die Verfassungsgrundsätze der freien und geheimen
Wahl nicht verletzt werden. Um auf der einen Seite
möglichst allen Wahlberechtigten die Möglichkeit
der Wahlrechtsausübung zu eröffnen, schreibt § 19
Abs. 2 BWO vor, daß mit der Benachrichtigung an
den Wahlberechtigten, er sei in das Wählerverzeich-
nis eingetragen, ein Vordruck für einen Antrag auf
Ausstellung eines Wahlscheines beizufügen ist, ent-
hält die Bundeswahlordnung auf der anderen Seite
Regelungen, die die Gewähr dafür bieten sollen, daß
die Verfassungsgrundsätze der freien und geheimen
Wahl nicht verletzt werden. Um bereits bei früheren
Bundestagswahlen aufgetretenen Bedenken hin-
sichtlich der Gewährleistung der genannten Verfas-
sungsgrundsätze zu begegnen, wurden insbesondere
zum Ausschluß von möglichen Manipulationen bei
der Briefwahl Verschärfungen bezüglich der Vor-
aussetzungen zur Teilnahme an der Briefwahl in die
Bundeswahlordnung auf genommen [BWO vom
8. November 1979 (BGBl I S. 1805)].
So muß der Antragsteller gemäß § 27 Abs. 2 BWO
den Grund für die Erteilung eines Wahlscheines
glaubhaft machen, da die Eröffnung der Briefwahl
nicht dazu dient, den Wahlberechtigten aus Bequem-
lichkeitsgründen den Weg zum Wahllokal zu erspa-
ren. Aufgrund dieser Bestimmung muß also der An-
tragsteller dartun, daß einer der Gründe des § 25
Abs. 1 BWO für ihn zutrifft.
Ferner schreibt § 27 Abs. 3 BWO vor, daß derjenige,
der den Antrag für einen anderen stellt, durch Vor-
lage einer schriftlichen Vollmacht nachweisen muß,
daß er dazu berechtigt ist. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1
BWO dürfen an einen anderen als den Wahlberech-
tigten persönlich Wahlschein- und Briefwahlunter-
lagen nur ausgehändigt werden, wenn die Berechti-
gung zur Empfangnahme durch Vorlage einer
schriftlichen Vollmacht nachgewiesen wird. Schließ-
lich bestimmt § 36 Abs. 2 Satz 1 BWG, daß der Wäh-
ler oder die Person seines Vertrauens auf dem Wahl-
schein gegenüber dem Kreiswahlleiter an Eides
Statt zu versichern hat, daß der Stimmzettel persön-
lich oder gemäß dem erklärten Willen des Wählers
gekennzeichnet worden ist. Diese Versicherung ist
für die Gültigkeit der Stimme maßgeblich. Eine wis-
sentlich falsche Versicherung an Eides Statt ist ge-
mäß § 156 StGB unter Strafe gestellt.
Ob mit den vorstehend genannten Bestimmungen
alle Möglichkeiten erschöpft sind, um Unkorrekthei-
ten bei der Briefwahl in ausreichendem Maße zu be-
gegnen, kann danhingestellt bleiben; seitens der
Stadtverwaltung Mayen ist, wie sich aus der Aus-
kunft vom 1. Dezember 1980 ergibt, alles Erforderli-
che getan worden, um eine Einhaltung der wahl-
rechtlichen Bestimmungen zu erreichen. Ob seitens
der Stadtverwaltung Mayen schon vor Erhalt des
Fernschreibens des Landeswahlleiters vom 26. Sep-
tember 1980 der Anregung entsprechend hätte ver-
fahren werden sollen, bedarf insoweit keiner weite-
ren Nachprüfung.
Die Stadtverwaltung Mayen konnte wohl kaum un-
terstellen, daß mit jeder Besorgung von Briefwahl-
unterlagen durch Wahlhelfer eine Wahlbeeinflus-
sung verbunden sei.
Dies muß um so mehr gelten, als der in § 14 Abs. 4
BWG niedergelegte Grundsatz der persönlichen
Ausübung des Wahlrechtes durch § 36 Abs. 2 Satz 1
BWG weitgehend gesichert ist.
Die Einspruchsführer haben dann auch ihren Ein-
spruch nur auf Vermutungen gestützt, ohne auch
nur für einen konkreten Fall Beweise dafür anzubie-
ten, daß durch die geschilderten Vorgänge in Mayen
der Grundsatz der freien und geheimen Wahl ver-
letzt worden wäre. Aus diesem Grunde kann auch
der Anregung der Einspruchsführer nicht gefolgt
werden, Befragungen der „Wahlhelfer“ vorzuneh-
men. Abgesehen davon, daß eine entsprechende Be-
fragung u. U. geeignet wäre, das Wahlgeheimnis zu
verletzen, würde das Ergebnis der Befragung über
die konkrete Entscheidung keine Hilfe bedeuten.
Selbst wenn in einigen Fällen aufgrund der Darstel-
lungen der Einspruchsführer sich Wahlberechtigte
durch die Übermittlung der Briefwahlunterlagen
hätten beeinflussen lassen, hätte dies, auch unter
106
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Berücksichtigung der vom Bundeswahlleiter festge-
stellten erforderlichen Stimmverschiebung zur Er-
langung eines weiteren bzw. Verlust eines Mandats
keinen Einfluß auf die Sitzverteilung im 9. Deut-
schen Bundestag gehabt
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
107
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 46
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 54/80 — der Kölner Alterna-
tive — Gruppe Nippes — Bunte Liste/Wehrt Euch und Die Grünen,
Kreisverband Köln — , vertreten durch Herrn Hans Spille, wohnhaft:
Eichstraße 5, 5000 Köln,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
1. Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
2. Es wird festgestellt, daß bei dem vom Bundeswahlleiter im Bundes-
anzeiger vom 24. Oktober 1980 — Nr. 200 — ge-
mäß § 79 Abs. 1 der Bundeswahlordnung be-
kanntgemachten endgültigen Ergebnis der
Wahl zum 9. Deutschen Bundestag im Wahl-
kreis 60 den GRÜNEN zehn Zweitstimmen zu
wenig und der DKP zehn Zweitstimmen zu viel
zugeordnet wurden.
3. Die zuständigen Wahlorgane werden gebeten, diese Feststellung zu
berücksichtigen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 12. November 1980 hat der
Beauftragte der Einspruchsführer beim Wahl-
amt der Stadt Köln Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt. Mit Schreiben vom 13. November 1980 hat
die Stadt Köln den Einspruch zuständigkeitshal-
ber dem Deutschen Bundestag zugeleitet.
Zur Begründung des Einspruchs trägt der Beauf-
tragte der Einspruchsführer vor, das vom Stati-
stischen Amt der Stadt Köln ermittelte Ergebnis
im Stimmbezirk 212 (Brühler Straße) könne
nicht richtig sein, da nach diesen Feststellungen
die DKP zehn Zweitstimmen erhalten haben sol-
le, während auf DIE GRÜNEN keine Zweitstim-
men entfallen sei. Unter Hinweis auf früher be-
kanntgegebene Wahlergebnisse (Europawahl,
Kommunalwahl, Landtagswahl) könne nur eine
Verwechslung der Stimmen zwischen DKP und
den GRÜNEN erfolgt sein.
Mit Schreiben vom 26. November 1980 hat die
Stadt Köln auf Anforderung des Wahlprüfungs-
ausschusses die Wahlniederschrift zur Bundes-
tagswahl am 5. Oktober 1980 in Köln, Wahlbe-
zirk 212, übermittelt. Dazu teilt die Stadt Köln
mit:
„Trotz sorgfältiger Erfassung der Ergebnisse
am Abend des Wahltages und trotz eines daran
anschließenden Abgleiches zwischen dem
EDV- Ausdruck und den Original-Wahlnieder-
schriften ist hier die falsche Zuordnung der
Stimmen übersehen worden. Es trifft zu, daß
die zehn Zweitstimmen nicht zur DKP gehö-
ren, sondern auf DIE GRÜNEN entfallen
sind.”
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Unbegründet ist der Einspruch, weil die falsche Zu-
ordnung der zehn Zweitstimmen auf die Sitzvertei-
lung im 9. Deutschen Bundestag keinen Einfluß ge-
habt hat. Deshalb war der Einspruch als unbegrün-
det zurückzuweisen.
Da die falsche Zuordnung der zehn Zweitstimmen in
der Wahlniederschrift des Wahlbezirks 212 im Wahl-
kreis 60 — Köln II — Eingang in die vom Bundes-
wahlleiter gemäß § 79 Abs. 1 der Bundeswahlord-
nung (BWO) zu veröffentliche Bekanntmachung
über das endgültige Ergebnis der Wahl zum 9. Deut-
schen Bundestag — Bundesanzeiger vom 24. Okto-
ber 1980, Nr. 200 — gefunden hat, wonach DIE GRÜ-
109
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
NEN 569589 und die DKP 71600 Zweitstimmen er-
halten haben, mußte, obwohl diese falsche Zuord-
nung auf die Sitzverteilung im 9. Deutschen Bundes-
tag keinen Einfluß gehabt hat, aufgrund der eindeu-
tigen Sachlage festgestellt werden, daß das Wahler-
gebnis insoweit nicht ordnungsgemäß war. Zwar hat
das Bundesverfassungsgericht die Auffassung ver-
treten, die Regelung der Wahlkampf kostenerstat-
tung in § 18 PartG gebe keinen Anlaß, von der zitier-
ten ständigen Rechtsprechung abzuweichen und die
Wahlprüfung auf mögliche Verschiebungen des
Zweitstimmen-Ergebnisses zu erstrecken, obwohl
eine Änderung der Mandatsverteilung auszuschlie-
ßen sei. Gegenstand der Wahlprüfung sei die Gültig-
keit einer Wahl. Die Gültigkeit einer abgelaufenen
Wahl könne aber nicht dadurch berührt werden,
daß aufgrund einer fehlerhaften Feststellung des
Stimmergebnisses den Parteien bei der nachträgli-
chen Erstattung der Wahlkampf kosten zu hohe oder
zu niedrige Beiträge zuflössen [vgl. BVerfGE 40, 11
(29)].
Soweit diese Feststellungen auf die „Gültigkeit einer
abgelaufenen Wahl” abstellen, kann der Auffassung
des Bundesverfassungsgerichts gefolgt werden. Das
schließt jedoch nicht aus, daß aufgrund einer Wahl-
anfechtung im Rahmen der Wahlprüfung Feststel-
lungen bezüglich einer Korrekturbedürftigkeit des
veröffentlichten amtlichen Wahlergebnisses getrof-
fen werden, auch wenn die festgestellte unrichtige
Auszählung der Stimmen auf die Sitzverteilung im
Bundestag keinen Einfluß gehabt hat. Der Wahlprü-
fungsausschuß hat sich veranlaßt gesehen, in frühe-
ren Entscheidungen darauf hinzuweisen, es sei zwar
einzuräumen, daß die Zurückweisung eines Ein-
spruchs wegen mangelnder Erheblichkeit auf die
Sitzverteilung im Einzelfall auf wenig Verständnis
stoßen möge, weshalb er es in diesen Fällen nicht bei
der Zurückweisung belassen habe, sondern bemüht
gewesen sei, im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür
Sorge zu tragen, daß eine Wiederholung entspre-
chender Fehler bei den nächsten Wahlen ausge-
schlossen werde [vgl. Drucksachen VI/343; VI/1311
S. 25 ff.; 7/1956 S. 27]. Zwar können Zähl- bzw. Zuord-
nungsfehler auch durch entsprechende Hinweise in
den Beschlüssen in Wahlanfechtungsangelegenhei-
ten für die Zukunft nicht vollständig ausgeschlossen
werden; da es jedoch nach Bekanntmachung des
amtlichen Wahlergebnisses durch den Bundeswahl-
leiter außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens keine
Möglichkeiten mehr gibt, das Wahlergebnis zu korri-
gieren, muß es innerhalb dieses Verfahrens, und
zwar auch unterhalb der Erheblichkeit für die Sitz-
verteilung möglich sein, falsche Wahlergebnis-Fest-
stellungen zu korrigieren (vgl. auch Seifert, Bundes-
wahlrecht 3. Auflage, S. 400 f.). Daß solche nachträg-
lichen Korrekturen Einfluß auf die Wahlkampfko-
stenerstattung haben können, bedeutet keine Erwei-
terung der Wahlprüfung auf mögliche Verschiebun-
gen des Zweitstimmen-Ergebnisses zum Zwecke, die
Höhe der zu erstattenden Wahlkampfkosten zu kor-
rigieren. Dabei darf auch nicht unberücksichtigt
bleiben, daß es u. U. nicht lediglich um die Höhe der
Wahlkampf kostenerstattung geht, sondern um die
Frage, ob die Voraussetzungen für die Berechtigung
einer Erstattung der Wahlkampfkostenpauschale
gemäß § 18 Abs. 2 PartG vorliegen oder nicht. Würde
es im Rahmen der Wahlprüfung unterlassen, trotz
falscher Wahlergebnis-Feststellung entsprechende
Korrekturen vorzunehmen, obwohl sie auf die Gül-
tigkeit der abgelaufenen Wahl keinen Einfluß haben
konnten, bestünde jedenfalls die nicht von der Hand
zu weisende Gefahr, daß die nachfolgende Wahl an-
gefochten würde, weil durch die Nichterstattung ei-
ner Wahlkampfkostenpauschale der Grundsatz der
Chancengleichheit der Parteien verletzt worden
wäre.
Unabhängig davon besteht — von den teilweise si-
cherlich berechtigten Interessen der an der Wahl
teilnehmenden Partei oder Untergliederung dersel-
ben abgesehen — ein allgemeines Interesse an der
richtigen Feststellung des Wahlergebnisses, d. h.
auch an einer Korrektur unrichtiger Wahlergebnis-
Feststellungen, selbst dann, wenn sie auf die Sitzver-
teilung im Bundestag keinen Einfluß gehabt haben.
Unterhalb der Erheblichkeit auf die Sitzverteilung
gilt dies zumindest dann, wenn das bekanntge-
machte Wahlergebnis auf offensichtlich falscher Zu-
sammenrechnung oder falscher Zuordnung der
Stimmen beruht.
In diesem Zusammenhang weist der Wahlprüfungs-
ausschuß darauf hin, daß es zu entsprechenden Fest-
stellungen in diesem Beschluß nicht hätte kommen
müssen, wenn den zuständigen Wahlorganen jeden-
falls bis zur amtlichen Bekanntmachung des Wahl-
ergebnisses noch die Möglichkeit eingeräumt wäre,
offensichtliche Zähl- oder Zuordnungsfehler zu be-
richtigen.
Da nach der amtlichen Bekanntmachung des Wahl-
ergebnisses auch offensichtliche Unrichtigkeiten
nur im Wege der Wahlprüfung beseitigt werden kön-
nen, werden die zuständigen Wahlorgane — Kreis-,
Landes- und Bundeswahlleiter — gebeten, die fest-
gestellten Fehler zu berücksichtigen.
Da der vom Wahlprüfungsausschuß festgestellte
Wahlfehler keinen Einfluß auf die richtige Zusam-
mensetzung des Bundestages der 9. Wahlperiode ge-
habt hat, war der Einspruch daher im Sinne des § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
110
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 47
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 55/80 — der Freien Bürger-
Union — FBU — , vertreten durch ihren Vorsitzenden, Herrn Wolfgang
Gellhaus, wohnhaft: Vulkanstraße 76, 5300 Bonn,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom November 1980 — eingegan-
gen beim Deutschen Bundestag am 20. Novem-
ber 1980 — hat der Vorsitzende der FBU Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung des Wahleinspruchs wird aus-
geführt, die FBU sehe sich genötigt, erneut auf
eine Wahlfälschung bei der jüngsten Bundes-
tagswahl hinzuweisen und die Wahl als ungültig
anzufechten. Bereits im Jahre 1976 sei der FBU
mit einer geschickt vorverlegten Wahlfälschung
mitten im Wahlkampf sämtliche Wahlmate-
rialien und Adressenlisten „unter Behördenvor-
wand und amtsverdeckt entwendet — amts-
deutsch: ,be-schlag-nahmt‘ “ worden. Bekanntlich
werde jede bundesdeutsche Behörde von einem
interessierten Parteibuchinhaber geleitet. So-
wohl der Wahlprüfungsausschuß als auch der da-
malige Bundeswahlleiter seien von diesem uner-
hörten Vorfall informiert worden. Bis heute
werde auf eine Antwort gewartet.
Auch vor der Bundestagswahl 1980 sei „amtsge-
tarnt” eine Wahlfälschung in ähnlicher Weise
vorgenommen worden, indem die Sprecher der
FBU und „die — somit amtsgefälscht diskrimi-
nierten — Kandidaten vorsorglich von Behör-
denhorden gar für politisch und juristisch unzu~
rechnungsfähig, überhaupt als angeblich ,gei-
steskrank’ hingestellt” worden seien, und dies
deshalb, weil die FBU eine ganze Reihe politisch
unbequemer Tatsachen exakt beleuchtet hätte
und auch weiterhin tun würde.
Gegen die Wahl zum 8. Deutschen Bundestag
vom 3. Oktober 1976 hatte die AWS — Arbeitsge-
meinschaft der Wähler und Steuerzahler — , ver-
treten durch Herrn Wolfgang Gellhaus, Ein-
spruch eingelegt. Der Einspruch wurde in der
23. Sitzung des Deutschen Bundestages am
21. April 1977 als offensichtlich unbegründet zu-
rückgewiesen.
Die Stadt Bonn hat mit Schreiben vom 18. März
1981 zu dem Einspruch mitgeteilt, Herr Wolfgang
Gellhaus, geb. 14. Oktober 1933, sei nach dem dort
vorliegenden Beschluß des Amtsgerichts Bonn
vom 23. August 1978 — 7 a C 113/77 — rechtskräf-
tig ab 11. April 1979 — wegen Geisteskrankheit
entmündigt. Der Entmündigte sei somit gemäß
§ 13 Bundeswahlgesetz (BWG) nicht in das Wäh-
lerverzeichnis einzutragen gewesen, außerdem
habe er seit März 1980 im Stadtgebiet Bonn keine
Wohnung mehr inne.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist jedoch unzuläs-
sig.
Nach § 13 Abs. 2 BWG ist vom Wahlrecht ausge-
schlossen, wer entmündigt ist oder wegen geistigen
Gebrechens unter Pflegschaft steht, sofern er nicht
durch eine Bescheinigung des Vormundschaftsge-
richts nachweist, daß die Pflegschaft aufgrund sei-
ner Einwilligung angeordnet ist. Der Einspruchsfüh-
rer ist durch Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom
23. August 1978 rechtskräftig entmündigt worden
und somit nicht wahlberechtigt.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes können
nur Wahlberechtigte wirksam Einspruch gegen die
Gültigkeit einer Bundestagswahl einlegen. Da der
Einspruchsführer gemäß § 13 BWG vom Wahlrecht
ausgeschlossen ist, konnte sein Schreiben vom No-
vember 1980 nicht als Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag gewertet
werden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
111
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 48
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 1/80 — des Herrn Leon
Speier, wohnhaft: Schwarzburgstraße 90, 6000 Frankfurt am Main,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 9. September 1980 „An die
Wahlbehörden c/o Wahlamt FFM.,“ das seitens
der Stadt Frankfurt am Main mit Schreiben vom
15. September 1980 dem Deutschen Bundestag
zugeleitet wurde, hat der Einspruchsführer Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
9. Deutschen Bundestag eingelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
die Wahlvorschläge der drei Parteien, die Aus-
sicht auf Erfolg hätten, seien in Verletzung des
Grundgesetzes und der Menschenrechte entstan-
den und somit hinfällig. Durch die Wahlvor-
schläge sei der Grundsatz der Demokratie, der
Gleichberechtigung und der Gleichbehandlung
verletzt worden. Die übrigen Parteien seien so
benachteiligt worden, daß außerhalb der drei Mo-
nopolparteien kein Wahlerfolg in Frankfurt mög-
lich gewesen sei.
Die Verletzung von Demokratie, Gleichheits-
grundsatz, Menschenrecht, Bürgerrecht und
Grundgesetz bestünden darin, daß man die Wahl-
berechtigten völlig illegal und gesetzeswidrig in
zwei Gruppen geteilt habe:
„a) Privilegierte Wahlberechtigte, welche ei-
ner der drei Parteien beitreten dürfen.
b) Unterdrückte Wahlberechtigte, denen man
den Zutritt zu einer der drei Parteien ver-
wehrt. Bewerben sie sich anschließend bei
den anderen beiden Parteien, so wird der
Zutritt ebenfalls verwehrt. Es handelt sich
um eine Unterdrückung die (in staatsbür-
gerlicher Hinsicht) Teilen der Unterdrük-
kung der Nichtarier durch die Naziregie-
rung ähnelt, zumal sehr viele Juden und
ähnliche Gruppen illegal aus der Demo-
kratie ausgeschlossen werden, indem ih-
nen (so wie mir) politische Ämter ver-
schlossen bleiben, durch den Drei-Partei-
enboykott.“
Solange nur die drei Parteien Aussicht auf Er-
folg hätten, ihm aber alle drei Parteien die Mit-
gliedschaft verweigerten, sei ihm eine Wahl nicht
zumutbar. Als Staatsbürger habe er Anspruch
nicht nur auf passives, sondern auch aktives
Wahlrecht. Außer eine der drei Parteien zu wäh-
len, möchte er, daß er sich selbst wählen könne.
Solange dieses aktive und passive Wahlrecht für
ihn und Millionen anderer Bürger unterdrückt
werde, seien die Wahlen in Frankfurt seit 1945
ungültig und würden auch in Zukunft ungültig
bleiben, auch wenn Parteimitglieder es als an-
ders hinstellen wollten.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 hat die Stadt
Frankfurt weitere Schreiben des Einspruchsfüh-
rers an das Wahl amt der Stadt Frankfurt nachge-
reicht, die bis in die Zeit des März 1980 zurückrei-
chen. In diesen Schreiben erklärt der Ein-
spruchsführer in ähnlicher Argumentation wie
in seinem Einspruchsschreiben: „alle in Frank-
furt stattfindenden Wahlen für ungültig.”
Mit Schreiben vom 4. Oktober 1980 wiederholt
der Einspruchsführer im wesentlichen seine
Ausführungen und legt ferner „Einspruch” dage-
gen ein, daß die Wahlprüfungsgremien nicht un-
parteiisch besetzt seien, sondern mit Parteileu-
ten, die in eigener Sache entschieden.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1980 wendet sich
der Einspruchsführer erstmals direkt an den
Deutschen Bundestag, wiederholt darin mit an-
deren Formulierungen seine früheren Behaup-
tungen und ergänzt sie durch allgemeine politi-
sche Ausführungen, die für das Wahlprüfungs-
verfahren keine Bedeutung haben können.
Der Einspruchsführer hatte bereits gegen die
Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Euro-
päischen Parlaments aus der Bundesrepublik
Deutschland vom 10. Juni 1979 Einspruch einge-
legt, den er mit ähnlichen Formulierungen zu be-
gründen versuchte. Der Einspruch wurde vom
Deutschen Bundestag in seiner 201. Sitzung am
13. Februar 1980 zurückgewiesen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
113
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aufgabe des Wahlprüf ungsverfahrens ist es, auf An-
fechtung hin zu prüfen, ob Verletzungen wahlrecht-
licher Bestimmungen vorliegen und ob sich daraus
Folgerungen für die Gültigkeit der Wahl für den
Deutschen Bundestag ergeben. Die vom Einspruchs-
führer vorgetragenen Behauptungen und allgemei-
nen Ausführungen lassen jedoch einen Hinweis auf
einen konkreten Verstoß gegen wahlrechtliche Be-
stimmungen nicht erkennen. Seine Nichtaufnahme
in eine politische Partei stellt jedenfalls einen sol-
chen Verstoß nicht dar. Wie die Gründung der politi-
schen Parteien frei ist (Artikel 21 Abs. 1 Satz 2 GG),
entscheiden gemäß § 10 Abs. 1 des Parteiengesetzes
die zuständigen Organe der Partei nach den nähe-
ren Bestimmungen der Satzung frei über die Auf-
nahme von Mitgliedern. Es gibt somit keinen
Rechtsanspruch auf Aufnahme in eine Partei, wie
auch für die Partei keine Verpflichtung besteht, die
Ablehnung eines Aufnahme antrages zu begründen
(vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes).
Soweit der Einspruchsführer im übrigen gesetzliche
Regelungen angreift, verweist der Wahlprüfungs-
ausschuß darauf, daß er es in ständiger Praxis abge-
lehnt hat, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit
hin zu überprüfen, da dies ausschließliche Zustän-
digkeit des Bundesverfassungsgerichts ist.
Da im übrigen keine konkreten Tatsachen vorgetra-
gen wurden, auf die ein Einspruch begründet wer-
den könnte, war der Einspruch im Sinne des § 6
Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet
zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
114
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 49
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 2/80 — des Herrn
Armin Krueger, wohnhaft: Stübchen 4 a, 5650 Solingen 1,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 17. September 1980 hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt. Seinen Einspruch versucht der Ein-
spruchsführer mit der „Verletzung der Grundge-
setze und Grundrechte” zu begründen und erhebt
gleichzeitig »Anklage gegen die öffentliche Ge-
walt”.
In der anschließenden Einzelbegründung unter-
breitet er eine Reihe von Vorschlägen zur Ände-
rung des Grundgesetzes und des Bundeswahlge-
setzes.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 1980 hat der Wahl-
prüfungsausschuß den Eingang seines Schrei-
bens bestätigt und den Einspruchsführer gleich-
zeitig auf die Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts hingewiesen, wonach nur solche
Wahlfehler als erheblich anzusehen sind, die auf
die Mandatsverteilung von Einfluß sind oder hät-
ten sein können. Ihm wurde darüber hinaus an-
heim gestellt, seinen Einspruch unter diesen
rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und ggf.
von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, ihn zu-
rückzunehmen.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1980 teilte der Ein-
spruchsführer mit:
„Die öffentlich erhobene Anklage in meinem
Schreiben vom 17. September 1980, erhalte ich,
in der Anklage sowie mit meinen Anträgen,
aufrecht.”
Mit Schreiben vom 17. Oktober 1976 hatte der
Einspruchsführer bereits Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 8. Deutschen Bundestag
vom 3. Oktober 1976 eingelegt und seinen Ein-
spruch mit ähnlichen Ausführungen zu begrün-
den versucht. Dieser Einspruch wurde vom Deut-
schen Bundestag in seiner 23. Sitzung vom
21. April 1977 als offensichtlich unbegründet zu-
rückgewiesen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aufgabe des Wahlprüfungsverfahrens ist es festzu-
stellen, ob durch Verletzung wahlrechtlicher Be-
stimmungen das Ergebnis der Bundestagswahl be-
einflußt wurde oder hätte beeinflußt werden können.
Die vom Einspruchsführer gemachten Ausführun-
gen sind jedoch zu allgemein gehalten und lassen
keinen Hinweis auf einen konkreten Verstoß gegen
wahlrechtliche Bestimmungen erkennen [vgl.
BVerfGE Bd.48, 271 (276)].
Darüber hinaus hat es der Wahlprüfungsausschuß
in ständiger Praxis abgelehnt, Gesetze auf ihre Ver-
fassungsmäßigkeit zu überprüfen, da dies aus-
schließliche Aufgabe des Bundesverfassungsge-
richts ist.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
115
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 50
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 4/80 — der Notverwaltung
des Deutschen Ostens — Landesregierung Ostpreußen, Länderkam-
mer, Benno Fleischer, Mitglied der Länderkammer, mit der Wahrneh-
mung der Rechte beauftragt, wohnhaft: Heuchelheimer Straße 108,
6380 Bad Homburg v. d. H.,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die am 5. Okto-
ber 1980 angesetzte Bundestagswahl und gleich-
zeitig gegen die Wahl des Bundeskanzlers einge-
legt und hilfsweise beantragt, die Ungültigkeit
der Bundestagswahl und der Wahl des Bundes-
kanzlers festzustellen.
Zur Begründung führt er aus, es könne nicht nur
Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses sein, le-
diglich eine rechtlich ordnungsgemäße Durch-
führung einer Wahl zu sichern, sondern doch zu-
nächst dafür zu sorgen, daß überhaupt noch eine
rechtliche Grundlage zu einer Wahl zum Deut-
schen Bundestag bestehe. Der Einspruchsführer
geht von der Fortexistenz des „Deutschen Rei-
ches” aus und zieht daraus allgemein politische
Folgerungen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses ist es, fest-
zustellen, ob durch Verletzung der Wahlrechtsbe-
stimmungen das Ergebnis der Bundestagswahl be-
einfluß wurde oder sein könnte. Dazu hat der Ein-
spruchsführer jedoch nichts vorgetragen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
muß die Begründung jedoch mindestens den Tatbe-
stand enthalten, auf den die Anfechtung gestützt
wird [BVerfGE Bd. 48, 271 (276)].
Da es darüber hinaus nicht Aufgabe der Wahlprü-
fung sein kann, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßig-
keit hin zu überprüfen, war der Einspruch im Sinne
des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich unbe-
gründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
117
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 51
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 26/80 — des Herrn Lorenz
Claussen, wohnhaft: Alte Poststraße 65 in 4952 Porta Westfalica,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Zur Begründung führt er aus:
a) Er sei der Ansicht, daß das Wahlverfahren
und deswegen der daraus resultierende Bun-
destag nicht dem Grundgesetz entspreche,
insbesondere nicht dem Artikel 38. Er bean-
trage daher, die Wahl vom 5. Oktober 1980 für
ungültig zu erklären und nach einem Wahl-
verfahren zu wiederholen, das dem Wortlaut
und dem Sinn des Grundgesetzes entspre-
che.
b) Die Voraussetzungen für eine unmittelbare
und gleiche Wahl seien für die Hälfte der Ab-
geordneten, die über die Landeslisten in das
Parlament gewählt würden, nicht gegeben.
c) Nach dem derzeitigen Wahlrecht werde die
endgültige Zahl der Mandate und damit die
wichtigste Entscheidung der ganzen Wahl, die
Entscheidung über die Mehrheitsverhältnisse
durch die Zahl der tatsächlich unmittelbar ge-
wählten Direktkandidaten überhaupt nicht
beeinflußt, sondern ausschließlich durch die
sogenannten Zweitstimmen entschieden.
d) Artikel 21 GG weise den Parteien die Mitwir-
kung bei der politischen Willensbildung des
Volkes zu. Im Gegensatz zu dieser Vorschrift
bewirke das derzeitige Wahlrecht, daß an
Stelle einer Mitwirkung der Parteien die Par-
teizugehörigkeit zum allein entscheidenden
und allein möglichen Auswahlkriterium beim
Wahlakt werde, mindestens für die Landesli-
sten- Kandidaten und in jedem Falle für die
Entscheidung über die Parlamentsmehrheit.
e) Das Gebot einer „gleichen Wahl“ (Artikel 38
GG) bedeute, daß alle Bürger den gleichen
Einfluß auf das Wahlergebnis haben sollten.
Tatsächlich hätten nach dem derzeitigen
Wahlrecht die wenigen Tausend Bürger, die
an der Aufstellung der Landeslisten beteiligt
seien, einen unverhältnismäßig großen Ein-
fluß auf die Entscheidung, wer Abgeordneter
werden solle.
f) Es könne tatsächlich sein, daß innerhalb der
Parteigremien mehr Sachverstand als beim
gewöhnlichen Wahlvolk versammelt sei für
die Entscheidung, wer im einzelnen im Parla-
ment gebraucht werde und wer nicht. Das
Grundgesetz wolle es aber nun einmal an-
ders.
g) Aus der Tatsache, daß auf dem Stimmzettel
der Listenkandidaten noch nicht einmal alle
Namen oder gar sonstige Daten und Qualifi-
kationen angegeben seien, ergäbe sich, daß
hier im Gegensatz zu den Vorschriften des
Grundgesetzes nicht in erster Linie der Abge-
ordnete gewählt werde, sondern eine Partei.
h) Die Unmöglichkeit, die Zusammensetzung
des Bundestages durch (Aus-)Wahl der Lan-
deslistenkandidaten zu beeinflussen, sei mit
dem Gebot einer „allgemeinen, unmittelba-
ren, freien, gleichen und geheimen Wahl”
nicht zu vereinbaren.
i) Der ungenügende Einfluß des Wählers auf die
Zusammensetzung des Parlaments habe zu
erheblichen Einseitigkeiten in der Gesetzge-
bung geführt, insbesondere in der Verteilung
der sozialen Sicherung einerseits und der Ko-
sten für die Finanzierung der sozialen Sicher-
heit andererseits.
j) Die verfassungswidrigen Wahlgesetze hätten
in der Vergangenheit eine verfassungswid-
rige Zusammensetzung des Bundestages zur
Folge gehabt. Das Gleiche gelte für die Zu-
kunft, wenn das Wahlrecht nicht geändert
werde.
k) Auf die Steuergesetzgebung eingehend, meint
der Einspruchsführer, die Sozialsteuerzahler
seien im Parlament nicht angemessen vertre-
ten; das sei eine Verletzung des Artikels 38
119
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
GG und der hergebrachten Grundlagen einer
repräsentativen Demokratie.
l) Dementsprechend fehle dem Deutschen Bun-
destag die verfassungsmäßige und demokra-
tische Legitimation mindestens für die Erhe-
bung der Sozialsteuern.
m) Konkret habe er die Bundestagswahl zu bean-
standen, da er sein volles Wahlrecht, d. h.
Erst- und Zweitstimme, nicht habe ausüben
können, ohne Kandidaten mitzuwählen, die er
für ungeeignet halte.
n) Die sich aus dem Wahlrecht ergebende Alter-
native „friß Vogel oder stirb” entspreche we-
der dem Geist noch dem Wortlaut des Grund-
gesetzes. Die aus dem bisherigen Wahlverfah-
ren entstandene Struktur der Abgeordneten
habe zu einer Ausgaben-Gesetzgebung ge-
führt, die nicht nur verfassungswidrig sei,
sondern ihn und Millionen anderer Bürger
verfassungswidrig benachteilige, an der auch
letztlich die Bundesrepublik zu Schaden kom-
men werde.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 1980 wurde dem
Einspruchsführer der Eingang seines Ein-
spruchs mitgeteilt; gleichzeitig wurde er auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hingewiesen, wonach nur solche Fehler einen
Wahleinspruch zu begründen vermögen, die auf
die Mandatsverteilung von Einfluß seien oder
hätten sein können. Ihm wurde ferner anheim
gestellt, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt
seinen Einspruch zu konkretisieren.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 1980 vertritt der
Einspruchsführer unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Auffassung, er sei der Ansicht, daß auch eine
fehlerfrei durchgeführte Wahl anfechtbar sei,
wenn das zugrunde liegende Wahlverfahren ver-
fassungswidrig und der Zweck der Wahl, die Bil-
dung eines Bundestages, dessen Abgeordnete
„Vertreter des ganzen Volkes” sein sollten, nicht
erreicht worden sei und nach dem Wahlverfah-
ren auch nicht erreicht werden könne.
Soweit die Mandatsverteilung für die Ein-
spruchsbegründung entscheidend sei, verweist
der Einspruchsführer auf das Überhangmandat
in Schleswig-Holstein, wodurch die schleswig-
holsteinische Bevölkerung überrepräsentiert sei.
Dies sei jedoch nicht sein wesentlicher Einwand,
sondern die Unvereinbarkeit der Wahl vom 5. Ok-
tober 1980 mit Artikel 38 GG.
Zur ausführlichen Begründung seiner Anfech-
tung verweist er auf das von ihm beigefügte Ma-
nuskript zum Thema: „Die Sozialversicherung
aus der Sicht eines Beitragszahlers — weder So-
zial noch Versicherung”.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Der Einspruchsführer stützt seinen Einspruch aus-
schließlich auf die angebliche Verfassungwidrigkeit
wahlrechtlicher Bestimmungen, die nach Auffas-
sung des Einspruchsführers dazu führen, daß der
Bundestag in seiner Zusammensetzung nicht den
Grundsätzen des Artikels 38 GG entspricht. Abgese-
hen davon, daß die vom Einspruchsführer angegrif-
fenen Wahlrechtsbestimmungen durch die Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts als ver-
fassungsgemäß angesehen wurden, ist Zweck des
Wahlprüfungsverfahrens festzustellen, ob durch
Verletzung von Wahlrechtsbestimmungen das Er-
gebnis der Bundestagswahl beeinflußt worden ist
Aus diesem Grunde kann ein Einspruch nicht damit
begründet werden, wahlrechtliche Bestimmungen
verstießen gegen die verfassungsmäßige Ordnung.
Der Wahlprüfungsausschuß hat es auch in ständiger
Praxis abgelehnt, im Rahmen des Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen
nachzuprüfen. Der Wahlprüfungsausschuß ist der
Auffassung, daß es ausschließlich Aufgabe des Bun-
desverfassungsgerichts ist, die Verfassungsmäßig-
keit von Gesetzen und Verordnungen zu prüfen.
Diese Ausführungen gelten auch hinsichtlich der
nachgeschobenen Begründung, die Erzielung eines
Überhangmandats stelle einen Wahlfehler dar. Die
Möglichkeit zur Erzielung eines Überhangmandats
ist in § 6 Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) gere-
gelt, wonach die in den Wahlkreisen errungenen
Sitze einer Partei auch dann verbleiben, wenn sie
die nach § 6 Abs. 1 BWG ermittelte Zahl übersteigen.
Auch zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von
Überhangmandaten hat das Bundesverfassungsge-
richt bereits in mehreren Entscheidungen Stellung
genommen und dieses Institut für verfassungsmä-
ßig erklärt, solange nicht der Nachweis eines Miß-
brauchs dargetan werden könne [vgl. BVerfGE 7, 63
(73 ff)]. Für eine mißbräuchliche Ausnutzung des In-
stituts der Überhangmandate hat der Einspruchs-
führer aber keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Der Einspruch war daher in vollem Umfang im
Sinne des § 6 Abs. 1 a Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
120
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 52
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 36/80 — des Herrn Dr. Bern-
hard Schloh, wohnhaft: Rue de la Loi 170, B-1048 Brüssel,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt.
Der Beschwerdeführer trägt vor, er sei deutscher
Beamter der Europäischen Gemeinschaften,
wohnhaft: 1048 Brüssel, Rue de la Loi 170, ohne
Wohnung oder gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland. Sein Einspruch
richte sich gegen die Gültigkeit der Wahl, nicht
gegen die in einem bestimmten Wahlkreis (Ham-
burg-Bergedorf) erfolgte unmittelbare Wahl ei-
nes Mitglieds des Bundestages, er richte sich
auch nicht gegen das vom zuständigen Kreis-
wahlleiter beobachtete Wahlverfahren. Der Ein-
spruch richte sich vielmehr gegen die Gültigkeit
des Wahlgesetzes. Er habe hierzu in der Wahlan-
fechtungssache Az.: 3/72 vom November 1972
Gründe vorgebracht, die er sich erneut zu eigen
mache. Er ergänze sie um eine Rüge wegen Ver-
letzung des Artikels 1 des Grundgesetzes.
Der Einspruchsführer vertritt die Ansicht, „da-
durch in seiner Menschenwürde verletzt zu wer-
den, daß sein Heimatstaat ihn auf Grund des Pro-
tokolls über die Vorrechte und Befreiungen der
Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965
so ansieht, als habe er das Inland nie verlassen,
um daran für den Fall des Todes die unbe-
schränkte Steuerpflicht anzuknüpfen“. Solange
er noch lebe, verleugne ihn sein Heimatstaat in
bezug auf das Wahlrecht. „Einen Menschen der-
art zum Objekte zu machen, daß der verstorbene
Staatsbürger dem Staat mehr bedeutet als der le-
bende, verstößt gegen die Verfassung.”
Gegen die Wahl zum 7. Deutschen Bundestag
vom 19. November 1972 hat der Einspruchsführer
mit im wesentlichen übereinstimmenden Grün-
den die Wahl angefochten. Der Wahleinspruch
wurde in der 42. Sitzung am 14. Juni 1973, Druck-
sache 7/698, als offensichtlich unbegründet zu-
rückgewiesen. Nach Darlegung der Rechtslage
heißt es in dem Beschluß:
„Der Wahlprüfungsausschuß hat in ständiger
Übung die Auffassung vertreten, daß es nicht
seine Aufgabe sein kann, im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Gültigkeit oder
Zweckmäßigkeit bestehender gesetzlicher Be-
stimmungen nachzuprüfen, da dies ausschließ-
lich Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts
ist.”
Mit Schreiben vom 22. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Vorgänge betreffend seine Nicht-
eintragung in das Wählerverzeichnis übermittelt,
die durch Schreiben des Kreiswahlleiters der
Freien und Hansestadt Hamburg vom 14. No-
vember 1980 ergänzt wurden.
Aus den übermittelten Unterlagen ergibt sich,
daß der Einspruchsführer im Verwaltungsrechts-
wege versucht hat, feststellen zu lassen, daß die
Beklagte (die Freie und Hansestadt Hamburg,
vertreten durch die Behörde für Inneres) ver-
pflichtet sei, ihn in die jeweiligen Wählerver-
zeichnisse der Beklagten für künftige Bundes-
tagswahlen aufzunehmen, solange er Beamter
der Europäischen Gemeinschaften sei und sei-
nen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außer-
halb des Bundeswahlgebietes, aber innerhalb der
europäischen Gebiete der übrigen Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Gemeinschaften habe und
nicht Gründe für den Ausschluß von dem Wahl-
recht oder das Ruhen des Wahlrechts einträten.
Vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht —
Az.: OVG Bf 181/73 — wurde die Berufung des
Einspruchsführers gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichts Hamburg vom 7. Februar 1973, das
die Klage des Einspruchsführers abgewiesen
hatte, zurückgewiesen.
In dem Verfahren über die Verfassungsbe-
schwerde des Einspruchsführers gegen das
Fünfte Gesotz zur Änderung des Bundeswahlge-
setzes (BWG) vom 20. Juli 1979 hat das Bundes-
verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde
nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie
wegen Fristversäumung unzulässig war. In der
Begründung wird u. a. ausgeführt, die Verfas-
121
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
sungsbeschwerde sei auch unzulässig, soweit mit
ihr ein Unterlassen des Gesetzgebers im Hin-
blick auf § 12 BWG gerügt werden solle. Grund-
sätzlich könne nur ein erlassenes Gesetz, nicht
aber ein Unterlassen des Gesetzgebers Gegen-
stand einer Verfassungsbeschwerde sein. Eine
Ausnahme liege nur dann vor, wenn der Be-
schwerdeführer sich auf einen ausdrücklichen
Auftrag des Grundgesetzes berufen könne, der
Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im
wesentlichen umgrenzt habe. Zur Ausdehnung
der Sonderregelung des § 12 Abs. 2 BWG auf den
Personenkreis, welchem der Beschwerdeführer
angehöre, sei der Bundesgesetzgeber von Verfas-
sungs wegen jedoch nicht gehalten.
Die Beschwerde des Einspruchsführers gegen
die Ablehnung des Einspruchs betreffend seine
Eintragung in das Wählerverzeichnis wurde vom
Kreiswahlleiter des Wahlkreises 17, Hamburg-
Bergedorf, gemäß § 22 Abs. 5 der Bundeswahlord-
nung (BWO) zurückgewiesen. Zur Begründung
wurde darauf hingewiesen, die Voraussetzungen
des § 12 Abs. 2 BWG lägen nicht vor; ebensowenig
seien die Voraussetzungen des § 25 BWO gege-
ben.
Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Der Ausschuß hat davon abgesehen, den Einspruch
bereits als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß § 2
Abs. 2 WPG können nur Wahlberechtigte wirksam
Einspruch gegen die Gültigkeit einer Bundestags-
wahl einlegen. Der Einspruchsführer gehört jedoch
zu dem Personenkreis, dem das Wahlrecht nur des-
halb nicht zusteht, weil er die Voraussetzungen des
§ 12 BWG nicht erfüllt. Die Einräumung des Wahl-
rechts für diesen Personenkreis ist Gegenstand par-
lamentarischer Überlegungen. Wenn diese Überle-
gungen zwischenzeitlich nicht zu einer den Ein-
spruchsführer zxifriedenstellenden Regelung ge-
führt haben, kann dies jedoch nicht im Wege des
Wahlprüfungsverfahrens aufgegriffen werden. Dem
Einspruchsführer muß dies auch bekannt sein, nicht
zuletzt aufgrund seines erfolglosen Einspruchs ge-
gen die Bundestagswahl zum 7. Deutschen Bundes-
tag vom 19. November 1972 und die für die Zurück-
weisung seines Einspruchs gegebene Begründung.
Aber auch aus der Zurückweisung seiner Verfas-
sungsbeschwerde mit Gründen hätte der Ein-
spruchsführer entnehmen können müssen, daß die
von ihm versuchte Durchsetzung seines vermeintli-
chen Rechts auf dem von ihm beschrittenen Wege
nicht zum Erfolg führen kann.
Der Wahlprüfungsausschuß weist erneut darauf hin,
daß er es in ständiger Übung abgelehnt hat, im Rah-
men eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfas-
sungsmäßigkeit bestehender gesetzlicher Bestim-
mungen nachzuprüfen, da dies ausschließlich Auf-
gabe des Bundesverfassungsgerichts ist.
Da der Einspruchsführer selbst vorträgt, keine Ver-
letzung wahlrechtlicher Bestimmungen zu rügen,
war daher sein Einspruch im Sinne des § 6 Abs, 1 a
Nr, 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
122
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 53
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 37/80 — des „Länderrat der
Landesregierung Ostpreußen” vertreten durch Herrn Günther Lipski,
wohnhaft: Pippelweg 13, 3300 Braunschweig, (angegebene Adresse:
Landtag 3 Hannover),
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt
Zur Begründung führt er aus:
„Solange die ostdeutschen Länder Ostpreußen,
Oberschlesien, Niederschlesien u. a. nicht
ebenso wie Berlin im Bundesrat mit beraten-
der Stimme an den gesetzgebenden Beratun-
gen beteiligt sind, solange ist das Grundgesetz
vom 11. August 1949, die Präambel und die Ur-
teile des BVG vom 31. Juli 1973, 7. Juli 1975 u. a.
nicht erfüllt
Die drei ostdeutschen Länder sind seit dem
30. August 1976, 1977 und 1978 mit insgesamt
11 Länderräten und 66 Länderkammern dem
Niedersächsischen Landtag in Hannover bei-
getreten, . . .”
Mit Schreiben vom 3. November 1980 wurde dem
Einspruchsführer der Eingang seines Schreibens
vom 27. Oktober 1980 bestätigt Da von der Ver-
waltung des Landtages in Hannover dem Wahl-
prüfungsausschuß mitgeteilt wurde, der Ein-
spruchsführer sei zwar dort bekannt, gehöre aber
weder dem Landtag an noch habe er dort ein
Büro, eingehende Post werde mit dem Hinweis
auf seine Privatanschrift in Braunschweig wei-
tergeleitet, wurde das Eingangsbestätigungs-
.schreiben an seine Anschrift in Braunschweig
gerichtet.
Mit Schreiben vom 6. November 1980 beschwert
sich der Einspruchsführer über die Zustellung
der Eingangsbestätigung an seine Privatan-
schrift und erklärt, wenn wieder ein Schriftsatz
an seine Privatanschrift zugestellt werde, wolle
er den Beweis dafür antreten, daß mindestens die
Fraktion der CDU/CSU „Vollstrecker der Politik
einer ausländischen Macht” sei. Daran schließen
sich allgemeine Ausführungen zur Frage der
Wiedervereinigung und zum Selbstbestim-
mungsrecht an.
Bereits mit Schreiben vom 19. November 1976
hatte der Einspruchsführer Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 8. Deutschen Bundestag
vom 3. Oktober 1976 eingelegt, der vom Deut-
schen Bundestag in seiner 23. Sitzung am
21. April 1977 als offensichtlich unbegründet zu-
rückgewiesen wurde. Auch in der damaligen Ein-
spruchsbegründung wurden eine Reihe staats-
rechtlicher und verfassungsrechtlicher Überle-
gungen angestellt, die nach Auffassung des Ein-
spruchsführers bei der Wahl zum 8. Deutschen
Bundestag keine Berücksichtigung gefunden
hätten.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses ist es festzu-
stellen, ob durch die Verletzung wahlrechtlicher Be-
stimmungen das Ergebnis der Bundestagswahl be-
einfluß wurde oder sein könnte. Dazu hat der Ein-
spruchsführer nichts vorgetragen, insbesondere je-
doch keine Begründung gegeben, aus der ersichtlich
hätte werden können, er wolle behaupten, diese oder
jene Wahlrechtsbestimmung sei verletzt worden
[vgl. BVerfGE Bd. 48, 271 (276)].
Soweit der Einspruchsführer rügt, die Eingangsbe-
stätigung sei an seine Privatanschrift geschickt wor-
den, obwohl als Postanschrift „Landtag Hannover”
angegeben worden sei, ist die Zustellung der Schrei-
ben an seine Privatadresse als ordnungsgemäß an-
zusehen, da der Einspruchsführer weder Mitglied
des Landtags von Niedersachsen ist, noch die drei
123
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Ostdeutschen Länder, in deren Namen er Einspruch
eingelegt hat, dem Niedersächsischen Landtag in
Hannover beitreten konnten und auch der Ein-
spruchsführer im Landtag von Hannover kein Büro
hat
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. 1 a
Nr, 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
124
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 54
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 39/80 — des Herrn
Bernhard Oelerink, wohnhaft: Wagnerstraße 14, 3012 Langenhagen,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1980 hat der Ein-
spruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge*
legt.
Sein Einspruchsschreiben ist in Kürze gekenn-
zeichnet als 163. Rundbrief an Europäische Publi-
kationsorgane; beigefügt sind ferner der 160.
Rundbrief mit der Überschrift: „Allgemeine Mo-
bilmachung“ und sein 161. Rundbrief betreffend
Schreiben an den Generalbundesanwalt und
schließlich der 162. Rundbrief betreffend Schrei-
ben an das Bundesverfassungsgericht mit der
Überschrift: „Der Nährboden des Terrorismus“.
In seinem Einspruchsschreiben — 163. Rund-
brief — heißt es wörtlich: „Vornehmlich auch für
die Zeit nach dem Zusammenbruch des jetzigen
verbrecherischen Systems im Westteil unseres
Vaterlandes und für mein geplantes Buch mit
dem Titel ,60 Jahre unter Irren’ habe ich folgen-
des aktenkundig zu machen:“. Es folgt dann ein
Hinweis auf seine „Widerstandsaktionen“ und
auf seinen Einspruch gegen die Wahl zum 8.
Deutschen Bundestag, in dem er auf die verbre-
cherische Wahlkampfkostenerstattung und Par-
teienfinanzierung hingewiesen habe.
Aus den Anlagen muß entnommen werden, daß
er sich erneut gegen die Wahlkampfkostenerstat-
tung wende. Er schreibt: „Jeder Staatsbürger, der
aus der Kasse des Arbeitgebers Geld entwendet,
um damit bei einer Bewerbung nicht nur für sich,
sondern auch gegen andere Bewerber Propa-
ganda zu machen, wird bestraft und schadenser-
satzpflichtig gemacht . . . Trotzdem nehmen seit
mehreren Jahren gewisse Staatsbürger bei einer
Bewerbung für die Vertretung des souveränen
deutschen Volkes immer noch ungestraft Milli-
onenbeträge aus der Kasse des souveränen Ar-
beitgebers, um damit nicht nur für sich, sondern
auch gegen andere Bewerber die Riesenwahlpro-
paganda zu finanzieren!!!“
Der Wahleinspruch des Einspruchsführers gegen
die Wahl zum 8. Deutschen Bundestag wurde
vom Deutschen Bundestag unter Hinweis auf die
einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts als offensichtlich unbegründet zu-
rückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung ein-
gelegte Beschwerde beim Bundesverfassungsge-
richt wurde verworfen, „weil der Beschwerdefüh-
rer die nach § 48 BVerfGG zwingend erforderli-
che Beitrittserklärung von mindestens 100 Wahl-
berechtigten nicht innerhalb der Beschwerde-
frist eingereicht hat“. [BVerfG — 2 BvC 3/77]. Mit
Schreiben vom 20. Januar und 14. März 1981 hat
der Einspruchsführer für sich das „heilige Recht“
verlangt, sich in einer öffentlichen mündlichen
Verhandlung verteidigen zu können. Diesen
Schreiben waren verschiedene Rundbriefe sowie
Zeitungsartikel aus dem „Spiegel“ vom 3. Fe-
bruar 1965 und dem Sonntagsblatt vom 9. August
1970 im Zusammenhang mit der Parteienfinan-
zierung beigefügt.
Darüber hinaus beantragt der Einspruchsführer,
gemäß § 19 Wahlprüfungsgesetz notwendige Ko-
sten, z. B. Fahrkosten, zu erstatten.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. la Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Zwar ist das Recht auf Chancengleichheit zunächst
für den Wahlvorgang selbst entwickelt worden;
seine Geltung wurde jedoch auf die Wahlvorberei-
tung ausgedehnt. Es gilt damit auch im Bereich der
Erstattung von Wahlkampfkosten. Durch das Partei-
engesetz wurden von Staats wegen den Beteiligten
am Wahlkampf öffentliche Mittel zur Verfügung ge-
125
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
stellt Das Bundesverfassunggericht hat in mehre-
ren Entscheidungen die Wahlkampfkostenerstat-
tung als verfassungsgemäß angesehen, jedoch den
Ausschluß unabhängiger Bewerber von der Wahl-
kampfkostenerstattung als verfassungswidrig er-
klärt [BVerfGE 41, 399 (422)].
Da der Einspruchsführer lediglich die Wahlkampf-
kostenerstattung an sich angreift, die durch Gesetz
und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts abgesichert ist, kann er mit
seinem Einspruch keinen Erfolg haben, da es der
Wahlprüfungsausschuß in ständiger Praxis abge-
lehnt hat, gesetzliche Regelungen auf ihre Verfas-
sungswidrigkeit zu überprüfen.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. la
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Gemäß § 19 WPG können dem in nichtamtlicher Ei-
genschaft Einsprechenden notwendige Kosten er-
stattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben
oder der Einspruch nur deshalb zurückgewiesen
wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen
Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt hat. Diese Vor-
aussetzungen für eine Kostenerstattung sind im vor-
liegenden Fall nicht erfüllt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
126
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 55
Beschluß
in Wahlanfechtungssache — Az.: WP 47/80 — der Deutschen Volkspar-
tei (DVP), vertreten durch den 1. Vorsitzenden, Rainer Hans Kurt
Kummer, wohnhaft: Neuköllner Straße 316, 1000 Berlin 47,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1980 hat der 1.
Vorsitzende der Deutschen Volkspartei, Rainer
Hans Kurt Kummer, Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag ein-
gelegt.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
durch das Erfordernis der Unterstützungsunter-
schriften nach dem Bundeswahlgesetz würden
neue Parteien benachteiligt. Bei genauem Hinse-
hen sei dieses Erfordernis ein perfektes Unter-
drückungsinstrument. Ferner bezweifelt er, ob
die Parteien, die aufgrund der Erreichung der er-
forderlichen Unterstützungsunterschriften zur
Bundestagswahl zugelassen worden seien, dieses
Erfordernis auch tatsächlich erfüllt hätten. Denn
es klaffe eine erhebliche Differenz zwischen der
angeblich erreichten Zahl der Unterstützungsun-
terschriften und der Zahl der auf diese Parteien
abgegebenen Stimmen.
Aus einer Verhandlungsniederschrift in der Ge-
schäftsstelle des Landeswahlleiters des Landes
Schleswig-Holstein in Kiel, die der Einspruchs-
führer seinem Einspruch beigefügt hat, ergibt
sich, daß er geltend macht, in der Gemeinde
Helmstedt seien Unterstützungsunterschriften
seitens der Gemeinde unterschlagen worden.
Dies schließe er daraus, daß beispielsweise in
dieser Stadt Flugblätter mit den Unterstützungs-
unterschriften in Hausbriefkästen gesteckt wor-
den seien, mit der Aufforderung, diese ausgefüllt
im Rathaus abzugeben. Auf Nachfrage beim Ein-
wohnermeldeamt sei jedoch mit Ausflüchten ge-
antwortet worden. Keine einzige Unterstüt-
zungsunterschrift sei wieder zu Händen der DVP
gelangt.
Da die Werbung der DVP auch in anderen Ge-
meinden erfolglos geblieben sei, meldet der Ein-
spruchsführer Zweifel daran an, daß die gesam-
ten kommunistischen Gruppierungen (Volks-
front, KPW, EAP und andere) eine ausreichende
Zahl von Unterstüzungsunterschriften zusam-
menbekommen hätten. Dies könne bei diesen
Gruppen nie und nimmer mit rechten Dingen zu-
gegangen sein, weshalb die Kriminalpolizei und
die Staatsanwaltschaften eingeschaltet würden.
Aufgrund der am 19. August 1980 beim Bundes-
wahlleiter eingereichten Anmeldung stellte der
Bundeswahlausschuß in der ersten Sitzung am
28. August 1980 fest, die Deutsche Volkspartei
(DVP) werde gemäß § 18 Abs. 3 Nr. 2 des Bundes-
wahlgesetzes (BWG) für alle Wahlorgane ver-
bindlich als Partei anerkannt, weil sie die Bedin-
gungen der §§ 18 Abs. 2 BWG, 33 Abs. 1 der Bun-
deswahlordnung (BWO) und § 2 Abs. 1 des Partei-
engesetzes erfülle.
Da die Deutsche Volkspartei die nach § 27 Abs. 1
BWG erforderlichen Unterstützungsunterschrif-
ten nicht beibringen konnte, wurden ihre Lan-
deslisten in Niedersachsen und Schleswig-Hol-
stein zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen
diese Zurückweisung wurde in der zweiten Sit-
zung des Bundeswahlausschusses am 11. Sep-
tember 1980 zurückgewiesen.
In der Begründung der Zurückweisung wird aus-
geführt, die Landeswahlausschüsse hätten die
Landeslisten zu Recht zurückgewiesen, da entge-
gen § 27 Abs. 1 BWG keine bzw. keine gültigen
Unterstützungsunterschriften vorgelegt worden
seien.
Auch könnten die Einspruchsführer für ihre Be-
hauptung, in Helmstedt seien Unregelmäßigkei-
ten durch Unterschlagung von Unterstützungs-
unterschriften vorgekommen, nicht gehört wer-
den, da diese Behauptung weder konkretisiert
noch bewiesen worden sei.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. la Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
127
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist form- und fristgerecht beim Deut-
schen Bundestag eingegangen; er ist auch zulässig,
jedoch offensichtlich unbegründet.
Gemäß § 34 Abs. 4 bzw. § 39 Abs. 3 und 4 BWO sind
die gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 27 Abs. 1 BWG er-
forderlichen Unterschriften auf amtlichen Form-
blättern zu leisten, die auf Anforderung vom Kreis-
wahlleiter kostenfrei geliefert werden (§ 34 Abs. 4
Nr. 1 BWO). Die Festlegung einer bestimmten Zahl
von Unterschriften von Wahlberechtigten soll dazu
dienen, daß sich nur solche „neuen“ Parteien an der
Wahl beteiligen, die in der Öffentlichkeit bereits eine
gewisse Anhängerschaft unter den Wählern gefun-
den haben. Das Bundesverfassungsgericht hat diese
Regelung in ständiger Rechtsprechung für verfas-
sungsgemäß erklärt [seit BVerfGE 3, 19 (31)] und
darauf hingewiesen, daß mit dieser Regelung einer
Zersplitterung der Stimmen und der Bildung von
Zwergparteien begegnet werden solle [BVerfGE 41,
399 (421)].
Aus der Zulassung der DVP als Partei zu den Bun-
destagswahlen kann der Einspruchsführer nicht
herleiten, daß deshalb das Erfordernis der Unter-
stützungsunterschriften gemäß § 20 Abs. 2 bzw. § 27
Abs. 1 BWG verfassungswidrig sei. Die Zulassung ei-
ner Partei für die Teilnahme an den Bundestags-
wahlen bedeutet für die Parteien, die im Deutschen
Bundestag oder in einem Landtag seit deren letzter
Wahl nicht aufgrund eigener Wahlvorschläge unun-
terbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten ver-
treten waren, lediglich, daß sie aufgrund ihrer Zulas-
sung mit ihrem Namen als Partei unter diesem Na-
men Unterstützungsunterschriften sammeln kön-
nen.
Mit der vom Einspruchsführer geäußerten Vermu-
tung, bei der Beschaffung der Unterstützungsunter-
schriften seien Unkorrektheiten vorgekommen, sei
es, daß die eigenen Unterstützungsunterschriften
unterschlagen bzw, andere Parteien durch Manipu-
lation die erforderlichen Unterstützungsunterschrif-
ten hätten beschaffen können, kann der Einspruch
nicht begründet werden. Die Einspruchsführerin hat
für die von ihr vorgetragenen Behauptungen bzw.
Vermutungen keine ausreichend substantiierten
Tatsachen vorgetragen, die als Tatbestand für eine
Nachprüfung evtl. Wahlfehler ausgereicht hätten.
Der Einspruch war daher im Sinne des § 6 Abs. la
Nr. 3 WPG als offensichtlich unbegründet zurückzu-
weisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
128
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 56
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 57/80 — der Rentner Partei
Deutschlands (RPD) — Liberale Partei für Jedermann, Landesver-
band Niedersachsen — 3000 Hannover 51, Postfach 627
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9, Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 22. November 1980 — Eilbrief
— hat die Einspruchsführerin Einspruch gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bun-
destag eingelegt. Der Eilbrief wurde erst am
25. November 1980, einen Tag nach Ablauf der ge-
setzlichen Frist des § 2 des Wahlprüfungsgeset-
zes (WPG) dem Bundestag zugestellt. Auf An-
frage beim Postamt Bonn teilte dieses mit, der
am 22. November 1980 bis 12.00 Uhr eingelieferte
Brief hätte bei normaler Laufzeit am Sonntag,
dem 23. November 1980, morgens beim Postamt
Bonn 1 zur Zustellung vorliegen müssen. Der ver-
spätete Eingang des Briefes am 24. November
1980 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr sei auf den
Streik des Tarifpersonals der Deutschen Bundes-
post in der Zeit vom 20. bis 24. November 1980 zu-
rückzuführen. Der Streik habe u. a. auch zu ei-
nem erheblichen Rückstau an Eilbriefen geführt.
Die unterwegs liegengebliebenen Sendungen
seien nach Beendigung des Streiks am 24. No-
vember 1980 unverzüglich weitergeleitet worden.
Das habe beim Postamt Bonn zu einem weit über
dem normalen Aufkommen liegenden Zugang an
Sendungen geführt. So seien am 24. November
1980 in den Abendstunden so viele Eilsendungen
zugegangen, daß das Postamt Bonn personell
nicht in der Lage gewesen sei, die Sendungen bis
22.00 Uhr alle zuzustellen. Eine große Anzahl die-
ser Sendungen habe deshalb erst am nächsten
Tag zugestellt werden können. Dazu habe leider
auch der Eilbrief der Einspruchsführerin ge-
hört.
Mit Schreiben vom 27. November 1980 wurde der
Einspruchsführerin der Eingang ihres Schrei-
bens vom 22. November 1980 bestätigt, darauf
hingewiesen, daß der Einspruch erst einen Tag
nach Ablauf der gesetzlichen Frist des § 2 WPG
beim Deutschen Bundestag eingegangen sei und
der Wahlprüfungsausschuß prüfen werde, ob we-
gen der Streikmaßnahmen bei der Deutschen
Bundespost der verspätete Eingang möglicher-
weise noch als rechtzeitig angesehen werden
könne.
Außerdem wurde die Einspruchsführerin darauf
hingewiesen, daß auch die Begründung des
Wahleinspruchs innerhalb der gesetzlichen Frist
beim Deutschen Bundestag eingegangen sein
müsse, es sei denn, daß der Tatbestand, auf den
die Anfechtung gestützt werde, eindeutig erken-
nen lasse, aufgrund welcher Umstände die Wahl
angefochten werden solle. Unsubstantiiertes Vor-
bringen vermöge nach ständiger Rechtspre-
chung einen Wahleinspruch nicht zu begrün-
den.
In dem Schreiben der Einspruchsführerin vom
22. November 1980 heißt es:
„Das Recht der politischen Parteien auf Chan-
cengleichheit wird verletzt, wenn Staatsorgane
als solche parteiergreifend zugunsten oder zu
Lasten einer politischen Partei oder von Wahl-
werbern in den Wahlkampf einwirken.
Die Rentner Partei Deutschlands (RPD) fühlt
sich bezüglich der Bundestagswahl 80 in ihrem
Recht auf Chancengleichheit verletzt und in ih-
rer Öffentlichkeitsarbeit behindert.
Unter Wahrung des Wahlanfechtungstermins
am 24. 11. 80 fechtet die RPD hiermit die Bun-
destagswahl 80 an. Die Begründung wird we-
gen der noch ausstehenden Regierungserklä-
rung und des Poststreiks in wenigen Wochen
nachgereicht.“
Trotz dieser Ankündigung ist beim Deutschen
Bundestag keine Begründung des Einspruchs
eingegangen.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. la Nr. 3
WPG von der Anberaumung einer öffentlichen
mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen.
129
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist formgerecht eingelegt; der Wahl-
prüfungsausschuß hat ihn auch als rechtzeitig ein-
gelegt betrachtet.
Gemäß § 2 Abs. 4 WPG muß ein Einspruch binnen ei-
nes Monats nach Bekanntmachung des Wahlergeb-
nisses beim Deutschen Bundestag eingegangen
sein. Da das Wahlergebnis am Freitag, dem 24. Okto-
ber 1980, vom Bundeswahlleiter in Nr. 200 des Bun-
desanzeigers bekanntgemacht worden war, lief die
Frist am 24. Nobember 1980, 24.00 Uhr, ab.
Da die Zustellung des Eilbriefes der Einspruchsfüh-
rerin erst am 25. November 1980 erfolgte, ging er ob-
jektiv einen Tag nach Ablauf der Einspruchsfrist
des § 2 Abs. 4 WPG beim Deutschen Bundestag ein.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt
nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses
nicht in Betracht. In früheren Entscheidungen hat
der Wahlprüfungsausschuß zur Frage der Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand festgestellt:
„Da das Wahlprüfungsgesetz eine Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand nicht kennt, dieses
Rechts in stitut auch nicht aus übergeordneten Ge-
sichtspunkten hilfsweise herangezogen werden
kann, da § 2 Abs. 4 Satz 1 WPG eine strenge Aus-
schlußfrist darstellt, weil das öffentliche Interesse
eine alsbaldige Klarheit über die Gültigkeit der
Wahl erfordert, konnte dem Antrag des Ein-
spruchsführers auf Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand nicht stattgegeben werden. Der Unzu-
lässigkeit der Einsetzung in den vorigen Stand
entspricht nach Auffassung des Wahlprüfungs-
ausschusses das Recht des Präsidenten des Bun-
destages, nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 2
Abs. 4 Satz 1 WPG Einspruch einzulegen, wenn
ihm nach Ablauf dieser Frist in amtlicher Eigen-
schaft Umstände bekannt werden, die einen Wahl-
mangel begründen könnten (§ 2 Abs. 4 Satz 2
WPG).“
(Vgl. Drucksachen 8/263 S.41, 8/3579 S. 47).
Zur Frage der Einhaltung eingeräumter Einspruchs-
frist hat das Bundesverfassungsgericht u. a. ausge-
führt:
„Bedient er sich zur Beförderung seines Schrei-
bens der Post, so muß er die gewöhnliche Laufzeit
einer Postsendung je nach deren Art und je nach
der Entfernung zwischen Aufgabe- und Zustellort
einkalkulieren. Dabei sind übliche Verlängerun-
gen der Laufzeit, wie sie durch verminderten oder
ganz entfallenden Leerungs- und Zustellungs-
dienst an Wochenenden und Feiertagen entste-
hen, von vornherein in die Berechnung einzube-
ziehen. Wenn das beachtet wird und es im Einzel-
fall auch keine konkreten Hinweise auf andersar-
tige Verzögerungen gibt, dann darf der Bürger
darauf vertrauen, daß die normale Laufzeit nicht
überschritten werde.“
[Vgl. BVerfGE 40, 42 (44 f.)].
Kann, wie das Bundesverfassungsgericht in dersel-
ben Entscheidung ausführt, der Bürger die ihm vom
Gesetz eingeräumte Einspruchsfrist bis zu ihrer
Grenze ausnutzen, kann es für die Frage, ob die Ein-
spruchsfrist eingehalten wurde oder nicht, darauf
ankommen, ob der Bürger evtl. Verzögerungen bei
der Zustellung voraussehen können mußte oder die
Verzögerung der Zustellung auf Umstände zurück-
zuführen war, die er allein oder überwiegend zu ver-
treten hatte.
Der Wahlprüfungsausschuß hält an seiner früher
dargelegten Auffassung fest, daß es im Wahlprü-
fungsrecht eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nicht geben kann; da der von der Einspruchs-
führerin bei der Post auf gegebene Eilbrief jedoch
durch Streikmaßnahmen bei der Deutschen Bun-
despost nicht rechtzeitig in den Besitz des Bundesta-
ges kam, hat der Wahlprüfungsausschuß es dahinge-
stellt sein lassen, ob in diesem konkret gelagerten
Ausnahmefall der Einspruch schon als nicht mehr
fristgerecht und damit als unzulässig zurückgewie-
sen werden müßte.
Der Wahlprüfungsausschuß ist aber nach Prüfung
der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gekom-
men, daß der Wahleinspruch offensichtlich unbe-
gründet ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 und 3 WPG erfolgt die Wahlprü-
fung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die
Begründung muß mindestens den Tatbestand, auf
den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen
und ausreichend substantiierte Tatsachen enthalten
[vgl. BVerfGE 40, 11 (30) und 48, 271 (276 ff.)].
Diesen Anforderungen genügt das Einspruchs-
schreiben der Einspruchsführerin nicht. Der erste
Satz im Einspruchsschreiben gibt lediglich die sich
aus dem Grundsatz der Chancengleichheit erge-
bende Rechtsfolge wieder. Zwar hat die Einspruchs-
führerin im nächsten Satz behauptet, sie fühle sich
in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt und
in ihrer Öffentlichkeitsarbeit behindert. Worin diese
Verletzung bzw. Behinderung bestehen soll, hat die
Einspruchsführerin jedoch nicht dargelegt, viel-
mehr auf eine Begründung verwiesen, die wegen der
noch ausstehenden Regierungserklärung und des
Poststreiks nachgereicht werden sollte.
Der Wahlprüfungsausschuß hat es dahingestellt
sein lassen, ob das Schreiben der Einspruchsführe-
rin vom 22. November 1980 bereits eindeutig den
Tatbestand erkennen läßt, auf den die Anfechtung
gestützt werden soll, so daß nach Fristablauf noch
eine nähere Begründung des Einspruchs möglich
gewesen wäre. Da die Einspruchsführerin aber dar-
auf verzichtet hat, die angekündigte Begründung
nachzureichen, war der Einspruch wegen mangeln-
der Substantiierung, d. h. Darlegung mindestens des
Tatbestands, auf den die Anfechtung gestützt wer-
den sollte, offensichtlich unbegründet und deshalb
im Sinne des § 6 Abs. la Nr. 3 WPG als offensichtlich
unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
130
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Drucksache 9/316
Anlage 57
Beschluß
in der Wahlanfechtungssache — Az.: WP 58/80 — des Herrn
Alfred Pegoretti, wohnhaft: Amselweg 8, 8011 Aying,
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag
vom 5. Oktober 1980
hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung
am beschlossen:
Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1. Mit Schreiben vom 24. November 1980 hat der
Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültig-
keit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag einge-
legt. Er behauptet, seinen Einspruch bereits beim
Oberlandesgericht im Zusammenhang mit ei-
nem Antrag auf gerichtliche Entscheidung in ei-
nem Klageerzwingungsverfahren angebracht zu
haben und habe darum gebeten, daß sein Ein-
spruch weitergeleitet werde.
Zur Begründung seines Einspruchs trägt er vor,
§ 13 Abs, 2 Satz 1 der Bundeswahlordnung (BWO)
könnte ungültig, d. h. verfassungswidrig sein,
weil § 17 Abs. 1 Nr. 4 BWO vorsehe, daß diese
Nummer dem Wahlberechtigten mit der Wahlbe-
nachrichtigung mitgeteiit werde und wegen der
Auslegung des Wählerverzeichnisses die politi-
schen Interessengruppen an die Wähler Werbe-
material, mit der Wählerverzeichnis-Nummer
versehen, versenden könnten, wodurch insbeson-
dere die Möglichkeit gegeben sei, sich Auszüge
und Abschriften des Wählerverzeichnisses anfer-
tigen zu lassen (§ 18 Abs. 4 BWO). Dies sei eine le-
galisierte numerale Wähler nötigung, weshalb die
Wahlen zum 9. Deutschen Bundestag ungültig
seien.
In einem Postscriptum drückt er die Hoffnung
aus, daß sein Einspruch wie auch seine anderen
wahren Schriften nicht wieder Grund seien, ihn
im Irrenhaus zu foltern und zu schlagen.
Auf ein Schreiben des Wahlprüfungsausschusses
vom 4. Dezember 1980, in dem darauf hingewie-
sen wurde, daß die Einspruchsfrist am 24. No-
vember 1980, 24.00 Uhr, abgelaufen und sein Ein-
spruch deshalb verspätet eingelegt worden sei,
weshalb ihm anheim gestellt werde, seinen Ein-
spruch zurückzunehmen, antwortete der Ein-
spruchsführer mit Schreiben vom 6. Dezember
1980, nicht am 23. November, sondern am 24. No-
vember 1980 sei die Frist abgelaufen, die im
Schreiben vom 4. Dezember 1980 angegebene
Frist sei richtig berechnet worden. Er macht je-
doch geltend, er habe bereits in seiner Schrift
vom 12. November 1980 beim Oberlandesgericht
Einspruch eingelegt und hätte erwarten können,
daß man diesen weitergeieitet hätte. Sein Schrei-
ben vom 24. November 1980 habe vor allem dazu
dienen sollen, die staatsanwaltschaftliche Ehr-
lichkeit zu überprüfen. Im übrigen vertritt er die
Auffassung, auch der Poststreik könnte sich bei
der verspäteten Zuleitung an den Bundestag aus-
gewirkt haben.
Ausdrücklich erklärt er, er nehme seinen Ein-
spruch nicht zurück und bitte die verfassungs-
treuen Miglieder des Deutschen Bundestages,
ihn bei der Durchsetzung seiner Schadensersatz-
forderung zu unterstützen und insbesondere
seine erneute Einlieferung in ein Irrenhaus zu
verhindern.
2. Der Ausschuß hat nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. la Nr. 3
des Wahlprüfungsgesetzes (WPG) von der Anbe-
raumung einer Öffentlichen mündlichen Ver-
handlung Abstand zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist formgerecht eingelegt worden; der
Wahlprüfungsausschuß hat ihn auch als noch recht-
zeitig eingelegt betrachtet.
Gemäß § 2 Abs. 4 WPG muß ein Einspruch binnen ei-
nes Monats nach Bekanntmachung des Wahlergeb-
nisses beim Deutschen Bundestag eingegangen
sein. Da das Wahlergebnis am Freitag, dem 24. Okto-
ber 1980, vom Bundeswahlleiter in Nr. 200 des Bun-
desanzeigers bekanntgeniacht worden war, lief die
Frist am 24. November 1980, 24.00 Uhr, ab.
Da einerseits nicht ausgeschlossen werden kann,
daß der Einspruchsführer tatsächlich sich bereits
mit einem früheren — vor dem 24. November 1980
liegenden — Schreiben mit der Bitte an ein Ober-
landesgericht gewandt hat, seinen Einspruch weiter-
zuleiten, andererseits der Streik bei der Bundespost
gegen Ende der Einspruchsfrist Einfluß auf den ver-
späteten Eingang des Einspruchs beim Deutschen
131
Drucksache 9/316
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode
Bundestag gehabt haben könnte, hat der Wahlprü-
fungsausschuß — da es im Wahlprüfungsrecht eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht geben
kann, vgl. Drucksache 8/3579, S. 47 f., — dahinge-
stellt sein lassen, ob in diesem konkret gelagerten
Ausnahmefall der Einspruch schon als nicht mehr
fristgerecht und damit als unzulässig zurückgewie-
sen werden müßte. Er ist jedoch nach Prüfung der
Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen,
daß der Einspruch offensichtlich unbegründet ist.
Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses ist es, auf
Anfechtung hin zu prüfen, ob Verletzungen der
Wahlrechtsbestimmungen vorliegen und ob sich
daraus Folgerungen für die Gültigkeit der Wahl der
Abgeordneten zum 9. Deutschen Bundestag erge-
ben. Der Wahlprüfungsausschuß hat es jedoch in
ständiger Praxis abgelehnt, im Rahmen des Wahl-
prüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Rechtsvorschriften nachzuprüfen. Der Wahlprü-
fungsausschuß ist der Auffassung, daß es aus-
schließlich Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts
ist, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Ver-
ordnungen zu prüfen.
Da der Einspruchsführer die Bestimmungen des § 13
Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 Nr. 4 BWO (a. F.) als
verfassungswidrig rügt und der Wahlprüfungsaus-
schuß an seiner früheren Praxis festhält, war der
Einspruch gemäß § 6 Abs. la Nr. 3 WPG als offen-
sichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluß kann gemäß § 48 des Geset-
zes über das Bundesverfassungsgericht (in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1971), der
als Anlage beigefügt ist, unter den dort genannten
Voraussetzungen Beschwerde beim Bundesverfas-
sungsgericht erhoben werden. Sie muß binnen eines
Monats seit der Beschlußfassung des Deutschen
Bundestages — — beim Bundesverfas-
sungsgericht eingegangen sein.
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ISSN 0172-6838